Dieter Matz - 1. Quartal 2023


Dieter Matz - Der Blog

Folge 10/2023

Online seit 29.03.2023 


Dieses Länderspiel war herausragend! Wirklich. Kein Quatsch. Deutschland gegen Belgien war echt herausragend. Für RTL. Leider nur für RTL. Die Einschaltquote stimmte. Das allerdings war das Einzige, was an diesem Dienstag stimmte. Ansonsten: Desaströs, Horror-Pleite, Debakel, ein fußballerischer Offenbarungseid – die deutschen Fußball-Versager on Tour in Köln. Es war entsetzlich, es war erschütternd, es war katastrophal – es tat weh. Nach 69 Jahren siegte Belgien erstmals wieder gegen Deutschland. Es hieß aus belgischer Sicht 3:2, aber es hätte eigentlich 7:3 heißen können, oder auch müssen. Was war das für ein Auftritt der deutschen Mannschaft!? Ich bin immer noch total schockiert. Für mich steht nun fest, und zwar hundertprozentig: Ich werde in meinem Leben nie wieder erleben, dass die deutsche Nationalmannschaft der Männer, die sich weiterhin auf einem steil absteigenden Ast befindet, auch nur irgendeinen Titel oder Titelchen gewinnt. Das wird nichts mehr. Nie wieder.

Wer es wissen möchte: 74 Jahre alt.



Das ist doch, verdammt noch mal, keine deutsche Nationalmannschaft mehr!




Um ehrlich zu sein: Gegen Peru ein paar Tage vorher, beim 2:0-Sieg, habe ich erst in der zweiten Halbzeit eingeschaltet. Das war eine Premiere. Noch nie habe ich auf ein Länderspiel verzichtet, obwohl ich vor dem Fernseher saß und Zeit gehabt hätte. Diese Truppe geht mir allmählich am Allerwertesten vorbei. Deshalb wird es gewiss nicht das letzte Mal gewesen sein, dass ich ein Länderspiel boykottiere. Was die Verantwortlichen aus diesem einst weltmeisterlichen Team gemacht haben, ist einfach nur als lächerlich zu bezeichnen. Die Hauptsache an diesem grandiosen Untergang ist für mich, dass bei allen Herren die Kasse stimmt. Immer her mit den Millionen. Nein, nein, das bringt doch keinen Spaß mehr, sich so etwas anzusehen.

Da wird eine Woche lang mit Engelszungen gepredigt und geredet, wie wichtig dieser Test gegen Belgien ist, was die Mannschaft alles zeigen muss, damit es wieder bergauf mit den deutschen Fußball geht, und dann dieser Auftritt eines fußballerischen „Trümmerhaufens“. Die erste halbe Stunde habe ich mich gefragt, wieso der HSV da nicht aufgelaufen ist? Schlechter wäre das nicht gelaufen. Allein die Abwehr, auch Defensive genannt. Moritz Heyer rechts, Miro Muheim links, und die Sache wäre geritzt gewesen. Aber der Bundes-Hansi setzte lieber auf Dortmunds Marius Wolf und Leipzigs David (Rückwärts-)Raum. Wolf beim 0:1? Wenn ich Bundestrainer gewesen wäre, statt Bundes-Hansi, und der BVB-Profi wäre nach dieser amateurhaftenAbwehraktion, die nicht im Ansatz eine war, sofort ausgewechselt worden. Sofort. National-Verteidiger? Ihr macht doch alle Spaß. Das hat doch mit Nationalmannschaft nicht das Geringste zu tun. Und dann links der (Rückwärts-)Raum. Hat sich der Bundes-Hansi tatsächlich noch nie 90 Minuten am Stück von (Rückwärts-)Raum angesehen? Immer nur zurück. Immer nur zurück, zurück, zurück, zurück. So einen National-Verteidiger kannst du einfach nicht bringen – aber der Bundes-Hansi macht es trotzdem. Dazu gehört schon Mut. Viel, viel Mut. Es sei denn, du hast nicht ganz so viel Ahnung wie der Hase läuft – dann wäre das entschuldigt. Aber nur dann!



Rudi Völler, der Bierhoff-Nachfolger, hat vor Wochen einmal alarmierende Worte losgelassen. In etwa so: „Bis zur EM 2024 werden wir noch eine gute Nationalmannschaft haben, aber danach. . .“ Er sieht schwarz. Weil der Nachwuchs fehlt. Aber für mich fehlt der schon jetzt, nicht erst im Sommer 2024. Es ist Wahnsinn, was mit unserem Fußball passiert, und was schon passiert ist. Alle räumen die dicken Millionen ab und freuen sich ihres Lebens, aber Leistung auf dem Rasen dieser Welt zu bringen, dazu sind sie nicht mehr in der Lage. Hauptsache die dicke Marie ist eingesackt. Ansonsten träumt mal schön weiter – vom erfolgreichen deutschen Fußball. Ich weiß nicht, ob unsere „Jungs“ es vor ein paar Tagen mitbekommen habe: Marokko hat 2:1 gegen Brasilien gewonnen. Marokko. WM-Vierter 2022. Marokko? Diesen Fußball-Zwerg hat doch bis Mitte 2022 keiner von unseren großen „Bundesliga-Stars“ gekannt – geschweige denn ernst genommen. Aber wenn Deutschland jetzt gegen Marokko spielen müsste, dann würde ich ein Spielchen wie in etwa gegen Belgien erwarten. Von unserer grandiosen Nationalmannschaft.



Im DFB-Team in Köln, um das noch einmal zu erwähnen, waren aber nicht nur Wolf und (Rückwärts-)Raum grottenschlecht. Marc-Andre ter Stegen wird ja seit Jahren in Barcelona gelobt, gelobt und gelobt. Mag sein. Aber in unserer Nationalmannschaft hat er mich noch nie überzeugt. Auch diesmal nicht. Okay, er sah in Sachen Haaren etwas anders, sogar etwas besser aus als sonst, mit niedlichen Locken auf der Stirn, aber das war es auch schon. Manuel Neuer hat früher mal den einen oder anderen „Unhaltbaren“ gehalten, das gibt es bei ter Stegen irgendwie nicht. Also, von seiner Leistung war ich nicht angetan, um es einmal ganz vorsichtig zu umschreiben.

Thilo Kehrer als Innenverteidiger erhält von mir die Wolf- und (Rückwärts-)Raum-Benotung: eine glatte Sechs. Matthias Ginter ging so, ich würde ihm eine 4,5 geben. Leon Goretzka eine 5,5; Serge Gnabry eine 3,5; Florian Wirtz eine 6; Josua Kimmich eine stramme Sechs. Von irgendeinem habe ich über Kimmich gehört, dass er ihn als „Kapitänchen“ bezeichnete – das ist treffend. Ich habe während des Debakels, bei dem nichts von Kimmich zu sehen war, gedacht: „Wenn das bei ihm mit dem Fußball nicht mehr so richtig klappen sollte – im Tatort kann er bestimmt mal eine Kommissar-Rolle abstauben. Talent hat er ja.“ Und auch so habe ich über ihn gedacht: „Er ist wohl von dem überraschenden Nagelsmann-Aus noch immer total geschockt, er kann bestimmt noch nicht seine 100 Prozent abrufen. Der Arme. . .“



Vom deutschen Spielführer kam jedenfalls nichts, nichts in diesen erschreckenden 90 Minuten – und so geht es schon seit einigen Länderspielen mit ihm. Witzig ist, wenn er Eckbälle zur Mitte drischt: Er hebt vor dem Schuss immer den Arm. Wozu? Das ist ein absoluter Witz. Sollen die Jungs in der Mitte zum Himmel gucken? Sollen sie auf ihn achten? Was soll das Theater? Diese Arm-Heberei ist in meinen Augen Schwachsinn. Aber gut, irgendwie muss man ja mal ein Zeichen von sich geben, und wenn es nur so geht – dann eben Arm hoch! Allerdings wüsste Kimmich ja, wie es gehen könnte, gehen sollte. Nach dem Belgien-Kick sagte er voller Überzeugung: „Die Fehler müssen aufhören, das war nichts, besonders zu Beginn nichts. Nach 30 Minuten hätte es schon 0:3 oder 0:4 stehen können. Wir müssen von Anfang an auf dem Platz sein, hungrig und konzentriert, dann haben wir auch Qualität – aber nur dann.“ Beim nächsten Mal dann eben. . .




Zurück zur Spieler-Kritik: Niclas Füllkrug bekommt von mir eine 4,5; Timo Werner am liebsten eine Sieben, aber es geht ja leider nur bis zur Sechs. „Unsere Spieler stoppen den Ball weiter, als der Gegner schießen kann!“ Dieser lustige Fußball-Spruch passt hundertprozentig auf den Leipziger Torjäger a. D.


Gute Noten erhalten von mir drei Eingewechselte: Emre Can räumte auf und räumte ab – das war für mich eine 2,5. Felix Nmecha brachte Schwung und Leben in die Bude – 3,5. Und ganz zum Schluss kam Kevin Schade. Der wirbelte in den letzten 14 Minuten richtig gut, das war eine 3. Er sorgte am Ende wenigstens noch für etwas Hoffnung. Jedenfalls bei mir. Ob ich mir die nächsten Länderspiele aber ansehen werde, weiß ich noch nicht. Im Moment habe ich die Faxen dicke, keinen Bock mehr auf solch ein Gekicke – und ich muss dann mal sehen, was das Fernsehen an diesem Abend an anderen Sachen zu bieten hat. Nicht an Fußball. Versteht sich.


Zwei gute Sachen, das soll nicht unerwähnt bleiben, gab es an diesem miesen Kick trotz allem – aus Hamburger Sicht: Amadou Onana, der 2020 von Hoffenheim II zum HSV gekommen war, dann aber bald weiter zum OSC Lille transferiert wurde und der heute beim FC Everton unter Vertrag ist, spielte 90 Minuten bei Belgien mit. Und zwar sehr gut. Aber der Höhepunkt seines Spiels war, als Kevin De Bruyne kurz vor Schluss ausgewechselt wurde – da erhielt Onana sogar die Kapitänsbinde von seinem Kapitän. So kann es gehen. Dann gab es auf deutscher Seite noch das Debüt von Josha Vagnoman, der einst auch beim HSV war – wer erinnert sich? Heute spielt der Verteidiger beim VfB Stuttgart; das heißt, mal spielt er, mal spielt er nicht (bei Bruno Labbadia). Seine Minuten mit dem Adler auf der Brust verliefen so lala, ich war aber doch etwas erschrocken, weil er zweimal zum Flanken kam, diese Bälle aber irgendwie flach und unkontrolliert zur Mitte flogen. Vagnomans krumme Dinger erinnerten mich an den früheren HSV, wenn Mehdi Mahdavikia Ecken schlug. Dann hissten alle Maulwürfe im Volkspark die weißen Fahnen und verließen fluchtartig das Gelände. Todesgefahr!


Womit ich schon bei den Rothosen bin – also Themenwechsel. An diesem Freitag gastiert der HSV in Düsseldorf. 20 000 Hamburger Fans sollen da ja erwartet werden. Ich erinnere mich an an Spiel der Saison der Saison 1996/97. Der letzte und 34. Spieltag. Der HSV fuhr als Tabellen-15. an den Rhein und fuhr als Tabellen-13. wieder zurück an die Elbe. Weil es im Rheinstadion ein (müdes) 1:1 gegeben hatte – mit Interimstrainer Ralf Schehr an der Seite. 11 000 Zuschauer waren im Stadion, davon ungefähr die Hälfte aus Hamburg. Als die Mannschaft, die in roten Hosen gespielt hatte, nach dem Schlusspfiff zum eigenen Anhang ging, um gefeiert zu werden (Klassenerhalt!), wurde dieser Gang früh unterbrochen. Weil den Spielern allerhand um die Ohren flog, nicht nur Bier oder sonstige flüssige Sachen. Es gab ein Pfeifkonzert, Buh-Rufe und Plakate: „Danke für nichts!“ Hoffentlich geht es an diesem Freitag wesentlich besser aus, mir fehlt allerdings ein wenig der Glaube. Was ja aber nichts heißen muss, weil ich ja ein bekannt lausiger Tipper bin.


Übrigens kann der HSV doch noch gewinnen. Jedenfalls einzelne Personen. Die Freundin von HSV-Vize Bernd Wehmeyer zum Beispiel. Chachada Kachidza-Fabisch gewann beim „Dubai World-Cup“, bei dem es um ein Pferderennen geht, den Hut-Wettbewerb. Herzlichen Glückwunsch! Das sollte allen HSVern Auftrieb geben. Auch für Freitag und für Düsseldorf.



Wobei ich schnell noch einmal erinnern möchte, dass der HSV vor einer Woche ein Testspiel gegen den abstiegsgefährdeten Zweitliga-Klub Eintracht Braunschweig mit 1:2 verloren hat. Bei diesem Match spielte Javi Montero in der Innenverteidigung – und gefiel nicht viel. Soll heißen, dass er gar nicht gefiel. Dabei sollte er (eventuell) den für Freitag gesperrten Sebastian Schonlau (5. Gelbe) vertreten. Trainer Tim Walter wird sich wohl oder übel eine andere Variante überlegen müssen – oder? Montero machte jedenfalls bei beiden Toren der Niedersachsen keinen guten Eindruck, aber, das fällt mir jetzt ein, das machten einige Mitspieler von ihm bei der 2:4-Niederlage kürzlich in Karlsruhe auch nicht – und sie spielten trotz allem beim 0:0 gegen Kiel von Beginn an. Also, der Herr Walter wird es richten.

Was ja auch für zwei andere HSV-Fälle zutreffend sein könnte: Von Xavier Amaechi (22) heißt es, dass er beim derzeitigen Zweitliga-Dritten ausgespielt haben soll. Das Talent soll ausgespielt haben. Der Offensivspieler kam 2019 für etwas mehr als zwei Millionen Euro von Arsenal London nach Hamburg, hat seit dieser Zeit aber keine Wunderdinge vollbracht – ist nicht einmal für einen etwas längeren Zeitraum positiv aufgefallen. Da besteht wohl auch kaum noch Hoffnung. . .

Im Gegensatz – vielleicht - zu Anssi Suhonen (22). Er könnte es eventuell doch noch in Hamburg packen – und Stammspieler werden. Für Finnland stand der kleine HSV-Flitzer (und HSV-Bankdrücker) nun am Wochenende beim 1:0-EM-Qualifikations-Sieg in Nordirland in der Start-Formation! Immerhin. Nun ist ja aber, das ist schon klar, die finnische Nationalmannschaft (in einem EM-Quali-Spiel) auch ganz sicher nicht mit dem HSV zu vergleichen, Suhonen wird sich hier weiterhin hinten anstellen müssen. Geduld heißt das Zauberwort. Und wenn es gut laufen sollten, dann wird er vielleicht ja auch einmal der (Ersatz-)Kapitän der finnischen Nationalmannschaft, wer weiß das schon? So wie es nun Amadou Onana mit den Belgiern ergangen ist. Damit hat bestimmt keiner (von Euch) gerechnet - oder?


Dass es beim HSV dieser Tage in der Führungsetage weiterhin locker und lebendig, um es mal salopp zu umschreiben, zugeht, ist eigentlich noch immer normal. Es sind einfach zu viele Köche dabei, die den Brei verderben. Dass Klub-Präsident Marcell Jansen nun (in der BILD am Sonntag) erklärte, dass es Beleidigungen und sogar Bedrohungen innerhalb der HSV-Ehrenamtlichen gab, ist schon ein etwas härterer Umgangston. Jansen: „Es trifft Menschen, die mit viel Leidenschaft und mit hohem Zeitaufwand professionell und zugleich ehrenamtlich den Verein unterstützen, und diese Menschen haben einen respektvollen Umgang verdient. Dieser gegenseitige Respekt fehlte in der Vergangenheit leider häufiger.“ Deshalb sagte Marcell Jansen auch: „Falls im HSV-Umfeld noch einmal jemand bedroht oder beleidigt wird, gehe ich diesen Weg nicht mit.“


Ob diese Ausage dem HSV helfen wird? Es bleibt abzuwarten. Ich bin erst einmal gespannt, wie es am Freitag mit dem HSV beim Betriebsausflug zu Fortuna Düsseldorf laufen wird.


In diesem Sinne, alles Gute für Euch, bleibt gesund!


Dieter Matz
















Dieter Matz - Der Blog

Folge 09/2023

Online seit 23.03.2023 


Handspiel?


Wirklich Handspiel? Ernsthaft Hand? Glaube ich nicht!


Ich habe keine Lust mehr, über diesen Mist zu schreiben! Null Bock auf Handspiel. Es ist eine Schande, was sie aus unserem Fußball machen! Es ist Wahnsinn. Wirklich nur noch Wahnsinn. Es bringt keinen Spaß mehr, diesen Schwachsinn anzusehen. Mir jedenfalls bringt es keinen Spaß mehr. Die sind doch nicht dicht, diese Jungs, die solche Entscheidungen treffen, die solche Regeln aufstellen, die glauben, dass sie alles richtig machen. Sie nehmen mir, sie nehmen bestimmt auch vielen Leuten die Lust an diesem tollen Sport. Ich kann ohne Fußball gar nicht, das sage ich ehrlich, aber so, mit diesen unglaublichen Fehl-Entscheidungen, geht der Fußball allmählich vor die Hunde. Sie machen ihn kaputt! Und glauben dabei, dass sie auf dem richtigen Weg sind. Wahnsinn, wirklich Wahnsinn. Was treiben diese Ahnungslosen da mit uns?



Dabei geht es, das bleibt auch festzuhalten, nicht nur in den deutschen Profi-Ligen so chaotisch zu. Wer in dieser abgelaufenen Woche den internationalen Fußball gesehen hat, Champions League und all dieses Zeug, der muss doch auch völlig traumatisiert ins Bett gegangen sein. Wie kann das angehen, dass auf einem solchen Niveau so viele eklatanten Fehler „von oben“ abgesegnet werden? Sind die alle von Sinnen? Nur noch doof? Man kann es nicht glauben, was sich da für einen Bockmist zurecht gepfiffen wird! Vielleicht sollten die hohen Herren der Regelkunde eventuell einmal ein Wochenende lang probieren, Spiele ohne Schiedsrichter (und erst recht ohne Kölner Keller!) über die Bühne zu bringen – es kann doch auf keinen Fall noch schlechter werden!

Nein, nicht ernst gemeint, aber trotz allem ein verzweifelter Versuch, die Ahnungslosen endlich einmal auszubremsen. Schafft diesen Katastrophen-Keller endlich ab, oder setzt da „richtige“ Profis hin, die tatsächlich Ahnung vom Fußball haben!



Zwei Paradebeispiele für diesen Irrsinn:

Am Wochenende vor einer Woche bekommt ein Mainzer im Spiel bei der Hertha den Ball an die Spitze des Fingernagels des rechten Daumens – Hand-Elfmeter! An diesem Sonnabend befördert der Dortmunder Mahmoud Dahoud wie ein Volleyballer die Kugel mit der Hand zur Ecke, das war unübersehbar und eindeutig Hand, in Köln sehen sich das die Ahnungslosen auch lange und genüsslich auch an – kein Elfmeter für den 1. FC Köln. Unglaublich. Das aber waren nur zwei von unzähligen Hand-Vorfällen in den Stadien dieser Republik.



Und wenn ich dann sehe, wie der sportliche Leiter der deutschen Spitzen-Schiedsrichter, ein Herr namens Peter Sippel, im Sport1-Doppelpass zu erklären versucht, was nicht zu erklären ist, dann ist das nur noch eine hoch peinliche Nummer. Wer sich erinnern kann: Peter Sippel war einst Bundesliga-Schiedsrichter, aber einer, der zu keiner Phase seiner „Karriere“ Spitzenleistungen in diesem, seinem Metier gebracht hat. Und dieser Herr Sippel soll uns diesen Mist erklären, soll es uns nahe bringen, was wirklich Sache ist? Lachhaft! Hört doch auf, uns solchen Schwachsinn verkaufen zu wollen, hört doch bloß auf!

Natürlich gibt es noch einige Ausnahmen – bei den Schiedsrichtern. Patrick Ittrich aus Hamburg ist inzwischen ein ganz starker 23. Mann, und Deniz Aytekin zum Beispiel, er ist auch eine solche Ausnahme. Aber darauf komme ich noch zurück.



Wobei ich schon zum erfreulichen Teil komme: FC St. Pauli.

Achter Sieg in Folge, unbesiegt in diesem Jahr – mit dem neuen Trainer Fabian Hürzeler läuft es! Der 30-jährige Coach stellte mit diesem ungefährdeten Erfolg einen Zweitliga-Rekord ein, denn nur der heute in Hamburg lebende Jürgen Wähling (1986 mit Hannover 96) und Hans-Dieter Tippenhauer (1979 mit Arminia Bielefeld) hatten auch jeweils ihre ersten acht Spiele als Zweitliga-Trainer gewonnen. Herzlichen Glückwunsch! Und ich muss gleich zum Anfang mal sagen: St. Pauli spielt zurzeit absolut erstligareif. Die Mannschaft ist einfach eine Wucht in Tüten. Über Nacht gereift, könnte man sagen. Das Team spielt so souverän, so ballsicher, so intelligent, so ideen- und variantenreich – im Moment gibt es keine bessere Mannschaft in der Zweiten Liga. Ich behaupte sogar, dass dieser FC St. Pauli in der heutigen Ersten Bundesliga absolut mithalten würde und bestehen könnte.

Das wird bis zum Sommer wohl noch einen heftigen Saison-Endspurt geben, bei dem ich überhaupt nichts mehr ausschließen möchte. Wo werden die Braunen am Ende landen? Noch vor dem HSV? Es ist jedenfalls nur grandios, was auf St. Pauli derzeit geleistet und gespielt wird!



Aus einer wirklich erstklassigen Mannschaft (an diesem Sonntag) fällt es mir nicht leicht, noch den einen oder anderen herausragenden Spieler zu nennen – dennoch möchte ich es versuchen. Von hinten nach vorne. Manolis Saliakas spielt inzwischen (längst) einen überragenden rechten Verteidiger. Defensiv wie offensiv. Er war erneut unter den Torschützen in Sandhausen, erzielte unter Mithilfe des früheren HSV-Profis Christian Kinsombi das wichtige 1:0. Die Dreierkette mit Jakov Medic, Eric Smith und Karol Mets steht souverän und sicher, ist vor allem in Sachen Kopfball nicht zu überlisten. Sandhausen hat es oft mit weiten und hohen Bällen versucht, die „Drei von St. Pauli“ haben immer schön und brav danke gesagt und die Sachen angenickt. Aber es war wohl auch die einzige Chance oder Möglichkeit des Tabellenletzten, St. Paulis Defensive zu überspielen – am Boden reichten die doch arg beschränkten Mittel Sandhausens einfach nicht aus, um zu Torchancen zu kommen.



Im St.-Pauli-Mittelfeld überragt Jackson Irvine seit Monaten schon. Ich kann dem Kiez-Klub nur kräftig die Daumen drücken, dass ein solch starker Mann am Ende der Saison gehalten werden kann – allein mir fehlt der Glaube. Den wird die zahlungskräftige Konkurrenz wohl vom Millerntor abwerben, so denke ich, mit vielen, vielen Dollars mehr als bisher. Aber ich muss es noch einmal betonen: Irvine zieht seit langer Zeit schon sensationell auf, er erzielte diesmal sogar zwei Tore, zwei Tore mit dem Fuß! Etwas untypisch für den Kopfballspezialisten.

Und ganz vorne bei St. Pauli? Lukas Daschner! Ich ziehe den Hut vor ihm. Zum letzten Male schreibe ich, dass ich ihn nach dem 1:0-Sieg in Nürnberg noch „vernichtet“ habe, aber seit diesem Spiel am 29. Januar hat sich Daschner in eine sensationelle Verfassung gespielt – auch diesmal wieder ein Tor. Er macht wirklich so gute Sachen, erobert Bälle, hält die Bälle klug, verteilt sie ideenreich und bestens – unfassbar für mich, dass er einen solchen Wandel durchlaufen hat. Kompliment.




Dazu passt natürlich, dass St. Pauli im Winter mit Oladapo Afolayan einen starken Stürmer aus der zweiten englischen Liga geholt hat. Ich muss es mal so deutlich sagen: Solche Neuzugänge (Karol Mets eingeschlossen) gibt und gab es beim HSV nicht. St. Pauli hat auch in diesem Fall eindeutig die Nase vorn. Gratulation. Und dass Hürzeler den Linksfuß Connor Metcalfe nach vorne rechts beordert hat, ist auch ein überaus gelungener Schachzug. Wie Metcalfe den Ball von der Mittellinie ganz rechts draußen nach vorne links katapultierte, ist einfach nur sensationell zu nennen. Afoyalan profitierte von diesem Sensations-Pass, er spielte den ehemaligen HSV-Verteidiger Dennis Diekmeier kurz einmal schwindelig und schoss zum 3:0 ein. Einfach nur traumhaft.




Und noch eines war traumhaft an diesem Sonntags-Kick: Die Leistung von Schiedsrichter Deniz Aytekin. Im Moment der beste deutsche Unparteiische, leider nicht mehr international pfeifend. In der 45. Minute plus eins hatte Aytekin seinen größten Auftritt - allen jungen Kollegen zur Nachahmung empfohlen. Alexander Esswein hatte sich ein Beispiel zu seinen Mitspielern genommen – der Sandhäuser trat Afolayan brutal um. Zuvor hatte Sandhausen schon nach der 3:0-Führung auf Treten statt Fußball umgeschaltet – jetzt dieses Brutalo-Foul – Aytekin zog Rot. Sofort. Und kam dann von den Ahnungslosen im Kölner Keller den Hinweis, sich diesen Tritt noch einmal anzusehen. Motto: Reicht das für Rot? Wahrscheinlich muss für die Kölner das Bein sofort abfallen oder im Knick gebrochen sein, um einen Platzverweis auszusprechen. Aytekin sah sich die Szene auf dem Monitor an – und blieb bei seinem Rot. Natürlich. Er knickte nicht ein, er lässt sich nicht von den Kölner Ahnungslosen verbiegen! Super gemacht!


Apropos: Ein Wort noch zu Fabian Hürzeler. Er setzte in diesem Kick, der in der zweiten Halbzeit phasenweise an Deutschland – Österreich bei der WM 1982 erinnerte (1:0, die Schande von Gijon), weil St. Pauli keine Lust darauf hatte, sich kaputttreten zu lassen, etliche Spieler ein, die zuletzt keine Chance bei ihm hatten: Johannes Eggestein, Betim Fazliji, Roque Junior Maurides, Adam Dzwigala und Lars Ritzka. Ja, so hält man auch die Ersatzleute bei Laune. Dieses Konzept könnte eventuell ja auch am Sonnabend (1. April, 13 Uhr, Millerntor) klappen, wenn Jahn Regensburg in Hamburg zu Gast ist. Ich drück St. Pauli die Daumen. . .


Kommen wir zum HSV. Dem Tabellendritten. Nur 0:0 gegen Holstein Kiel, im fünften Zweitliga-Aufeinandertreffen dieser Kontrahenten in Hamburg wieder kein HSV-Sieg. Dafür aber 57 000 Zuschauer im abermals ausverkauften Volksparkstadion. Ich gebe zu, dass ich dieses Spiel nicht gesehen habe, nur in Ausschnitten. Deswegen halte ich mich kurz. Verblüfft hat mich der „Sänger“ Tim Walter, der bekanntlich für die Trainerbank gesperrt war (Rot in Karlsruhe), aber natürlich wusste, dass die Kameras vor dem Anpfiff alle auf ihn gerichtet waren. Also „schmetterte“ er die Vereins-Hymne lautstark und gestenreich mit. Das könnte ja eines Tages, wenn es für die Bank nicht mehr reichen sollte, sein Zweit-Job werden: Tim Walter in der Elbphilharmonie. Das hätte schon was. Ich traue ihm eine solche Karriere durchaus zu. Ansonsten blieb Walter aber ruhig, er wurde von seinem Assi Julian Hübner still und solide ersetzt.

Ein kurzes Lob muss ich Walter aber nicht nur wegen seiner musikalischen Künste aussprechen. Er hatte diesmal auch wieder Jonas David in die Startformation gestellt – zu null! 0:0, Walter hat offenbar nichts falsch gemacht, im Gegenteil: Sein Mut wurde mit einer weißen Weste in der Defensive belohnt!


Um es vorweg zu nehmen: An „Walter-Ersatz“ Hübner lag es ganz sicher nicht, dass es den erhofften Heimsieg gegen Kiel wieder nicht gab. Der HSV, durchweg die bessere Mannschaft, vergab einfach zu viele gute und beste Tormöglichkeiten. Robert Glatzel machte den Anfang (3.), Bakery Jatta und Glatzel setzten es fort (12.), dann auch Ludovit Reis und Jatta – aus diesen Chancen hätte mindestens ein Tor gemacht werden müssen! Keine Frage, das war kümmerlich. 22:5 Torschüsse gab es in diesem Spiel zu Gunsten des HSV, und 17:3 Eckbälle. Was für eine eindeutige Statistik! Daraus hätte, ganz eindeutig, mehr gemacht werden müssen. Immer wieder aber scheiterten die Hamburger Angreifer am früheren St.-Pauli-Torwart Robin Himmelmann. Der hielt überragend, in der 56. Minute auch einen herrlichen Schlenzer von Ransford-Yeboah Königsdörffer. Und in den Schlusssekunden noch einen listigen Glatzel-Schuss mit der Hacke.


Pech für den HSV: Kapitän Sebastian Schonlau sah seine fünfte Gelbe Karte und fehlt deshalb am 31. März (Freitag, 18.30 Uhr) beim Auswärtsspiel in Düsseldorf (5:2-Sieger in Rostock!). Wenn es ganz blöd läuft, könnte das ohne Abwehr-Chef wie in Karlsruhe enden. . . Rouwen Hennings, der Ex-HSVer, wartet schon in geschnürten Buffern.

Pech auch erneut für Mario Vuskovic, der je bekanntlich schon seit Monaten (15. November) wegen einer Dopingsperre nur auf der Tribüne sitzen darf. Am Freitag wurde das Urteil über eine Sperre oder einen Freispruch erneut vertagt, der Abwehrspieler und der HSV müssen Geduld aufbringen. Obwohl das sicherlich sehr schwerfällt, denn allmählich könnten sich die Herren „Richter“ ja mal zu einem Richterspruch durchringen.


Zum Schluss ganz kurz noch zum „großen Fußball“:


Die Nationalmannschaft spielt am 25. März in Mainz gegen Peru, und am 28. März in Köln gegen Belgien. In Freundschaft, wie man einst so schön sagte. Bundestrainer Hansi Flick hat sechs Neulinge in das Aufgebot berufen, aber zum Glück auch auf Spieler verzichtet, die außer Form sind. Allen voran Niklas Süle. Dann noch Thomas Müller, Leroy Sane, Lukas Klostermann und Antonio Rüdiger. Dazu gesellt sich einer, der nicht außer Form ist, nämlich Ilkay Gündogan. Zu den Neulingen gehört – völlig überraschend – auch der frühere Hamburger Josha Vagnoman, der nun beim VfB Stuttgart spielt – beziehungsweise mehr auf der Ersatzbank sitzt. Ich, das gebe ich zu, halte sehr viel von Vagnoman, wenn er gesund ist und bleibt, dann traue ich ihm eine ähnliche Karriere zu, wie sie einst Jerome Boateng beim HSV und in der Nationalmannschaft hingelegt hat. Deswegen drücke ich dem Stuttgarter Abwehrmann auch kräftig die Daumen, dass er seine Chance auch nutzen kann.

Ganz nebenbei: Ich hätte mich gefreut, wenn der Bundes-Hansi auch auf Spieler wie David Raum, Thilo Kehrer, Mario Götze und Timo Werner verzichtet hätte. Aber da hat bestimmt jeder von Euch auch andere und abweichende Vorstellungen – von einer neuen Nationalmannschaft.


Die Enttäuschungen im internationalen Fußball, in dem die deutschen Vertreter vergangene Woche reihenweise ausschieden, teilweise ohne auch nur ansatzweise etwas von einem guten Bundesliga-Fußball zu zeigen, sitzen bei mir noch nachhaltig. Spontan habe ich gedacht, dass DFB/DFL Anträge bei der UEFA stellen sollten, pro Wettbewerb nur noch einen deutschen Klub zuzulassen. Damit uns weitere desolate Auftritte erspart bleiben. Zumal ich früher einmal gelernt habe: Im Europapokal verdient man erst ab der vierten Runde Geld, vorher setzt man deswegen zu, weil Auslandsreisen und Hotelaufenthalte doch sehr teuer sind, und weil bei einem Weiterkommen von Runde zu Runde ja auch einige Gelder an Prämien fließen. Also, liebe Klubs, verzichtet doch besser freiwillig auf diese internationalen Begegnungen, ihr blamiert euch etwas weniger – und spart auch ganz kräftig an Geld. So, wie das zuletzt lief, war das doch (fast) unerträglich.


Ganz zum Schluss noch einen Blick in den ganz kleinen Fußball. Matthias Ostrzolek (32) war einst Profi beim HSV und zuletzt bei Hannover 96. Jetzt geht er 32-Jährige Abwehrspieler freiwillig in die fünfte Liga, zum VfB Hallbergmoss in der Bayern-Liga Süd. Das ist zur Nachahmung empfohlen. Dringend. Der Mann hat erkannt, wo seine sportlichen Grenzen sind. Ich war stets überrascht, dass ein Abwehrspieler (wie er) auch ohne jedes Kopfballspiel in der Ersten Bundesliga zum Einsatz kommt. Ja, und nun hat er die Konsequenzen selbst gezogen – weil die hiesigen Profi-Vereine es offenbar nicht konnten – weil sie die Defizite nicht erkannt hatten. Matthias Ostrzolek ist deshalb zu loben! Was hiermit geschieht.


In diesem Sinne, ich wünsche Euch eine schöne neue Woche, bleibt gesund,


Dieter Matz














Dieter Matz - Der Blog

Folge 08/2023

Online seit 13.03.2023 


Jetzt haben wir den Salat. Viele sagen entsetzt und oder/auch ein bisschen hämisch: „Das musste ja so kommen, einmal pro Saison hat es der HSV!“ Womit soll ich anfangen, womit soll ich aufhören? Es ist und war ein Desaster. Beginnen möchte ich eigentlich mit den jüngsten Auftritten der Rothosen. Bis auf das – für mich – ungefährdete 3:0 gegen den 1. FC Nürnberg war da in diesem Jahr viel Krampf und auch einiges an Unvermögen, was da zu sehen war. Einiges? Vielleicht auch etwas mehr als nur „einiges“. Souverän jedenfalls war das nie. Das sehen einige von Euch eventuell durch die rosa-rote Brille ganz anders, aber wenn jeder ganz ehrlich ist: Es war nie so, wie „Mann“ es sich wünscht. Irgendwo gab es immer etwas, was nicht so funktionierte, nie so, wie es sich für eine Spitzenmannschaft gehört. Und wenn ich sogar an Nürnberg zurückdenke: In Halbzeit eins eine Torchance, die zum 1:0 genutzt wurde, und danach bis zur 44. Minute nichts mehr. Null. Und so tritt auf Dauer eben keine Spitzen-Truppe auf. Aber beim HSV wurde nach den Siegen immer fest und laut gejubelt. Und die Augen vor etlichen Defiziten fest verschlossen. Vom Trainer habe ich nie etwas Kritisches gehört, das steht mal fest. Wenn in diese Richtung etwas kam, dann von Sebastian Schonlau, Robert Glatzel und gelegentlich auch Ludovit Reis. Die Spieler hatten erkannt, dass es über 90 Minuten nicht so rund lief, wie sie sich das vorgenommen und auch vorgestellt hatten.



Ich will jetzt nicht auf einzelne Versager eingehen – obwohl ich auf einen etwas näher eingehen will. Anonym. Wer hier immer mitgelesen hat, der weiß, welcher HSV-Spieler in erster Linie gemeint ist. Woche für Woche, das war auch an diesem Wochenende so, schüttele ich meinen Kopf, wenn ich gewisse Fehlleistungen von (Zweit-)Liga-Profis sehe. Nicht nur beim HSV. Das zieht sich durch die gesamte Liga. Und manche Fehler machen mich, das ist nicht übertrieben, total fassungslos. Dann sitze ich dann vor dem Fernseher und frage mich, was die Trainer und die Verantwortlichen (Manager, sportliche Leiter, Fußball-Chefs, Sportdirektoren und wie sie alle heißen!!!) denn überhaupt sehen? Ob die tatsächlich Ahnung von diesem Geschäft haben? Ich frage mich dann selbst: „Oder ist es heute so leicht, einen Vertrag in der Zweiten Liga zu bekommen?“ Und das gilt, wie geschrieben, für fast alle Klubs. Aber auch für den HSV. Ganz klar. Woche für Woche frage ich mich, wie so etwas angehen kann!



So auch an diesem Sonntag, bei dieser, wie Robert Glatzel es total treffend formuliert hat, „Voll-Katastrophe“. Die Abwehr? Wir „Experten“, Ihr wie ich, sprechen ja leicht immer mal von einem Hühnerhaufen. Das, was der HSV in Karlsruhe bot (beziehungsweise nicht bot), war nicht mal ein Hühnerhaufen. Das war nichts. Das war kaum Kreisliga. Ich habe mich gefragt, wann ich jemals so etwas Schlimmes vom HSV gesehen habe? Ich konnte mich nicht erinnern. Ich komme jetzt ins Grübeln, in diesen Sekunden, aber ich finde in meinem Hirn tatsächlich nichts Vergleichbares. Vielleicht einmal ein Europapokalspiel gegen Göteborg – 0:3. Am 19. Mai 1982 im Volkspark. Eine großartige HSV-Mannschaft – von den Namen her, aber total versagend. Oder eine 1:4-Klatsche im UEFA-Pokal-Achtelfinale in Olmütz. Das war am 10. Dezember 1991, aber ebenfalls total erschütternd. Doch das waren, heute betrachtet, mal Ausrutscher. In der heutigen Mannschaft aber gibt es Spieler, die total überfordert sind – mit dem Profi-Fußball. Ich schreibe das hier schon seit Wochen, nein Monaten. Nur beim HSV sieht das keiner. Kein Tim Walter, kein Jonas Boldt, nicht einmal diejenigen, die in der Mannschaft vorangehen. Sie sehen es einfach nicht. Aber warum nicht? Ich finde keine Erklärung. Nicht mal den kleinsten Ansatz einer Erklärung. Und dann frage ich mich, ob ich der bescheuerte Typ bin, weil ich da mehr hineininterpretiere, als wirklich wahr ist?



Ich habe so bummelig 40 Jahre über Fußball geschrieben. Und ich denke, dass ich keine fünf Jahre überlebt hätte, nein, nicht mal eine Jahr, wenn ich das Gesehene nicht in etwa ganz ordentlich zu Papier gebracht hätte. Dazu war ich Trainer (B-Lizenz), und ich war Spieler. Euer Klaus Horstmann wird jetzt vielleicht laut lachen, wenn ich das erwähne, weil er einst Profi war - und ich nicht. Ich stand 1968 oder 1967 als Jüngling im Kicker-Almanach, und zwar im Kader von Regionalliga-Klub BU. Das war damals zweite Liga. Ich habe nie ein Punktspiel gemacht, das gebe ich zu, nur Freundschaftsspiele, weil, so sagten es mir die damaligen BU-Macher, ich „ein Fips“ war. Zu dünn. Aber immerhin, BU gab mir im Alter von 20 Jahren eine Wohnung und hoffte darauf, dass ich in allen Belangen zulegen würde. Bis ich eines Tages eine Fast-Prügelei im Training hatte – und rausflog. Aus dem Verein. Damit wurde aus einer großen Karriere nichts mehr, es war von einem Tag zum anderen Schluss. Ich spielte nach einem halben Jahr Pause (gab es damals, man war gesperrt) in der Bezirksliga, beim WFC, wir stiegen bis in die heutige Oberliga auf, dann gab es Wadenbeinbruch, Knöchelbruch und Bänderrisse – alles auf einmal, und Ende. Mit 29.



Ich schreibe das nicht, um mich in den Mittelpunkt zu stellen, auch nicht als eine Art Selbstbeweihräucherung, ich schreibe das nur, weil ich damit begründen möchte, dass ich sehr wohl ein wenig Ahnung vom Fußball habe. Jetzt zum Wesentlichen: Ich habe beim HSV schon lange Spieler ausgemacht, die den heutigen Anforderungen des Profi-Fußballs nicht standhalten können. Ganz einfach deshalb, weil ihnen zu viel fehlt. In meinen Augen. Aber diese Augen haben, wie oben bereits geschrieben, ja 40 Jahre und länger gehalten, um das zu beschreiben, was ich sehe – und bei diesen HSV-Spielern sehe ich selten etwas, oder auch fast nichts! Okay, einige haben die Haare schön, aber das allein ist es ja nun auch noch nicht.

Es tut mir Leid, wenn ich damit einigen Herren aus und vom StarClub Buxtehude auf den Schlips trete, aber so ist es nun mal. Bei der Gelegenheit fällt mir ein, dass es solche Situationen, jemanden auf den Schlips zu treten, ja immer wieder mal gab und gibt. Mein früherer Chef vom Hamburger Abendblatt, der mich einst dorthin holte, sprach einige Jahre nicht mehr mit mir (er war da schon Rentner), weil ich in seinen Augen (den damals schon recht betagten) Anthony Yeboah immer zu heftig kritisiert hatte. Mein ehemaliger Chef! Das hat mich einige Zeit dann doch umgehauen. Aber so etwas gibt es dann auch. Es hat sich jedoch inzwischen (und mit DIE Jahre) auch wieder gegeben. . .



Mein Rat an die HSV-Oberen: Guckt Euch explizit einmal die Spiele allein aus diesem Jahr an. Mit dem Vorsatz, nur den einen einzigen HSV-Spieler auf seine Tauglichkeit zu beobachten. Und beim nächsten Mal einen anderen „Kandidaten“ in eurer Mannschaft. Macht Striche, wenn er etwas gut gemacht hat, macht Striche, wenn er Fehler beging. Ich gebe zu, das ist ein enorm zeitaufwendiges Unterfangen, aber wenn euch der HSV am Herzen liegt, wenn ihr auch ein bisschen an euren Job in der Zukunft denkt, dann solltet ihr so etwas durchaus mal machen. Einmal weniger über den Jungfernstieg parlieren, dafür sich ein wenig mehr für die Sache und den HSV einsetzen – das wäre es doch! Versucht es nur einmal mal. Würde für mich Sinn machen. Aber wie gesagt, das erfordert natürlich auch Zeit und HSV-Herzblut.



Zurück zum HSV aus Karlsruhe. Natürlich stand nach diesem Debakel das Handy nicht still, Anrufe und Nachrichten ohne Ende. Ein Freund von mir, nur mal so zur Probe, der Dauerkarten-Inhaber ist, der im Norden des Volkspark auch bei minus zehn Grad mit freiem Oberkörper den HSV feiert (feierte), der schrieb mir – ich hoffe, dass er es jetzt hier und nun nicht lesen wird, weil er sonst eventuell sauer auf mich wird:


„David ist schlimm, Muheim genauso. Aber auch die so gehypten Typen wie Benes und Dompe – völlig überschätzt. Die Truppe ist offensiv stark, aber defensiv viel zu langsam und anfällig. Und die gesamt Führung ist ein Graus, die müssen alle weg. Ich ertrage einfach nicht, was die aus unserem Verein machen. Und ich verstehe auch nicht, warum so viele so blind hinterherrennen und glauben, alles sei gut! Sage mir bitte, welche Spiele in dieser Saison überzeugend im Stile eines Spitzenteams gewonnen wurden? Da brauchst du nur eine Hand und könntest noch zwei Finger absägen. Diese Gelaber von Dominanz, es geht mir so gegen den Strich. Ich wünschte wirklich, ich könnte loskommen von diesem Elend. . .“



Das schrieb mir, wie gesagt, ein glühender Vollblut-HSVer! Und ich könnte Euch noch viel, viel mehr in dieser Beziehung bieten, tue es aber nicht. Weil es mir langsam auch ein Graus ist, über so etwas zu schreiben, so etwas überhaupt ansehen zu müssen. Ich sprach im August 2022 bei der Uwe-Seeler-Beerdigungs-Feier mit vielen im Volksparkstadion, neben anderen auch mit einem ganz großen HSVer. Und der sagte mir – unaufgefordert: „Die jetzigen Leute, die hier am Ruder sind, die denken in erster Linie nur daran, dass sie sich ihre Taschen mit Dollars vollstopfen können. Und in zweiter Linie denken sie daran, wie sie ihre Taschen noch voller stopfen können. Und dann denken sie natürlich auch immer daran, dass sie ihren Job immer behalten und sichern.“

Und deswegen wird da denn schon mal – fast nebenbei - lanciert, dass „Mann“ ja von Inter Mailand umworben wird – und ja, so einen guten Mann darf der HSV dann ja auch auf keinen Fall verlieren. Schreibt dann die besorgte Hamburger Presse. Jawoll! Dann wird dieser Vertrag natürlich noch schnell aufgebessert und verlängert. Man gönnt sich ja sonst nichts.



Es ist ein mieses Geschäft geworden, dieser Profi-Fußball.



Diese 2:4-Niederlage hat Wunden aufgerissen, die noch nachhaltig wirken werden. Und sie hat schonungslos offenbart, wo der Hase beim HSV im Pfeffer liegt. Fünf Euro ins Phrasenschwein. . . Aber wie sich das auch gleicht: Nach dem 3:3 in Heidenheim sagte deren Trainer Frank Schmidt: „Wir führen 3:0 zur Pause, haben von der 46. bis zur 61. Minute vier Hundertprozentige – und dann noch dieses 3:3. . . Das hätte nie passieren dürfen.“ Und jetzt KSC-Coach Christian Eichner: „Wir müssen zur Pause 5:0 oder auch 6:0 führen, dann ist dieses Ding gegessen, aber wir machen es bis zu unserem vierten Tor leider noch einmal spannend.“ Und der HSV-Trainer? Der hatte am Spielfeldrand seine Extra-Portion Spannung. Er, der vor Beginn der Partie jeden und alle im Innenraum freudestrahlend umarmte und herzte, legte sich dann mit dem Anpfiff, so wie es schon Tradition ist, auch mit allen und jedem an. Und sah am Ende Rot. Ich sage: Endlich einmal! Auch deshalb, weil er im Wildpark bei seinem Abgang noch einmal aus der Rolle fiel.

Er ging auf den Assistenten Christof Günsch zu, textete ihn voll und tippte ihm dabei mehrfach auf die Brust – beim letzten Stoß auch etwas kräftiger. Walter wird mindestens ein Spiel gesperrt, aber es könnte auch wie beim Metzger werden: „Darf es noch ein wenig mehr sein?“ Ich denke, dass ja. Grund für Rot war, dass es vor dem vierten Karlsruher Treffer ein Handspiel von KSC-Kapitän Jerome Gondorf gegeben hatte – Walter (und nicht nur er!) protestierte heftig. Deshalb kam es zu einigen verbalen Scharmützeln zwischen beiden Bänken an der Seitenlinie. Offenbar hatte sich Walter dabei etwas (?) im Ton vergriffen – und der „vierte Mann“ am Spielfeldrand hatte das wohl mitbekommen. Schiedsrichter Sascha Stegemann zog glatt Rot, Karlsruhes Co-Trainer Zlatan Bajramovic (ehemaliger St.-Pauli-Profi) sah dagegen nur Gelb.



Immerhin gab Walter nach dieser Veranstaltung zu: „Das war die schlechteste erste Halbzeit, seit ich beim HSV bin. In der ersten Halbzeit haben wir gar nicht stattgefunden.“ Und zu seinem Platzverweis äußerte er sich – wie immer leicht süffisant lächelnd: „Was da vorgefallen ist, möchte ich nicht sagen, aber so etwas gibt es ja tausendmal in einem Spiel. . .“ Bei ihm gewiss, keine Frage, aber nicht bei allen, die da am Rande Verantwortung tragen. Was ich Walter aber noch als „gut“ anrechne ist, dass er ziemlich schnell (34.) reagierte und noch in diesem ersten Durchgang gleich zweimal wechselte. Wen er vom Platz nahm, das ist unwichtig, es hätte wohl jeden treffen können – ich habe keinen großen Bock darauf, diese Versager noch zu nennen.



Das Schlusswort zu diesem HSV-Betriebsausflug hat Robert Glatzel: „Das war eine Voll-Katastrophe, mir fehlen die Worte. Wir hatten keine Zweikampfführung. Das hatte nichts mit Zweiter Liga zu tun. Es hätte zur Pause 0:5 stehen können, es war einfach nur bodenlos."



Zum FC St. Pauli.

Die Luft wird dünner, so ganz allmählich. Der 2:1-Sieg gegen Greuther Fürth war etwas schmeichelhaft. Nicht unverdient, aber er hing doch etwas am seidenen Faden. Wenn es nach zehn Minuten 2:0 für die Süddeutschen gestanden hätte, dann hätte sich keiner beschweren dürfen. Es ging bei diesem vermeintlichen Tor um Millimeter. Früher hieß es im Fußball bei Abseitsentscheidungen: „Im Zweifel für den Angreifer!“ Diese Zeiten sind vorbei – zum Glück für St. Pauli. GF-Stürmer Ragnar Ache hatte eine Fußspitze breit im Abseits gestanden. Oder war nur das Schwarze unter dem Fußnagel ein wenig zu weit vorne? Egal, es hieß weiter nur 0:1 am Millerntor, und dann sorgte der erste Torschuss der Braunen nach 13. Minuten für den Ausgleich. Manolis Saliakas hatte getroffen – die Vorbereitung zu diesem Tor hatte im Mittelfeld Lukas Daschner geleistet. Dieser vor Wochen von mir noch hart kritisierte Daschner spielt zurzeit in der Form seines jungen Lebens – weiter so! Es war übrigens der einzige Schuss des FC St. Pauli in Halbzeit eins, der auch auf das Tor flog – und dann gleich drin. Das ist Effizienz. Die Fürther hatten in Person von Tobias Raschl noch eine fast Hundertprozentige, er schoss den Ball aber aus 20 Metern rund 20 Meter über das Tor.



Die vielleicht entscheidende Szene in der 45. Minute. Daschner setzt gegen den letzten Mann der Fürther, Gideon Jung, nach, erobert den Ball, wird zu Fall gebracht – und Rot. Was absolut super war von Daschner, denn in einer solchen Szene setzen nur wenige Spieler so resolut nach. Großartig! Dass Gideon Jung einst vom HSV nach Fürth geschickt worden ist, um eine solche Situation zu kreieren, muss nur noch am Rande erwähnt werden. So etwas ist Nachbarschaftshilfe! Nein, ein kleiner Scherz.



Vor Beginn des Spiels hatte ich mir notiert: Heute geht es schief. Damit meinte ich nicht, dass St. Pauli verlieren würde. Vielmehr dachte ich an den „Experten“ zwischen den Pfosten des St.-Pauli-Gehäuses, Nikola Vasilj. Er und seine Daddelei. Und fast wäre meine Vermutung aufgegangen. In der 48. Minute wieder so eine Harakiri-Nummer von ihm, aber wieder bügelte der Keeper seinen Bockmist selbst aus, er hielt den folgenden Schuss. Aber dann geht es eben beim nächsten Mal, in Sandhausen, schief – es wird passieren, so sicher wie das Amen in der Kirche. Wieder ein Fünfer in das Phrasenschwein. Er will aus diesen, aus seinen Fehlern nicht lernen, und Jung-Trainer Fabian Hürzeler offenbar auch (noch) nicht.



In der 55. Minute fiel das 2:1. Oladapo Afolayan nutze ein Missverständnis zwischen den Fürthern Damian Michalski und Oussana Haddadi und schoss aus zwölf Metern ein. Erneut Glück für St. Pauli. In den folgenden Minuten bis zum Schlusspfiff geriet dann der Kiez-Klub noch einige Male schön ins Schwimmen – gegen zehn Mann! Bis zu seiner Auswechslung war dabei der Fürther Branimir Hrgota der Mann des Spiels. Alles lief über ihn. Er soll ja der meistgefoulte Zweitliga-Spieler in Deutschland sein, das könnte auch stimmen, nur spielt dieser „Zehner“ auch selbst viel foul – und wie ein Schlitzohr. Ein schöner Schauspieler, aber die Schiedsrichter durchschauen seine Manöver leider nicht. Schade.


Letztlich konnte St. Pauli einen Arbeitssieg feiern, der viel Kraft gekostet haben dürfte. Beste Noten beim Sieger, der nun mit sieben Siegen in Folge einen neuen Rekord aufgestellt hat, waren für mich Lukas Daschner und Jackson Irvine. Siegtorschütze Oladapo Afolayan lässt in meinen Augen von Spiel zu Spiel etwas nach, das Experiment mit Connor Metcalfe als Linksfuß auf rechts draußen geht immer weniger auf, und ein Leart Paqarada, der ja bekanntlich in Liga eins aufsteigen wird (geht zum 1. FC Köln), übertreibt in meinen Augen seine, wirklich nur seine Schönspielerei, indem er mal lässig schnibbelt, oder hier und dann versucht, etwas ganz Tolles auf die Beine zu stellen. Weniger wäre in seinem Falle wahrscheinlich mehr.



Ganz nebenbei zum FC St. Pauli: In Liga eins spielen ja drei Ex. Rodrigo Zalarzar (Schalke 04), Daniel-Kofi Kyereh (zurzeit schwer verletzt beim SC Freiburg) und Omar Marmoush (VfL Wolfsburg). Dass St. Pauli solche Spieler nicht halten konnte, ist schade, aber verständlich. Nur, was wäre wohl, wenn St. Pauli diese Jungs noch immer hätte? Und – und aber – immerhin hatte St. Pauli solche großartigen Spieler einst in seinen Reihen, soll heißen: Sie wurden von St. Pauli zu Höherem entdeckt und geholt. Solche Näschen und guten Augen sei anderen Zweitliga-Klubs einfach mal dringend empfohlen! Bevor Millionen in Leute verpulvert werden, die nicht mal eine einzige lächerliche Million wert gewesen wären. . .

Zum Schluss noch einige Dinge aus dem „großen Fußball“:



Dass Mats Hummels für Dortmund in der Startformation (im Spiel gegen und bei Schalke) stand, hat mich gefreut, obwohl er mich nicht überzeugen konnte. Aber endlich einmal ließ der BVB seinen Millionen-Einkauf Niklas Süle draußen. Der Hustinetten-Bär ging mir im CL-Spiel bei Chelsea so etwas von auf die Nerven, ich kann das gar nicht in Worte fassen. In etwa war das eine Leistung wie die der HSV-„Abwehr“ in Karlsruhe. Ich habe mir fest vorgenommen: Wenn unser Bundes-Hansi diesen Niklas Süle für die nächsten Länderspiele berufen sollte, werde ich diese Spiele nicht ansehen. Ihr könnt mich beim Wort nehmen.



Dann zu einer neuen Art der Elfmeter. Schon in der Vorwoche gab es einen, davor sicher auch, aber es nimmt nun Überhand. Bei Leipzig gegen Mönchengladbach war es: Jonas Hofmann dringt in den RB-Strafraum ein, er hat den Ball am rechten Fuß, fährt dann sein linkes Bein nach links aus, von dort grätscht David Raum – und Elfmeter. Ich finde das unfair. Muss ich mal so sagen. Die Spieler fahren ihr Bein aus, um den Gegenspieler einfädeln zu lassen – Elfmeter. Das sollten sich die Schiedsrichter mal genau ansehen. Und der Kölner Keller. . . Ach was, die Jungs nicht, die sehen ja ohnehin nie etwas. Oder sie sehen zu viel. Wie bei Hertha gegen Mainz. Ein Witz-Elfmeter wegen eine Handspiels, Ich lache mich kaputt. Aber gut, diese Jungs lernen ja noch, so lange gibt es den Kölner Keller ja noch gar nicht – die kommen bestimmt noch einmal ganz groß raus!

Hoffen wir mal.

Auch deshalb: Es musste ja einmal so kommen. Diese Szene liegt schon eine Woche zurück, aber solche Szenen gibt es an jedem Wochenende, immer wieder – weil die Leute, die solche Situationen zulassen, wahrscheinlich keine Ahnung haben! Oder sie wollen schlicht eine andere Art des Fußballs. Passiert bei Wolfsburg – Frankfurt (2:2). Es war offensichtlich, dass der Frankfurter Angreifer Kolo Muani in der 72. Minute im Abseits stand, als er Richtung Wolfsburger Tor geschickt wurde. Sein Gegenspieler Maxence Lacroix hob sofort den Arm, der Linienrichter aber nicht die Fahne. Und so ging es weiter: Jesper Lindström drückte den Ball nach Vorlage von Kolo Muani ins Wolfsburger Tor. Aber wie toll: Erst dann zeigte der Assi draußen eine Abseitsstellung an. Das Bittere dabei ist, dass sich Lacroix bei seiner Rettungsaktion verletzte, er musste vom Rasen. Das linke Knie war lädiert. Am Tag danach wurde eine starke Prellung unterhalb der Kniekehle diagnostiziert, also zum Glück keine schwere Bänderverletzung. An diesem Wochenende saß er lediglich auf der Bank, kam nicht zum Einsatz. . .

Aber: Muss es erst zu weiteren schweren, oder schwereren, Verletzungen kommen?


Dann war Joshua Kimmich an diesem Sonntag im Tatort zu sehen, eine Art smarter Barkeeper. Das verdient eine Fortsetzung. Unbedingt. Vielleicht wird Bayern-Profi Kimmich ja mal, dann vielleicht gemeinsam mit dem Kollegen Serge Gnabry, ein Tatort-Kommissar – Talent genug hat er auch in dieser Sport-Art, nein Spiel-Art.



Noch ein kleiner Hinweis am Rande: Am Mittwoch wird Christian Pletz ganz in Eurer Nähe sein – am Rande zu Buxtehude. Pletz war einst mein Kollege beim Abendblatt, ist seit Jahren schon für die Öffentlichkeitsarbeit beim HSV zuständig, hat wahrscheinlich auch den Dienstrang „Direktor“. Am Mittwoch um 19 Uhr beginnt im Internet die Sendung „VaterSohn“, da wird „Pletzi“ bei dem größten HSV-Fan aller Zeiten im Studio sitzen, bei Andreas, und Rede und Antwort geben auf Fragen rund um die Rothose. Es wird sich sicher für Euch lohnen, da einmal zwei Augen und zwei Ohren reinzuhängen – ich wünsche viel Spaß.


In diesem Sinne, alles Gute für Euch, eine erfolgreiche neue Woche wünscht Euch


Dieter Matz














Dieter Matz - Der Blog

Folge 07/2023

Online seit 06.03.2023 


Ein gutes Pferd springt nur so hoch wie es muss. Könnte an diesem (vergangenen) Wochenende auch für den HSV gelten. 3:0 gegen den 1. FC Nürnberg hört sich super an, gerade so, als hätten die Rothosen die „Clubberer“ aus dem Volksparkstadion gefegt, aber ganz so überragend war es dann doch nicht. Zeitweise hatte ich das Gefühl, als wenn die beiden Trainer ihren Spielern gesagt hätten: „Wenn ihr jetzt auf dem Rasen steht, dann spielt mal schön ‚Fünf gegen Zwei‘.“ Also ohne Tore. Dass Jean-Luc Dompe dabei nicht richtig zugehört hat, oder den Trainer auch nicht richtig verstanden hat, kommt schon mal vor. So kam dieses wunderschöne Freistoßtor in der 19. Minute zustande. Er selbst war 21 Meter vor dem Club-Strafraum gefoult worden, Laszlo Benes als Linksfuß und Dompe als Rechtsfuß standen zur Wahl, den Ball ins Tor zu schießen. FCN-Torwart Peter Vindahl Jensen stand in Erwartung dieses Schusses und machte kaum eine Bewegung, als Dompe anlief.



Ich wurde später gefragt, gleich zwei verschiedene Male, warum der Keeper nicht reagierte. Meine Antwort war die – und sie muss nicht stimmen: „Ich hatte das Gefühl, dass Vindahl nicht wusste, dass Dompe Rechtsfuß ist. Dompe kam für den Keeper und uns alle ja immer über links, also hatte der junge Mann im Tor wohl auf der Rechnung, dass Benes schießen würde, weil von dort, wo Dompe stand, konnte es keiner mit dem linken Fuß versuchen. Deswegen gab es in meinen Augen keinerlei Reaktion des Torhüters – wobei der Ball natürlich auch super schön ins obere Dreieck flog, keine Frage.“ Aber damit es war eben kein „Fünf gegen Zwei“ mehr. Obwohl es bis zum Halbzeitpfiff von Schiedsrichter Tobias Reichel schön ruhig und sinnig weiterging. Das heißt, fast wäre doch noch das 2:0 gefallen, als Lino Tempelmann fast ein Eigentor fabriziert hätte – doch diesmal reagierte Keeper Vindahl glänzend und rettete mit einer Super-Parade. Halbzeit.



Im zweiten Durchgang, der HSV spielte diesmal (!) gen Südtribüne, fiel dann schnell das zweite Tor der Rothosen. Rechtsflanke Bakery Jatta, am zweiten Pfosten lauerte Dompe, der legte zurück auf Ludevit Reis, und der Niederländer vollendete mit links – und ist damit auf dem Weg zum Torjäger. Er trifft und trifft und trifft. In den vergangenen sieben Spielen fünf Treffer! Was wohl besonders, wenn man das so sagen kann, Rafael van der Vaart freut, der kürzlich im Gespräch mit dem HSV zugab, dass er sehr erfreut über den großartigen Formanstieg seines Landmannes ist. Ich bin gespannt, wann sich das auch bei den Spitzenclubs in Europa herumgesprochen hat. . . Kurz noch zum „Spiel gen Südtribüne“: Ist es nicht süß, dass die Fans im Norden nach der Seitenwahl (und vor dem Anpfiff) pfeifen, weil sie diesmal nicht in den Genuss kommen, die Endphase des Spiels vor „ihrem“ Tor zu erleben!? Sebastian Schonlau hatte die Seitenwahl verloren, der Club hatte sich vorher professionell schlau gemacht, wie der Hase sonst üblicherweise im Volkspark läuft – und dem HSV und vor allem den Fans einen Strich durch die Rechnung gemacht. Das, so muss ich sagen, war aber auch die einzig gelungene professionelle Tat der Nürnberger an diesem Sonnabend. Die Mannschaft von Dieter Hecking war 90 Minuten lang äußerst schwach und harmlos. Diese „Clubberer“ müssen aufpassen, dass sie nicht in Liga drei abmarschieren.



Dann der eigentliche Höhepunkt des Spiels in der 73. Minute. Robert Glatzel auf dem Weg zum 3:0. Er macht es sogar. Der Torjäger „eiert“ seinen Gegenspieler Christopher Schindler aus, kommt kurz ins Stolpern, weil es einen kurzen Kontakt mit Schindlers Hacke gab – läuft weiter und schießt den Ball ins Tor. Die Nürnberger protestieren – für mich lachhaft. Dann sieht sich Schiedsrichter Reichel die Sache aber doch noch einmal auf dem Bildschirm an – und entschiedet zum Entsetzen aller Fußballer (dieser Welt) auf Foul von Glatzel. Das ist UNFASSBAR!!!

Ja, liebe Freunde, wo leben wir eigentlich? Wenn das ein Foul war, dann sollten wir den Fußball getrost vergessen, dann sollten wir die Sachen einpacken und Hallen-Halma spielen. Ich schreibe es bewusst so krass: Die sind nicht ganz dicht, die Jungs im Kölner Keller. Auflösen, sofort auflösen den ganzen Haufen. Das hat nichts damit zu tun, dass ich ein Fan der Rothosen bin, das hat damit zu tun, dass da unten im Keller Leute sitzen, die nie selbst Fußball gespielt haben. Das ist schizophren, absolut, das hat mit Unparteilichkeit nichts mehr zu tun, die Jungs ticken ganz einfach nicht richtig! Wann, lieber DFB und liebe DFL, kommt ihr endlich zu dem Schluss, dass da im Keller auch „richtige“ Fußballer sitzen müssen? Wann? Ehemalige Profis, die wissen, was da unten auf dem Rasen tatsächlich abgeht! Das hier, was in dieser 73. Minute ablief, ist doch nur Schwachsinn in höchster Potenz! Das müssen die Herren, die dafür Verantwortung (in Frankfurt) tragen, doch endlich mal einsehen. Schließt den Keller endlich ab, so hat das keinen Sinn mehr!

Und ich frage mich, wirklich ganz, ganz ernsthaft, was da unten für Leute sitzen? Haben die früher Fingerhakeln, Flutlicht-Skat oder Strand-Eishockey gespielt? Ahnung vom Fußball haben die auf jeden Fall nicht, das wird ja Woche für Woche ganz offenbar – und mit der Aberkennung dieses glasklaren Tores noch offenbarer. Einpacken, ihr Ahnungslosen, aber schnellstens!

Unfassbar!



Ganz nebenbei: Es fiel ja doch noch, dieses 3:0. Ransford-Yeboah Königsdörffer schoss es in der 95. Minute, wirklich sehr gut gemacht – aber dass er danach den Fans seinen Namen auf dem Trikot präsentiert, war überflüssig. So gut ist der gute Mann nun wirklich (noch) nicht. Er spielt in diesem HSV für mich genau jene Rolle, die er gegen Nürnberg inne hatte. Wobei ich bei einer ganz kurzen Spieler-Kritik bin. Wie geschrieben, ganz kurz. Jean-Luc Dompe war der beste Hamburger an diesem Tag (auch wenn er gegen Ende nachließ), Ludevit Reis kam ihm am nächsten, und dann auch Noah Katterbach. Der Mann hat mir vorne und hinten gefallen, zumal er das noch auf der „falschen“ Seite spielte (oder zeigen musste). Als Linksfuß hinten rechts. Er machte das wirklich sehr gut. Im Gegensatz zur HSV-Abwehr, die nicht immer souverän stand – und wieder einmal zu langsam wirkte. Ist wohl auch so. Von Laszlo Benes erwarte ich einfach noch mehr, da muss deutlich mehr kommen. Wie auch bei Robert Glatzel, der mit einem Tor sicher wieder mehr Selbstvertrauen getankt hätte - schade. Mehr möchte ich in Sachen Spieler-Kritik nicht machen.



Dass am späten Sonnabend Heidenheim in letzter Minute Darmstadt mit 1:0 bezwang, war in meinen Augen nicht so gut für den HSV – aber was soll es, man kann es sich ja nicht aussuchen. Muss die Walter-Truppe eben einfach so weitermachen, wie in diesem noch ungeschlagenen Jahr. Soll heißen: Auswärtssieg am Sonntag in Karlsruhe, wobei der KSC mit dem 2:0 in Rostock gerade sein viertes Spiel in Folge gewonnen hat – es wird nicht leicht!


Noch besser als beim HSV läuft es ja bei der Zweitliga-Mannschaft der Stunde: FC St. Pauli. Sechster Sieg in Folge, diese Siegesserie ist traumhaft! Was mich dabei fasziniert: Die Mannschaft scheint wirklich über Nacht reifer geworden zu sein. Sie spielt clever, sie weiß, wann der Ball gehalten werden muss, wann der Ball einfach mal auf die andere Seite gehört, wann steil gespielt werden muss, wann der Abschluss ansteht. Das sieht (fast) alles wirklich erstklassig aus, Kompliment dem jungen Trainer Fabian Hürzeler. Ich drücke den Braunen die Daumen, dass es so noch lange weitergeht. Am Sonnabend kommt Greuther Fürth ans Millerntor, das ist in meinen Augen sehr wohl machbar. Nebenbei hat St. Pauli mit sechs Zweitliga-Siegen in Folge einen asbach-uralten Rekord eingestellt. Der stand seit 1976 unter der Regie von Trainer Diethelm Ferner, von dem die damaligen St.-Pauli-Jungs bis heute immer noch in den höchsten Tönen schwärmen. Ferner war ein Spieler-Typ wie Dresdens heutiger Trainer Markus Anfang.






Vor Wochen, das muss ich gleich einmal klarstellen, habe ich hier an dieser Stelle Lukas Daschner hart kritisiert. Das war damals auch richtig, finde ich immer noch, dazu stehe ich. Dennoch muss ich auch sagen, dass Daschner seit diesem Zeitpunkt eine wundersame Wandlung durchgemacht hat. Es floriert bei ihm. In Paderborn macht er beide Tore zum 2:1-Sieg, und er macht sie sehr, sehr gut. Besonders das 2:0. Mitte der eigenen Hälfte (auf Linksaußen-Position) lässt er den Ball listig durch seine Beine laufen, sein Gegenspieler wie selbstverständlich auch – und ab geht die Post. Auf Höhe Mittellinie der Pass nach rechts, auf den mit nach vorne stürmenden Manolis Saliakas, der legt sich den Ball zwar keineswegs gut vor (der Ball kullerte eher weiter nach rechts draußen), aber der Grieche gibt die Kugel dennoch mustergültig zur Mitte – wo Daschner auftaucht und sie gekonnt gegen den Innenpfosten und von dort ins Netz lenkt. Super gemacht! Allein Daschners Vorbereitung gehört eigentlich in ein Fußball-Lehrbuch!


St. Pauli spielte an diesem Freitag wie am Millerntor – also wie bei einem Heimspiel. Wobei man deutlich auch sagen muss, dass der SC Paderborn an diesem Tag stark ersatzgeschwächt war. Mit Marvin Pieringer, Robert Leipertz, Felix Platte und Ron Schallenberg fehlten ganz wichtige Spieler, vielleicht sogar die besten Spieler des SCP in dieser Saison – vor allem die torgefährlichen. Glück hatte St. Pauli auch im Spiel, als ein Kopfball von Bashir Humphreys gegen die Querlatte prallte (37.). Ansonsten machte das St. Pauli wirklich gut, das 2:0 kam bis zum Halbzeitpfiff kaum in Gefahr. Das änderte sich im zweiten Spielabschnitt. In Minute 51 hieß es plötzlich 1:2. Torwart Nikola Vasilj lenkte einen Schuss gegen das Bein des vor ihm stehenden Karol Mets – drin das Ding. Das war Pech. Aber nicht die Schuld von Mets – in meinen Augen. Auch wenn er jetzt als Eigentorschütze aufgeführt wird.


Damit komme ich noch einmal, wie schon vergangene Woche, auf Keeper Vasilj. Da sollte sich Fabian Hürzeler einmal etwas einfallen lassen. Der Torhüter lässt sich beim Abstößen und Abschlägen unheimlich viel Zeit – er kassierte dafür diesmal sogar Gelb. Daran sollte gearbeitet werden, sonst geht das irgendwann mal gehörig schief. So wie Vasiljs Zuspiele. Er spielt den Ball zentral nach vorne – zu einem gedeckten Mann! Das ist für mich unverantwortlich. So wäre fast das 2:2 gefallen, zum Glück bügelte der Keeper seinen Fehler im Spiel Mann gegen Mann wieder aus, indem er den Ball abwehrte (66.). Paderborn wurde immer stärker, kam auch zu etlichen Tormöglichkeiten. Einmal kratzte Jakov Medic den Ball in höchster Not von der Linie (73.), und in der 94. Minute (!) köpfte der eingewechselte Dennis Srbeny den Ball aus vier Meter (mittig St.-Pauli-Tor) neben den linken Pfosten – eine unglaubliche Fehlleistung, alle Paderborner brachen vor Enttäuschung zusammen.

Aber Glück hat auf Dauer ja nur der Tüchtige – oder?


Die Besten bei St. Pauli: Lukas Daschner, der aber ab Mitte zweiter Halbzeit stark abbaute, dann Manolis Saliakos, der seinen Part hinten (und vorne) rechts immer besser spielt, Karol Mets erledigt seine Abwehrarbeit stets solide, auf ihn ist absolut Verlass, Jackson Irvine ging wieder stark voran und ist immer ein Musterbeispiel dafür, was Professionalität ist. Insgesamt gefiel die Mannschaft als Einheit, wobei die Abwehr durchaus nicht immer fehlerfrei agierte, auch im Aufbauspiel gewisse Schwächen zeigte.


So, ganz kurz auch noch ein Sprung in den „ganz großen“ Fußball:


Bemerkenswert war in der vergangenen Woche, dass Uwe Seeler in die Hall of Fame des internationalen Fußballs aufgenommen worden ist. Das, ohne dass die Familie davon etwas gehört oder gesehen hatte – ganz nebenbei. „Uns Uwe“ wird nun in der mexikanischen Pachuca in den „Salon de la Fama“ stehen – oder erscheinen. Er hat es verdient. Auf jeden Fall. Das war auch der einhellige Kommentar der Familie Seeler. Herzlichen Glückwunsch!

Kleine Seeler-Randnotiz: Bei Union Berlin saß übrigens Levin Öztunali, Uwes Enkel, mal wieder auf der Bank, nachdem er zuletzt kaum noch Berücksichtigung bei Trainer Urs Fischer gefunden hatte.


Dann noch einmal kurz zurück auf St. Pauli in Paderborn. Da fiel mir ein Spieler bei den Gastgebern auf, der mich stark, ganz, ganz stark an HSV-Abwehrspieler Jonas David erinnerte: Bashir Humphreys, der Mann mit dem Zopf. Er will, so wie David, immer den Ball haben, kann aber selten damit etwas anfangen, spielt meistens quer oder zurück, und das nur über vier, fünf Meter, das ist der so genannte Willi-Schulz-Sicherheitspass. Humphreys gibt aber, wenn er die Kugel wieder los ist, stets kluge Tipps (indem er sie anzeigt) an seine Mitspieler (wie David), wohin sie zu spielen haben – oder auch nur spielen sollten. In dieser „ganz selten“ Disziplin fiel mir bei Eintracht Braunschweig (3:3 gegen Bielefeld) auch der Mann mit der Nummer 44 auf: Linus Gechtler. Ein Leihspieler von Hertha BSC. Der Mann könnte ein Halbbruder von Jonas David sein, auch er will immer den Ball, hebt immer den Arm – und wenn er ihn dann hat, dann weiß er nicht wohin damit – es geht zurück zum Torwart. Ich verstehe die Trainer nicht, was die sehen, ich hoffe aber, dass sie sich das Spiel noch einmal angucken werden und dann erkennen, was mit diesen Jungs los ist. . .

Ist es wirklich so einfach, heutzutage Profi-Fußballer zu werden? Offenbar ist es wohl so.


Damit komme ich zu einem anderen Mann, den Torwart des VfL Bochum. Katja Riemann – hätte ich fast geschrieben. Manuel Riemann heißt er. Ich frage mich, wann Bochum endlich mal mit einem Torwart aufläuft. Ein, zwei oder drei Dinger hat Riemann, der mir mehr als talentierter Schauspieler auffällt, immer mal drauf, so wie diesmal sein Eigentor zum 0:1 gegen Schalke. Da nützt es auch nichts, dass er immer wieder einmal einen „Unhaltbaren“ hält – die Eier, die er sich ins Nest legt, zählen – auch bei seinen Mitspielern, die dann einem Rückstand hinterher laufen. Übrigens, diese Kritik an Riemann gilt auch für den Torwart und Kapitän von Eintracht Braunschweig, Jasmin Fejzic - womit ich doch noch einmal in Liga zwei abgerutscht bin, sorry.


Und gleich noch einmal: Hansa Rostock. Die (harten) Maßnahmen, die der Klub nach dem desolaten Auftritt seiner „Fans“ am Millerntor ergriffen hat, sind wegweisend für mich, weil es so einfach nicht mehr weitergehen darf. Auf solche „Fans“ kann der Fußball hundertprozentig verzichten, hoffentlich bemerken das andere Vereine demnächst auch noch. Rostock kann damit nur ein erster Anfang gewesen sein – aber Hut ab, für diesen Mut!


So, und ganz zum Schluss komme ich noch zu einen ganz „speziellen Freund“ von mir. So viel Zeit muss noch sein. Es geht um Maik Franz. Jetzt Co-Moderator bei Sport1. Früher u. a. Profi bei Hertha BSC, KSC, Frankfurt und Wolfsburg. Ein Wolf im Schafsfell. Für mich einer der unfairsten Spieler der letzten 30, 40 Jahre im deutschen Profi-Fußball – so smart er jetzt auch immer vor der Kamera grinst. Dieser Franz war für mich der größte Fußball-Schauspieler, der trat andere Leute brutal um und, ging dabei stets selbst theatralisch zu Boden, wälzte sich wie ein Fast-Toter – und spielte danach munter weiter. Ich weiß gar nicht, mit wem der zu vergleichen ist – er ist mit seinen „Künsten“ viel zu oft durchgekommen. Leider, leider.

Gibt es Vergleichbares für mich? In den 60er-Jahren sah ich einmal HSV gegen St. Pauli am Rothenbaum, da traten Dieter Seeler (starb am 21. September 1979) und St. Paulis Werner Pokropp (starb am 7. Dezember 2007) ständig auf sich ein, ohne dass der Ball auch nur in der Nähe war. Das war unfassbar! Später gab es in der Bundesliga auch noch einige ganz „schlimme Finger“, vor allem beim 1. FC Kaiserslautern und Werder Bremen; heute ist der Mainzer Dominik Kohr der größte Übeltreter für mich in Liga eins. Und Ende.


Ich wünsche Euch eine erfolgreiche und schöne neue Woche, bleibt gesund (ich bin es zurzeit leider nicht so ganz).


Dieter Matz




Dieter Matz - Der Blog

Folge 06/2023

Online seit 27.02.2023 


Irgendwie gab es nach dem 1:1 zwischen Tabellenführer Darmstadt 98 und dem Tabellenzweiten HSV doch einen Sieger: die Hessen. 1:1 gewonnen. Muss man wohl so sagen. Lange hatte der HSV 1:0 geführt, denn schon in Minute vier hatte Ransford-Yeboah Königsdörffer nach einem großartigen Pass von Moritz Heyer für das 1:0 gesorgt. Dieses Resultat hatte bis zur 81. Minute Bestand, dann glich der Spitzenreiter doch noch aus und „gewann“ damit die Partie. Darmstadt hat den Vier-Punkte-Abstand gewahrt, und da Heidenheim 1:0 in Bielefeld gewann, beträgt der Vorsprung der Rothosen auf den Tabellendritten nur noch zwei magere Pünktchen. Das ist spannend, das bleibt wohl auch spannend, und am kommenden Sonnabend treffen um 20.30 Uhr Heidenheim und Darmstadt aufeinander. Zu diesem Zeitpunkt waren dann aber die beiden Hamburger Vertreter bereits im Einsatz: St. Pauli gastiert bereits kommenden Freitag in Paderborn, und der HSV spielt am Sonnabend um 13 Uhr im Volkspark gegen den 1. FC Nürnberg mit Trainer Dieter Hecking – einst erfolgloser HSV-Coach.



Lange Gesichter gab es im Lager der Hamburger nach dem 1:1 am Böllenfalltor genug. Den Sieg vor Augen - und dann gab es diese ominöse 81. Minute. Der kurz zuvor eingewechselte HSV-Profi Andras Nemeth erhält im Strafraum der Hessen den Ball, kann ihn aber nicht kontrollieren, legt ihn sich zu weit vor – und verliert die Kugel. Damit war eine sehr gute Tormöglichkeit dahin, und es kam noch schlimmer. 98-Profi Marvin Mehlem schlug den abgewehrten Ball von der halbrechten Seite mit links zur Mittellinie, dort nahm der ebenfalls eingewechselte Darmstädter Filip Stojilkovic die Kugel an – und lief los. Im Begleitservice von und mit Jonas David. Ein Wettrennen nahm seinen Lauf. Der Darmstädter lief vom Anstoßpunkt bis an den Fünfmeterraum, an seiner Seite immer treu und vor allen Dingen brav Jonas David. Dann folgte der Schuss des 98-Stürmers mit der Pike in die lange Ecke – und Darmstadt hatte doch noch „gewonnen“.



Zu diesem 1:1-Tor erhielt ich in den folgenden Stunden noch viele, viele Nachrichten und Anrufe. Ein Anruf blieb mir davon am meisten im Kopf stecken: Aus Niedersachsen meldete sich ein Freund, der früher u. a. in der Regionalliga für Atlas Delmenhorst und Bremerhaven 93 stürmte – einer der besten Torjäger seiner Zeit im Norden. Und ein großer HSV-Fan. Er sagte mir in einer Mischung aus Entsetzen und Enttäuschung: „Dieter, das darf doch nicht wahr sein. Der Torschütze darf doch keine 50 Meter über den Platz laufen, und neben ihm immer sein HSV-Gegenspieler. Wo wäre ich früher wohl nach den ersten 15 oder 20 Metern dieses Sprints gelandet. Im Dreck. Mit der Nase im Rasen. Weiter gelaufen wäre ich auf jeden Fall ganz sicher nicht. Warum checkt der David den Darmstädter nicht mal kurz mit der Schulter. Er muss ihn doch nicht umtreten oder umgrätschen, aber eine Berührung mit der Schulter hätte doch gelangt. Dann hätte es Gelb gegeben – na und? Aber ein solch amateurhaftes Abwehrverhalten kann ich einfach nicht fassen. Dabei wäre ein HSV-Sieg so wichtig gewesen, es wäre schon die halbe Miete für den Aufstieg in Liga eins gewesen. Ich kann das nicht glauben, was da abgelaufen ist. . .“



Ja, das stimmt. Und deswegen war Trainer Tim Walter, der sich 90 Minuten lang mächtige und innige Verbal-Duelle mit der Darmstädter Trainer-Bank geliefert hatte, auch unheimlich sauer. Und mächtig angefressen. Er musste sich nach dem Spiel bestimmt ganz sehr doll zusammennehmen, um nicht total auszurasten. Aber, das muss auch erwähnt werden: Darmstadt hatte sich diesen einen Punkt redlich verdient, und um ehrlich zu sein, ging dieses Unentschieden auch absolut in Ordnung. So groß auch der Ärger der Hamburger später war. Walters Verdruss hatte übrigens schon vor dem Anpfiff begonnen. Weil Bakery Jatta im Mannschafts-Hotel zu spät zur Team-Sitzung erschienen war. Die Konsequenz daraus folgte auf dem Fuße: Jatta raus, Königsdörffer rein. Disziplin muss sein – Kompliment für Tim Walter, dass er eine solche harte Maßnahme vor einem so eminent wichtigen Spiel so konsequent durchzog.



Der HSV begann dann dieses Spiel wie ein Aufsteiger. Darmstadt wurde früh angegriffen, hatte kaum einmal Ruhe zu einem kontrollierten Aufbau. Noch nie habe ich so viele Darmstädter Rückpässe zum eigenen Torwart gesehen, wie in den ersten 20 Minuten. Das war fast eine Kopie der sonstigen HSV-Taktik – wenn die Rothosen den Ball immer zu Daniel Heuer Fernandes wandern lassen, bevor er dann nach Minuten endlich nach vorne geschlagen wird. Erst Mitte der zweiten Halbzeit fand der Spitzenreiter allmählich zu seinem Spiel – von da an ging es hin und her. Und in der 41. Minute roch es bereits stark nach Ausgleich, als Miro Muheim hinten links den Ball vertändelt hatte und Darmstadt konterte. Phillip Tietz legte den Ball in Richtung langes Eck des HSV-Gehäuses, und aus fünf, sechs Metern hätte Mathias Honsak eigentlich ein Tor machen müssen, aber er traf die Kugel nicht richtig – sie kullerte auf die Torlinie, rollte fast drüber, doch dann schlug ihn Heuer Fernandes doch noch geistesgegenwärtig nach vorne. Kein Tor! Es ging um Millimeter, aber die Pfeife von Schiedsrichter Christian Dingert blieb still. Viel Glück für den HSV, weil wieder einmal Torwart Heuer Fernandes sein Spitzenkönnen unter Beweis stellte.



So blieb es bei der 1:0-Pausenführung für den HSV. Während sich die Spieler um ihren Tee kümmern konnte, trat im Stadion Altmeister Manfred Kaltz an das Sky-Mikrofon. Der erfolgreichste HSV-Spieler aller Zeiten erinnerte mich bei dem Interview stark an den französischen Schauspieler Gerard Depardieu. Das aber nur am Rande.

Die Rothosen stürmten im zweiten Durchgang auf die Jonathan-Heimes-Tribüne zu. Wenn ich das richtig gelesen habe - Jonathan Heimes. Ich weiß nicht, wer das war oder ist, ich dachte nur bei mir: Komisch, „auf dem Dorf“ geht so etwas, da prangt der Name Jonathan Heimes groß und unübersehbar am Tribünendach – und in Hamburg, wo sie wirklich genug „Jonathan Heimes‘“ hätten, nämlich zum Beispiel Jupp Posipal (Weltmeister 1954), Jochen Meinke (Kapitän Meistermannschaft 1960), Jürgen Werner (Außenläufer und Nationalspieler 1960) oder auch Klaus Stürmer (Halblinks und Nationalspieler 1960), da sind sie zu einer solchen Ehrung nicht fähig. Oder besser gesagt: Die sind hier an der Elbe (und in Norderstedt, Uwes jahrelanger Wohnort) alle unfähig! Von einem Uwe-Seeler-Stadion oder einer Uwe-Seeler-Allee rund um die Arena – statt Sylvester-Allee (wird damit der eigentlich der weltberühmte Kater geehrt?) – einmal ganz abgesehen. Hier denkt jeder (Spitzenpolitiker) nur an sich, aber keiner denkt an andere, an andere verdiente Leute. Aber wie oft habe ich das in früheren Jahren nicht schon im Abendblatt erwähnt – es wird und wurde immer geflissentlich überlesen. . .


In Halbzeit zwei hatte zunächst Ludevit Reis das 2:0 auf dem Fuß, als er sich in den 98-Strafraum hinein gedribbelt hatte. Das musste eigentlich ein Tor sein, aber als sich der Niederländer einen Tick zu spät entschloss zu schießen, wurde die Kugel doch noch geblockt – Groß-Chance vertan. Rechts neben Reis hatte zudem Königsdörffer vergeblich auf das Zuspiel seines Kollegen gewartet, auch der 1:0-Torschütze hätte dieses Tor wohl machen können, viel besser wahrscheinlich – wurde aber, wie bereits geschrieben, nichts. Die Partie wurde Mitte der zweiten Halbzeit etwas härter, wobei sich Darmstadts Thomas Isherwood einige Male besonders hervortat. Ich hatte den Eindruck, als hätte ich den Glatzkopf (oder nur fast keine Haare?) schon mal in einem Film gesehen. „Schweigen der Lämmer“, als Double von Anthony Hopkins. Was für ein Blick? Wenn Blicke töten könnten. . . Und was für ein Tritt? Ach was, ein Tritt – was für Tritte! Der Mann kennt keine Verwandten. Der „Vollstrecker“ oder auch nur die Gestalt von „Nosferatu“ wären begeistert gewesen, wenn sie das gesehen hätte, aber sie mussten draußen bleiben, denn es passen ja nur 16 800 Zuschauer in dieses Merck-Stadion am Böllenfalltor.



Apropos dieses Stadion. Ich saß zu früheren Zeiten, dieser Abstecher sein mir schnell noch erlaubt, bei einem Pokalspiel zwischen 98 und dem HSV ganz oben unter dem Tribünendach. Als Letzter – oder auch als Erster – in meiner Reihe. Sekunden vor dem Schlusspfiff hatte Oliver Bierhoff das 1:0-Siegtor für den HSV erzielt, und alle wollten nun an mir vorbei. Ich musste aber, so die Vereinbarung, live im Radio von diesem Spiel für den neuen Radiosender Radio Hamburg berichten. Als ich gerade damit anfangen wollte, standen sie alle neben mir – und schoben mich sanft beiseite. Deshalb drang in diesem Moment ein ganz herzhaftes „Ach du Scheiße“ von mir live in viele Ohren der Hörer von Radio Hamburg – und ich erntete für diesen Fauxpas später noch so einige Rüffel. So kann es gehen. Experten vom Radio haben mir später ihr Beileid bekundet und gesagt: „So etwas versendet sich dann aber schnell. . .“ Ganz so schnell war das dann aber doch nicht erledigt – und ich habe es nie vergessen.



Zurück zum Spiel. Das dem HSV wieder einige „Dollars“ kosten wird – Pyro unvermeidlich. Natürlich. Muss sein. Darmstadt hatte, nachdem all die schönen Feuer erloschen waren, die letzte gute Tormöglichkeit, doch Daniel Heuer Fernandes hielt einen zu schwachen Schuss ohne Mühe. Und Ende. Und die Enttäuschung beim HSV war groß. Kapitän Sebastian Schonlau sagte geknickt: „Wir wollten dieses Spiel gewinnen, wollten den Rückstand auf Darmstadt auf einen Punkt verkürzen. Aber wir bleiben mit diesem 1:1 in diesem Jahr weiterhin ungeschlagen und werden uns die nötigen Punkte schon noch holen, da mache ich mir gar keinen Kopf.“ 98-Coach Torsten Lieberknecht, der nach dem 1:1 an der Seitenlinie tanzte wie sonst nur Otto Waalkes, befand: „Es wäre echt unverdient gewesen, wenn wir heute als Verlierer vom Platz gegangen wären.“ Zu den verbalen Duellen mit Tim Walter sagte Lieberknecht: „Das ging schon gelegentlich knorrig zu zwischen uns, da war Beef drin. Aber nach dem Spiel muss so etwas vergessen sein, in einem solchen Spiel sind eben immer viele Emotionen drin.“ Nachher, so war bei Sky zu sehen, umarmten sich beide Trainer – aber das kann natürlich auch lediglich die Begrüßung zwischen den Beiden von vor dem Spiel gewesen sein. Ich dachte, als ich das sah, so bei mir: „Gleich und Gleich gesellt sich gern!“ Und: Ob Lieberknecht, der, das schreibe ich auch schon seit vielen, vielen Jahren, ganz sicher der beste deutsche Schiedsrichter (!!!) wäre (er weiß alles besser, er sieht auch alles viel besser!), tatsächlich „Beef“ gesagt hat, weiß ich, muss ich leider zugeben, nicht so genau – ich hatte es auf jeden Fall so verstanden. Und empfand es irgendwie auch als lässig und modern, dass er so etwas von sich gibt. Aber deshalb ist dieses „Beef“ bitte von Euch mit etwas mehr Vorsicht zu genießen. Könnte eventuell auch „Mief“ gewesen sein – oder etwas total Anderes.





In der Einzelkritik muss ich leider (erneut) zugeben, habe ich keinen überragenden Spieler gesehen. Daniel Heuer Fernandes war für mich der beste Mann. Ihm am nächsten kam Ludevit Reis. Jean-Luc Dompe hatte zu Beginn einige vielversprechende Szenen – aber er kann ganz sicher (viel) mehr. Nichts zu sehen war von Robert Glatzel, und hinten gab es etliche und schlimme Aussetzer in der Viererkette, in der nur Sebastian Schonlau etwas souveräner wirkte. Miro Muheim leistete sich einige erschütternd anmutende Eskapaden zu viel. Moritz Heyer (der seine fünfte Gelbe sah und gegen Nürnberg nun pausieren muss) hatte in der vierten Minute schon seine beste Szene; ansonsten hatte er seine liebe Mühe und Not mit Gegenspieler Frank Ronstadt. Über Jonas David habe ich, so denke ich, schon alles geschrieben. Und Ende.


Vom HSV aber gibt es ja noch die Nachricht, dass es in der Führungsetage nun wieder etwas mehr nach Zusammenhalt riecht. Allerdings: In einem Zeitungs-Artikel hat sich Milliardär Klaus-Michael Kühne nun wieder einmal zu Wort gemeldet, indem er wieder einmal zu Protokoll gab: „Ich bin bereit, noch einmal einen großen Betrag einzusetzen - bis zu 120 Millionen Euro. Doch dafür muss sich der HSV umstrukturieren, dann müssten die Gremien anders besetzt werden. Mit einer neuen Rechtsform könnte man das Kapital erhöhen. Das geht heute noch nicht." Weiter O-Ton Kühne: „Vereinspräsident Marcell Jansen ist leider gegen mich. Es gibt da im momentan noch zwei Fraktionen - die Schlacht ist noch nicht geschlagen. . .“ Das ist wohl treffend. Es wird in meinen Augen noch so manche Schlacht hinter den Kulissen im Volkspark über die Bühne gehen, zu zerstritten sind sich die Herren da oben. Ich erwarte noch so manches harte und unsportliches Tänzchen, es wird (weiter) viel Krach und Ärger geben. Und mit dem, was Mäzen Kühne in der vergangenen Woche da gesagt hat, läuft alles sicherlich noch auf eine weitere Schwächung von Klub-Chef Marcell Jansen hinaus.

Wir können uns alle gewiss auf einige deftige Sachen gefasst machen, das ist in meinen Augen leider sicher!



Zum FC St. Pauli. Trotz der Tatsache, dass Spitzenreiter Darmstadt nun schon 21 Spiele ungeschlagen ist, bleiben die Braunen für mich die Mannschaft der Stunde in Liga zwei. Fünfter Sieg im fünften Spiel 2023 – der bisherige Vereinsrekord des FC wurde mit dem 1:0-Erfolg über Angstgegner Hansa Rostock eingestellt. Und inzwischen rangiert St. Pauli auch schon auf Rang sieben! Ein Traum in Braun! Der knappe Sieg, den Trainer Fabian Hürzeler haargenau zu seinem 30. Geburtstag geschenkt bekam, hing aber besonders in Halbzeit eins am seidenen Faden, denn: Rostocks Kai Pröger traf in der elften Minute den Pfosten, das heißt, Torwart Nikola Vasilj parierte den Schuss des Hansa-Stürmers großartig und lenkte die Kugel gerade noch gegen das Aluminium. Und in den letzten Sekunden der ersten Halbzeit traf John Verhoek mit einem Kopfball nur die Querlatte (Vasilj flog vergeblich), und Rostocks kantiger Abwehrspieler Damian Roßbach drosch den Ball nach einem Eckstoß aus vier Metern (!) in die achte Etage des Millerntor-Stadions. Das war eine unfassbare Fehlleistung!



Zu diesem Zeitpunkt führte St. Pauli allerdings schon 1:0. Oladapo Afoyalan hatte von links traumhaft geflankt, in der Strafraummitte brachte sich Jackson Irvine gekonnt in Stellung und köpfte aus sieben Metern unhaltbar ein (26.). Der Australier wird zum Kopfall-Ungeheuer, sein sechstes Zweitliga-Tor für St. Pauli, alles Kopfballtore. Der Mann ist wirklich eine Klasse für sich. Und: St. Pauli spielt seit dem Trainerwechsel von Timo Schultz auf Fabian Hürzeler wirklich besser, das muss festgehalten werden. Das Spiel der Kiez-Kicker wirkt reifer, klüger, durchdachter und auch aggressiver, ohne dabei unfair zu sein. Hier kämpft und spielt ein jeder für den Nebenmann – ja, es geht voran! In dieser Verfassung muss sich erst noch ein Gegner finden, der diesen FC St. Pauli schlagen kann.



Obwohl: Irgendwann wird es St. Pauli vielleicht auch selbst schaffen, sich um die nötigen Punkte zu bringen. Ich denke da nur an Torwart Vasilj. Wenn er den Ball am Fuß hat, droht er oftmals einzuschlafen. Dreimal gab es in dieser Partie mit Rostocker Angreifern derart große Probleme, dass der Ball beinahe nicht bei St.-Pauli-Spielern gelandet wäre, sondern eher im Tor der Braunen. Das ist Herzinfarkt-Fußball, was der ansonsten starke haltende Keeper da den Fans anbietet – vielleicht kann das der neue Coach ja einmal ansprechen und somit ändern.


Etwas, was ich noch „ansprechen“ möchte, ist eine Szene in der 41. Minute. Da lieferten sich der Rostocker Haris Duljevic und Eric Smith etwa zehn Meter vor dem St.-Pauli-Strafraum ein heftiges weil körperbetontes Duell. In meinen Augen, und auch in den Augen jener Leute, die mit mir dieses Spiel sahen, schlug der Hansa-Spieler mit der Faust gegen den Kopf von Smith. Ich glaube sogar, dass er gleich zweimal schlug. Aber nichts passierte. Keine Karte, kein nichts. Wenn Schiedsrichter Benjamin Brandt nichts gesehen hatte, wenn auch der Assistent an der Linie nichts gesehen hat – dann doch mindestens der Kölner Keller – oder? Es passierte nichts. Und das kann es nicht sein. Wobei ich eines sagen muss: Der Unparteiische Brandt war einer der besten Männer auf dem Platz, wenn nicht sogar der beste Mann. Das war Note eins. Das Spiel war gewiss nicht leicht zu leiten, er aber behielt die Ruhe und stets die Übersicht. Das mögen Rostocker vielleicht anders sehen, aber ich fand diese Partie in Bezug auf den Schiedsrichter super gut. Kompliment.



Er wird notiert haben, was sich vor dem Spiel und besonders zu Beginn des zweiten Durchgangs im Hansa-Block abgespielt hat. Pyro ohne Ende, Raketen auf das Spielfeld. Und dazu wurden die Toiletten so demoliert, dass die „Fans“ von der Ostsee Teile der Toiletten-Anlage mit auf ihre Stehplätze schleppten – und damit die Ordner bewarfen. Perverser geht es nicht. Ein Ordner wurde dabei schwer am Kopf verletzt, wie schwer, wird sich erst nach den eingehenden Untersuchungen zeigen. Aber unmenschlich waren diese Zustände schon. Es ist wirklich erbärmlich, was sich diese zahlenden „Fans“ alles herausnehmen, und ich habe den Eindruck, dass das alles immer schlimmer und schlimmer wird. Chaos ohne Grenzen, Hauptsache diese Unmenschen haben ihren Spaß. Und die Vereine und Verbände sehen immer schön zu!

Macht alle weiter so, ihr bekommt den Fußball schon noch ganz kaputt. Was natürlich nicht zu verschweigen ist: Kurz vor dem Abpfiff des Spiels brannte es – wie selbstverständlich – auch wieder im St.-Pauli-Block. Motto: „Was die können, können wir schon lange. Egal was das kostet, das müssen wir ja auch nicht zahlen, dafür ist der Verein ja voll umfänglich zuständig. Schließlich bezahlen wir ja teures Eintrittsgeld.“ Jawollo!



Zur kleinen Einzelkritik: Torwart Vasilj nervte, wie geschrieben, mit dem langen Ballgehalte, hielt aber ansonsten ganz stark. So gegen Verhoek in der 78. Minute! Mit Eric Smith und Manolis Saliakas (beide fehlten zuletzt) stand die Abwehr wieder sicherer. Jackson Irvine war für mich der beste Spieler auf dem Rasen. Und für mich war auch Angreifer Oladapo Afoyalan wieder sehr wertvoll, er rieb sich vorne auf, gab nie auf, gab die großartige Flanke zum Siegtor, war ein steter Unruheherd für die Hansa-Defensive. Connor Metcalfe fiel nicht auf, eher ab, bei Lukas Daschner wechselten sich gute und schwächere Szenen über 90 Minuten fleißig ab, ich hatte, wohl im Gegensatz zu Trainer und Geburtstagskind Hürzeler, den Eindruck, dass die schwächeren Szenen schließlich gewannen. . .




Schnell noch einige ganz kleine Randgeschichten aus dem großen Fußball:



Bei RB Leipzig sitzt David Raum in diesem Jahr (zunächst) stets auf der Bank. Er war, wir erinnern uns, deutscher WM-Teilnehmer. Ich habe ihn Rückwärts-Raum genannt, weil er doch viel zu oft den einen oder anderen Ball zum Torwart zurückspielte. So 30 bis 40 Rückpässe in einem Spiel. In Leipzig spielt für ihn nun der ehemalige St.-Pauli-Spieler Marcel Halstenberg hinten links – statt Raum. Mir gibt das zu denken, gebe ich zu. Was lief da vor der WM (alles) falsch? Raum war in meinen Augen nie der geeignete Links-Verteidiger für die Nationalmannschaft, aber das zu entscheiden, dafür hatten und haben wir ja auch einen Bundes-Hansi. Übrigens: Mats Hummels, den viele Experten vor der WM und auch nach der WM in Katar gefordert hatten, sitzt bei Borussia Dortmund auch immer schön auf der Bank. . .

Apropos Dortmund: Hut ab für diese beeindruckende Serie – neun Siege in Folge. Rekord für den BVB. Ich habe die Terzic-Truppe im Herbst oft heftig kritisiert, aber sie hat sich gemausert, das muss ich zugeben. Und für meinen Freund Sebastian Kehl als sportlich Verantwortlichen (im schmucken Anzug, nicht Trainingsanzug!) freut es mich ganz besonders, dass die Borussia jetzt doch wieder voll da ist! Weiter so.



Dann gab es die seltsame, aber durchaus nicht unübliche Geschichte um einen Fußball-Profi-Vertrag: Herthas neuer Stürmer Florian Niederlechner, der im Winter aus Augsburg nach Berlin kam, kostet seinem neuen Arbeitgeber nun eine sechsstellige Summe, die aus der Hauptstadt in diesen Tagen auf die Vereinskonten des FCA wandern wird. So viel wäre zu zahlen gewesen, wenn der Neu-Herthaner gegen seinen Ex-Klub zum Einsatz käme - und nun ist auch tatsächlich zu zahlen; Niederlechner spielte. Ein Trost für die abstiegsgefährdeten Berliner: Die alte Dame gewann und träumt nun wieder etwas mehr vom Klassenerhalt.



Ganz zum Schluss noch einmal Bruno Labbadia. Über den schrieb ich zuletzt, dass er ein „großes Knie“ auf dem Kopf (ziemlich weit hinten) trägt, er deswegen nicht beim Torjubel hochspringen sollte, weil dann die große Lücke deutlich sichtbar ist. Auf Schalke musste er auch nicht groß hüpfen, sein VfB verlor 1:2 und kommt dem Abstieg weiter ein kleines Stückchen näher. Weshalb ich aber über den schönen Bruno schreibe: Irgendwie erinnerte er mich in Gelsenkirchen am Spielfeldrand doch sehr an Emil. An Emil Steinberger, der Comedian.

Aber das sind ja auch nur kleine Äußerlichkeiten.


In diesem Sinne wünsche ich Euch eine schöne und erfolgreiche Woche, bleibt gesund – und hofft mit mir darauf, dass es bald schon Frieden auf der Welt geben möge, auch wenn es im Moment völlig aussichtslos erscheint.



Dieter Matz





Dieter Matz - Der Blog

Folge 05/2023

Online seit 20.02.2023 


Eines ist doch beruhigend zu wissen. So geht es mir auf jeden Fall: Der FC St. Pauli kann doch noch schlechten Fußball. Schlechten Fußball spielen. Und bevor sich jetzt jemand von Euch aufregt – es ist völlig unnötig, denn: Ich freue mich selbstverständlich über den 2:1-Auswärtssieg der „Zweitliga-Mannschaft der Stunde“ beim 1. FC Magdeburg. Völlig verdient gab es einen weiteren Dreier, den nunmehr schon vierten in diesem Jahr – bei vier Auftritten. Dickes Kompliment für die Braunen! Diese Entwicklung unter der Regie von Fabian Hürzeler ist wirklich sensationell – es ist einfach nur traumhaft zu nennen. Und nun zurück zum „schlechten Fußball“: St. Pauli begann im Osten ganz stark, schnell gab es zwei gute Chancen. Aber nach 10 Minuten war der „Anfall“ schon vorüber – dann „kam“ Magdeburg. Zur Pause hätte es durchaus nicht nur 1:0 für den abstiegsgefährdeten Aufsteiger stehen können. Bis zum Seitenwechsel mussten alle diejenigen, die es gut mit den Kiez-Kickern meinen, sehr viel Angst haben um ihren Lieblings-Klub. Beim 1:0 von Atik hatte Leart Paqarada einen leichten Aussetzer, weil er den Ball ein wenig lässig zu Marcel Hartel „schnibbeln“ wollte – ging dramatisch schief. Atik schoss an Jakov Medic vorbei aus 16 Metern ein - Magdeburg führte in der 39. Minute. Und das nicht unverdient. Zum Glück konnte St. Pauli dann im zweiten Durchgang an die guten Vorstellungen aus den Spielen gegen Nürnberg, Hannover und Kaiserslautern anknüpfen und das Ding noch drehen. . .



Das lag auch an Fabian Hürzeler, der mutig umstellte! Er wechselte den schwachen und teilweise überforderten Jannes Wieckhoff aus, der für den gelb-gesperrten Manolis Saliakas hinten rechts spielen musste. Für den Abwehrspieler Wieckhoff kam Stürmer Roque Junior Maurides – und Connor Metcalfe, der bis dahin vorne rechts gespielt hatte, rückte für Wieckhoff zurück auf „hinten rechts“. Es lohnte sich. St. Pauli übernahm wieder das Kommando in diesem Spiel, Und es war dann eigentlich nur eine Frage der Zeit, wann es zum Ausgleich kommen würde. Vergessen war die etwas längere Schwächephase der ersten Halbzeit. Da spielte St. Pauli für mich teilweise lässig, fahrlässig, fast überheblich, fast arrogant. Hacke, Spitze, eins, zwei, drei. Das war gar nichts. Und bis auf Karol Mets versuchten die meisten St.-Pauli-Profis fast körperlos zum Erfolg zu kommen. Es gab in diesem Spielabschnitt unfassbar viele Fehlpässe, ganz leichte Ballverluste, in Zweikämpfen ging es lieber zaghaft zur Sache (!), es wurde, wie Paqarada vor dem 0:1, lieber mal zurückgezogen und hochgesprungen, um ja nicht getroffen zu werden. Für mich machte sich auch des Fehlen des angeschlagenen Eric Smith (für ihn spielte Betim Fazliji bis zur 69. Min, dann kam Offensivspieler David Otto) stark bemerkbar, mit ihm im Abwehrzentrum hätte es wahrscheinlich die vielen Nachlässigkeiten nicht gegeben – denke ich.



Aber wie bereits geschrieben, es wurde besser, die Halbzeit-Ansprache von Fabian Hürzeler und die Umstellungen trugen Früchte. Maurides vergab zunächst noch eine „Hundertprozentige“ (72.), als er aus vier Metern über das Magdeburger Tor (und fast noch über die Tribüne) ballerte. Der Winter-Neuzugang ist wohl noch ein ungeschliffener Rohdiamant – er läuft viel, fast immer nur geradeaus, oft scheint es so, als wolle er mit dem Kopf durch die Wand. Aber auch so kann ein „Klotz“ ja eine ganze Abwehr beschäftigen. . . Der Ausgleich in der 74. Minute. Eckball von links, geschlagen von Kapitän Paqarada, und in der Mitte steigt Jackson Irvine hoch und köpft aus sieben, acht Metern super ein. Ein tolles Tor. Und köpfen kann der Australier nun wirklich immer klasse, das muss man mal loben. Die Wende in diesem Spiel war damit vollzogen, der Siegtreffer folgte dann in der 88. Minute. Hartel bediente in seiner einzigen hochklassigen Szene den nach einem Standard noch aufgerückten Medic, und der schoss aus fünf Metern ein. Jubel, Trubel, Heiterkeit. Völlig berechtigt. Und wie bereits erwähnt, völlig verdient. St. Pauli weiter im Aufwind, das soll auch am Sonntag im Heimspiel gegen Hansa Rostock unter Beweis gestellt werden. Auf eine Einzelkritik möchte ich nach dem Magdeburger Betriebsausflug verzichten, ich habe an diesem Sonnabend wirklich keinen überragenden St.-Pauli-Spieler gesehen, der herauszuheben wäre. Bei jedem wechselten Licht und Schatten munter ab, in dieser Disziplin taten sich besonders Marcel Hartel und Lukas Daschner hervor, aber auch beide Kapitäne, Leart Paqarada und Jackson Irvine, konnten da durchaus mithalten. Ganz vorne bleibe ich dabei: Oladapo Afolayan, der unorthodox spielende „fliegende“ Stürmer, ist absolut ein Gewinn für St. Pauli, auch wenn ihm immer noch einige Dinge, die eigentlich leicht für ihn zu lösen wären, misslingen.




Und damit bin ich schon beim HSV. 2:1-Sieger gegen den abstiegsgefährdeten Erstliga-Absteiger Arminia Bielefeld! Geht es nach Trainer Tim Walter, der diesen Dreier unmittelbar nach dem Schlusspfiff wie immer mächtig bejubelte, so war das schon der Aufstieg der Rothosen! Mindestens. Ich muss zugeben, dass ich früher ein anderer Spieler und auch ein anderer Trainer war. Wenn wir nach einer solchen Leistung gewonnen hatten, bin ich still und leise in die Kabine gekrochen, nur nicht angesprochen werden auf das, was zuvor in 90 Minuten geleistet und gezeigt wurde. Oder auch, was in den 90 Minuten alles schiefgegangen war. Und nach diesem Erfolg gegen die Arminia hätte da ein jeder Hamburger lange plaudern können – und zwar ohne Ende. Man, wie war das bitter. Und wenn ich eingangs bei St. Pauli von „schlechtem Fußball“ geschrieben habe, so trifft das auch für den ebenfalls 2:1-Sieger aus dem Volkspark zu. Nur das der Sieg der Walter-Truppe für mich sehr, sehr glücklich war, denn Bielefeld hatte mindestens ein 2:2 verdient. Und hatte die Chancen dazu. Robin Hack, Janni Serra und Bryan Lasme hätten für die Arminia im zweiten Durchgang treffen können, fast müssen.



Aber der Reihe nach. Das 1:0 des HSV war fast ein Eigentor von Guilherme Ramos, der den Schuss des wieder einmal besten Hamburgers, Ludovit Reis, mit dem Kopf ablenkte – Torwart Martin Fraisl hätte den Ball wahrscheinlich gefangen, zumindest aber abgewehrt, aber gegen die abgefälschte Kugel war er machtlos (26.). Vor diesem Treffer hätte es schon Elfmeter für Bielefeld geben können, als Jonas Meffert dem Arminen Sebastian Vasiliadis beim einem Eckstoß (unabsichtlich) auf den Fuß stieg. Für so etwas gab es im deutschen Fußball (und nicht nur da!) schon reichlich Strafstöße, doch Schiedsrichter Daniel Siebert sah sich die Szene, vom Kölner Keller inspiriert, auf Video an und entschied: „War nichts!“ Glück für den HSV, sehr viel Glück. Und auch etwas Pech mit dem Unparteiischen, denn der sah zwar einen bösen Tritt des Bielefelders Lukas Klünter gegen den „Hamburger Formel-1-Piloten“ Jean-Luc Dompe, doch der 23. Mann beließ es bei einer Ermahnung. Dabei war dieser Tritt fast schon mehr als Gelb, denn der Ball war nicht mehr in der Nähe, doch was soll‘s, Schiedsrichter haben es in dieser schweren Zeit wohl ganz besonders schwer. Oder etwa nicht? Na gut, soll jeder für sich entscheiden.



Dass Bielefeld schon vor all diesen Szenen bereits ein Tor erzielt hatte, das aber wegen einer klaren Abseitsstellung nicht zählte, war dagegen völlig richtig. Aber so kann immerhin festgehalten werden, dass schon die Anfangsphase im Volksparkstadion ziemlich durchwachsen war. Und so blieb es auch. Der HSV war zwar durchweg überlegen, aber Bielefeld blieb bei und durch Konter stets gefährlich. Wobei sich die Rothosen das (Fußball-)Leben auch selbst immer wieder schwer machen, denn ehe der Ball endlich einmal über die Mittellinie befördert wird, muss ihn erst Torwart Daniel Heuer Fernandes mindestens fünfmal am Fuß haben. Vorher geht da nichts! In dieser Zeit wird dann draußen von der Hamburger Trainerbank bei Bielefeld schüchtern angefragt, ob sich die Abwehr der Arminen nun wieder formiert hat – damit der HSV dann endlich auch seinen nächsten Angriff starten kann. Jawollo, so sieht fairer Fußball aus! Und ansehnlicher „Fussi“ natürlich auch. Wer dabei einschläft, der hat den Knall nicht gehört.


Als Bielefeld in der 51. Minute das 1:1 erzielt hatte, ausgerechnet der ehemalige St.-Paulianer Bastian Oczipka hatte getroffen (!), war das gerechte Resultat dieser Partie eigentlich hergestellt, aber der HSV hatte etwas gegen ein Unentschieden. Natürlich. Vor 57 000 Zuschauern muss ein Heimsieg her (es gab jetzt schon den vierten in Folge), und deswegen gab es diesen Siegtreffer auch noch: Jean-Luc Dompe flankte von links mit rechts auf den hinteren Pfosten, und da kam Bakery Jatta angelaufen. Der Gambier nahm den Ball in der 57. Minute aus zwei Metern volley und drosch ihn unter die Torlatte – Jatta mit der Torlatta! Der HSV hatte dann danach nur noch eine Möglichkeit zum dritten Tor: Als zunächst Laszlo Benes einen 17-Meter-Freistoß an die Querlatte schoss, und unmittelbar danach Jonas David aus dem Gedränge heraus abzog – doch Fraisl, der Teufelskerl im Tor der Arminen, parierte den eigentlich unhaltbaren Ball doch noch. Eine Wahnsinnstat.



Ansonsten aber hatte im zweiten Durchgang nur noch Bielefeld Tormöglichkeiten. Eben die bereits erwähnten Herren Hack, Serra (schoss aus einem spitzeren Winkel am leeren HSV-Tor meilenweit vorbei – Schuhspanner im Stiefel!) und Lasme. Bedenklich muss bei den HSV-Verantwortlichen (ausgenommen Tim Walter) eigentlich angekommen sein, wie sehr die eigene Mannschaft in einem Heimspiel gegen einen Abstiegskandidaten ins Schwimmen gekommen ist – Bielefeld steht mit dem Vorletzten Regensburg punktgleich auf dem Relegationsplatz. Das war wahrlich keine Heldentat des HSV. Diesen „grandiosen“ Leistungen aber schloss sich auch noch einmal Schiedsrichter Siebert an. Der Berliner sah sich auf Video eine Szene an, in der Robert „Bobby“ Glatzel, der diesmal fast ein Totalausfall war, im Strafraum der Arminen von den Füßen geholt wurde. Ein klarer Elfmeter – ein Bilderbuch-Elfmeter! Für mich. Nur für mich, natürlich. Aber Siebert sah genau hin und entschied erneut: „War nichts!“

Was auch total verständlich war: Auf der einen Seite, beim Stande von 0:0, „war nichts“, und dann ist in der 94. Minuten natürlich auch nichts. Oder vielmehr „war nichts“. Nee, so geht es eigentlich nicht, aber wie heißt es so schön in der Werbung: „Nichts ist unmöglich!“ Bei unseren Spitzen-Schiris ohnehin.

Und die Fans sangen zum Abschluss: „Super Hamburg ole. . ."


Beste Spieler bei diesem Kick zu nennen, das fällt mir, wie schon bei Magdeburg – St. Pauli, diesmal besonders schwer. Ludovit Reis war zwar kein 90-Minuten-Reis, aber insgesamt wohl schon ein 70-Minuten-Reis. So gut war kein anderer HSV-Profi an diesem Sonntag. Nein, ich bin mir sicher, da wäre niemand zu nennen. Nur eines ist mir wieder einmal aufgefallen: Jonas David muss früher einmal ein hyperaktives Kind gewesen sein. Warum? Ihr müsst das einmal beobachten: David fordert eigentlich immer den Ball, besonders dann, wenn der HSV „hintenrum daddelt“. Er winkt, er rudert mit den Armen, oder er hat gelegentlich auch nur einen Arm.





Er will Verantwortung übernehmen, so denke ich. Und er übernimmt auch Verantwortung. Wenn er den Ball dann hat und ihn über fünf, sechs Meter zu jenem Nebenmann zurückspielt, der ihm die Kugel in den Fuß gespielt hat, dann zeigt Jonas David ihm prompt an, wohin dieser Kollege den Ball weiterspielen soll. Oder er gibt ihm - mit den Armen in der Luft herumfuchtelnd - eben auch nur einen dezenten Hinweis, dass da drüben, meistens aber da hinten, ein Mann frei steht. Zu dem müsste der Ball schnell mal kommen. Jonas, der Dirigent. Er hat hinten beim HSV offenbar alles im Griff – auf jeden Fall aber im Blick. Schön zu wissen! Auch allein schon im Hinblick auf den nächsten Sonnabend: 20.30 Uhr, Böllenfalltor – Tabellenführer Darmstadt 98 gegen den Tabellenzweiten HSV. Das wird ein Kracher! Vorfreude pur.



So, schnell noch ein Blick in den ganz großen Fußball. Zum Beispiel zum FC Bayern München.

Der Rekordmeister verlor bekanntlich 2:3 bei Angstgegner Mönchengladbach, obwohl die „Fohlen“ zuletzt nur geschwächelt hatten. Aber so geht Fußball. Zumal dann, wenn eine Mannschaft über 80 Minuten mit nur zehn Mann gegen elf spielen muss. Wie in diesem Falle die Bayern. In der achten Minute war der Borusse Alassane Plea mit dem Ball Richtung Yann Sommer im Bayern-Tor unterwegs, verfolgt von Dayot Upamecano. Der Münchner Abwehrriese berührte ein wenig die Schulter des Gladbachers, der stolperte erst und fiel danach im Strafraum zu Boden – und der Bayern-Profi sah Rot. Notbremse. So sah es Schiedsrichter Tobias Welz. Ich, das gestehe ich gleich zu Beginn dieser kleinen Story, sah das nicht so, sehe das immer noch nicht so. Aber: Hätte Welz nicht so entschieden, hätten nach diesem Wochenende wieder alle gepöbelt: Bayern-Bonus!



Diesmal nicht. Und deswegen war Münchens Trainer Julian Nagelsmann stocksauer. Oder noch mehr! Es folgte ein langer verbaler Amoklauf. Während des Spiels, und auch danach. Er stellte Welz nach dem Schlusspfiff noch - oder sofort - auf dem Platz zur Rede, und der Coach ging auch später in die Kabine des Gespanns. Danach kam er heraus und ließ einige Dinge vom Stapel, die er besser nicht gesagt hätte. Journalisten haben es gehört: „Mein Gott, mein Gott, ey. Ein weichgespültes Pack!" Später, in der Pressekonferenz, relativierte Nagelsmann: „In meinen Augen gab es von Upamecano nur einen minimalen Touch an Pleas Schulter, aber er zieht ihn nicht. Und jeder kann sehen, dass sich die Schulter von Plea nicht einen Millimeter nach hinten bewegt. . ."


Soweit, so gut. Man solle nicht jedes Wort von ihm auf die Goldwaage legen, im Fußball gibt es Emotionen, das war eben hoch emotionell. Stimmt. Aber der junge Coach (34) sagte auch: „Das war kein Rot.“ Dazu äußerte er weiter: „Man kann das alles so entscheiden, aber man könnte als Schiedsrichter nach dem Spiel vielleicht auch sagen, dass diese Rote Karte vielleicht ein bisschen übertrieben war. Da kann ja auch jeder mit leben, er ist auch ein Mensch der mal Fehler macht."



Das klingt weltmännisch. Und auch großmütig. Aber ich sage dazu nur:
Wenn der Schiedsrichter das zugibt, dann gibt es erst recht Theater – und zwar von allen Seiten. Dann heißt es doch auf jeden Fall von den Bayern: „Hinterher gibt er dann tatsächlich zu, dass das falsch war – das hätte er besser gleich auf dem Platz so gehandhabt!“

Wie „Mann“ es macht, ist es verkehrt.

Dass sich Nagelsmann weit später für seine Sprüche gegen Welz entschuldigte, spricht für ihn – vor einer Bestrafung durch den DFB wird er sich dadurch aber nicht retten können. Der Trainer schrieb im Internet: „. . .allerdings muss ich mich für die Wortwahl gegenüber dem Team um Tobias Welz entschuldigen. Da bin ich leider eindeutig zu weit gegangen.“



Von einigen Prominenten bekam Nagelsmann aber sofort sein Fett weg. Lothar Matthäus sagte bei „Sky“: „Nagelsmanns Wortwahl war weit daneben.“ Ex-Bayern-Spieler Dietmar Hamann befand: „Er ist Trainer des FC Bayern. Wenn er nicht will, dass seine Worte auf die Goldwaage gelegt werden, dann muss er in der dritten oder vierte Liga trainieren – da interessiert es keinen, was er erzählt.“ Stimmt wahrscheinlich.



Sechs ganz kleine Dinge aus dem ganz großen Fußball noch am Rande:



Waldemar Hartmann, der kultige „Waldi“, saß diesmal im Doppelpass von Sport1. Endlich mal wieder v- ich bin „Waldi“-Fan. Und der frühere Mann des Bayerischen Rundfunks, der heute in Berlin lebt, sagte unmissverständlich: „Das war nie und nimmer ein Strafstoß – Ausrufezeichen und Ende!“ Ganz nebenbei sagte „Waldi“ auch noch so in die Runde: „. . .entschuldige Johann, aber. . .“ Er meinte wohl den Moderator der Sendung, Florian König, und hatte dabei den Spaßmacher (und Komödianten) Johann König in seinem Gedankengang. Ein Doppelpass-Freund rief mich daraufhin jedenfalls spontan an und sagte nur: „Prost, Waldi!“ Auf ein schönes kaltes Weizenbier. Den Namen nennen wir extra nicht!



Punkt zwei: Alle Achtung – und mein Respekt für Tobias Welz. Der Unparteiische von Mönchengladbach gegen Bayern München stellte sich im Sport1-Doppelpass. Er wurde stark „angeschossen“, vor allem von Sportsfreund „Waldi“, aber er behielt die Contenance. Dafür möchte ich ihm einen großen Applaus spendieren, diesen Auftritt hat er großartig überstanden! Herzlichen Glückwunsch. Das sage ich sehr bewusst, denn eines muss ich dabei (zähneknirschend) zugeben: Tobias Welz war nie mein Freund unter den Bundesliga-Schiedsrichtern, da gab es viele, viele andere Männer mehr, die ich stets freudig bei Spielen im Volkspark oder am Millerntor begrüßt habe - begrüßen durfte. Dieser Fernseh-live-Auftritt aber gehört in meinen Augen gelobt – was hiermit geschehen ist. Dass Welz von seinem früheren Kollegen Babak Rafati (Hannover) heftig ob der Entscheidung „Rot für Upamecano“ kritisiert wurde, kommt für mich ein wenig überraschend, aber es muss vielleicht auch mal überdacht werden. Rafati sagte hauptsächlich zweierlei Dinge: Erstens wäre niemals Rot gewesen. Und zweitens: Stürmer werden im Training darauf geschult, so zu fallen wie es Plea tat - um damit zu versuchen, einen Elfmeter herauszuholen.

Ein dickes Ding!



Das dritte Ding: Noch ein Schiedsrichter. Patrick Ittrich. Der einzige Hamburger Erstliga-Mann pfiff am Freitag Augsburg gegen Hoffenheim (1:0) – eine hitzige Partie. Wie beim FCA üblich! Ittrich erkannte dabei zwei Augsburger Treffer nicht an – und lag damit genau richtig. Im ZDF wurde der Polizei-Beamte (hoffentlich ist er ein Beamter, das weiß ich nicht genau – er ist aber bei der Polizei) später als bester Mann auf dem Platz bezeichnet. Und dazu gratuliere ich ihm. Bei einer Augsburger Bank mit einem oftmals meckernden Manager Stefan Reuter und Co soll es schon etwas heißen, wenn ein Schiri nach zwei nicht anerkannten FCA-Toren noch als „bester Mann“ auf dem Platz bezeichnet wird. Dickes Kompliment. Dass sich Ittrich schon seit geraumer Zeit für mehr Respekt gegenüber den Schiedsrichtern (und den Regen im Fußball) einsetzt, ist eine sehr, sehr gute Sache, ich kann und werde das nur befürworten. Es wäre endlich an der Zeit, dass er dafür mehr und mehr Unterstützung von Verbänden (DFB, DFL) und den eigenen Schwarzkittel-Kollegen erhielte. So ganz nebenbei ist der gute Patrick in den Augen vieler Fans und Experten schon seit geraumer Zeit zu einem der besten Unparteiischen Deutschlands gereift und aufgestiegen. Unser bester Mann vom Mümmelmannsberger SV! Einfach nur großartig!



Viertens: Dass Schalker Fans, die sich morgens (sonntags!) um kurz nach sechs Uhr versammeln, um mit Bussen zum Spiel bei Union Berlin (0:0) zu fahren, ist normal. Und es ist toll für Mannschaft und Verein - dass es solche Unterstützung gibt. Dass es aber Hirnis (von anderen Vereinen) gibt, die so etwas torpedieren, indem sie sich genau dort, auf Schalke, verabreden um dann wie wild um sich prügeln, das ist nicht normal. Aber ist so geschehen an diesem Wochenende. Es sollen „Fans“ von Rot-Weiß Essen und Borussia Dortmund gewesen sein, es soll! Die haben auf die Schalker mit Baseballschlägern und anderen Sachen eingeprügelt, es gab eine riesige Schlägerei mit vielen Verletzten, einige davon sehr schwer. Es ist eine neue Dimension. Unfassbar für mich. Wir haben Krieg in Europa, hatten eine große Pandemie, haben nun ein großes, riesiges Erdbeben in Europa – da gibt es doch viele, viele Dinge und „Baustellen“, über die wir alle besser und viel nachdenken sollten. Anstatt andere Menschen krankenhausreif zu schlagen. Nichts in der Birne! Leider. Was aber hinzukommt: Der DFB und die beteiligten Vereine reagieren auf „so etwas“ ja gar nicht erst. Weil sie alle Angst haben, dass solche „Fans“ dann nach einer eventuellen Bestrafung nicht mehr in die Stadien kommen – und dann könnten ja Gelder in der Vereinskasse fehlen. Es ist alles so bitter, bitter, bitter. . .

Dann das fünfte Ding – ganz ungefährlich: Ihr habt gesehen, wie der ehemalige HSVer Bruno Labbadia jetzt als Trainer des VfB Stuttgart bei Toren seiner Mannschaft auf und über den Platz hüpft. Er springt so hoch, als hätte er die Treffer selbst gemacht. Mir fiel dabei auf, dass der „schöne Bruno“ mit der Zeit doch so einige Probleme mit den Haaren bekommt – wie ich übrigens. Seine schwarzen „Loden“ offenbarten bei jedem Sprung eine riesige (so möchte ich es mal bezeichnen) Lücke, die sich von Mitte Hinterkopf bis auf Mitte Kopf hochzieht. Bruno sollte eventuell nicht mehr so hoch springen, oder er sollte doch mal an eine Haar-Transplantation (wie Jürgen „Kloppo“ Klopp) denken. Nur ein ganz kleiner Tipp am Rande von mir.



Nun bin ich am Ende, muss aber noch einmal an Mönchengladbach gegen Bayern denken. Lars Stindl erzielte das 1:0 gegen die Münchner, gegen seinen ehemaligen Torwart und Mitspieler Yann Sommer. Dabei wurde ein Freistoß für die Borussia von rechts flach (und nicht hoch!) zurück an die Strafraumgrenze gespielt, nicht wie sonst üblich hoch auf die Region Elfmeterpunkt. Und der 34-jährige Stindl nimmt diesen flachen Ball direkt. Ich denke mal: Diesen schweren Ball hätten von zehn Spielern neun auf die Tribüne gehauen. Oder auch von 100 Spielern 90. Stindl nimmt und trifft die Kugel perfekt. Sensationell. Ich habe, als ich dieses Tor gesehen und gesehen und gesehen habe – spontan an Bakery Jatta gedacht. Warum weiß ich nicht. Oder vielmehr, ich möchte es nicht verraten. Ihr kommt vielleicht ja auch selber drauf.



In diesem Sinne wünsche ich Euch eine gute und erfolgreiche neue Woche,

bleibt gesund.



Dieter Matz




Dieter Matz - Der Blog

Folge 04/2023

Online seit 13.02.2023 


Fußball-Fans können verzeihen. Meistens jedenfalls. Und HSV-Fans, diejenigen, die mit roter Hose und Rauten-Bettwäsche schlafen, die verzeihen alles – und sofort. Wie nach dem sagenhaften 3:3 in Heidenheim. Da bekam ich Anrufe und Schreiben, in denen von einer kolossalen zweiten Halbzeit geschwärmt wurde, die angeblich – aus Hamburger Sicht – auch überragend gewesen sein soll. Gemach, Leute. Wenn Ihr Euch die zweiten 45 Minuten einmal neutral vor Augen führt, dann werdet Ihr merken, ab wann es „überragend lief“. Heidenheims Trainer Frank Schmidt relativierte später dieses 3:3, indem er völlig richtig feststellte: „3:0 zur Pause geführt, dann vergeben wir bis zur 60. Minute vier Hundertprozentige – wenn es 4:0 steht, ist der Keks gegessen. . .“ Genau so ist es! Was sich der HSV bis zur – ich sage mal ungefähr - 70. Minute in diesem Spitzenspiel abgekniffen, hatte, war eines Aufstiegskandidaten nicht würdig. So sieht‘s aus – um es mal mit Sport1 zu sagen.



Wie ein Hühnerhaufen hat der HSV eine Stunde lang in Heidenheim (50 000 Einwohner!) gespielt. Es war nicht zum Hinsehen! Chaotisch. Die Abwehr, die ohne den an der Hüfte verletzten Jonas David (!) auskommen musste, war praktisch nicht vorhanden. Es wurde auf Sichtweite gedeckt, da gab es kein „Mann gegen Mann“, da gab es null Aggressivität, da verließ sich einer auf den anderen. Unfassbar. Und unfassbar, wie ein solches Spiel mit dieser desolaten Einstellung gewonnen werden sollte. Hinzu kam noch, das David-Ersatz Javi Montero in seinem ersten Start-Einsatz ein absoluter Totalausfall war. Sky rechnete später vor: „Elf Zweikämpfe, zwei gewonnen.“ Für einen Innenverteidiger eine erschütternde Bilanz. Der Spanier ist von Besiktas Istanbul ausgeliehen – und zeigte nicht einmal ansatzweise, dass er einmal erstklassig gespielt hat. Ich bewunderte den Mut von HSV-Trainer Tim Walter, dass er sich diese (total verhunzte) Premiere immerhin noch bis zum Seitenwechsel gönnte, eigentlich wäre Montero schon wesentlich früher „fällig“ gewesen. Aber gut. Ich fragte meinen alten Kumpel Bert Ehm zur Pause: „Warum bietest du dich nicht mal beim HSV an? Das spielst du doch auch mit 76 noch – und bist nicht ganz so teuer. . .“



Walter hätte bis zur Pause auch andere Spieler, wahrscheinlich alle, auswechseln können. Nein, einen nicht: Ludovit Reis. Der Niederländer begann großartig wie zuletzt immer. Doch auch er hatte dann zwischendurch ein längere Phase, in der er sich hatte anstecken lassen, in der ihm kaum etwas gelang. Immerhin zog er sich noch so rechtzeitig wieder aus diesem Tief, so dass er das Spiel seiner Mannschaft wieder etwas ordnen konnte. Ansonsten aber war es dramatisch, welche Fehlleistungen vom HSV vor allem in Durchgang eins produziert wurden. Angefangen bei Daniel Heuer Fernandes, dem mit dem Fuß sehr, sehr viele Dinge diesmal misslangen. Und während die Heidenheimer Abwehrspieler höchst aggressiv an „ihren Männern“ klebten, behielt der HSV seine lockere Leine fleißig bei. Garniert von unzähligen Fehlpässen. Von einem kontrollierten Nachrücken war dazu überhaupt nichts zu sehen. Wie bereits geschrieben: Einer verließ sich auf den Nebenmann, der sollte es richten. Und „der Mann mit der Flasche“, Tim Walter, der während des Spiels immer den „Flaschendreher“ gibt, hatte sich längst – total unüblich für ihn – leise auf die Trainerbank gesetzt – die Verzweiflung war ihm in den Augen abzulesen. Der HSV hat gewiss schon einige schlechte Spiele unter Walters Regie abgeliefert, auch schon in dieser Saison, aber so schlecht wie an diesem Sonnabend in Heidenheim war es (wohl) noch nie!



Dabei hatte es wieder so farbenfroh begonnen – wie in Rostock. Im HSV-Block wurden wieder die Pyros gezündet. Wie schön war das anzusehen. Es gehört eben immer dazu, darauf muss sich vor allem der HSV-Schatzmeister einstellen. Dass Tim Walter wieder mit Ransford-Yeboah Königsdörffer begann, und nicht auf Laszlo Benes oder Sonny Kittel setzte – egal. Watt mutt, dat mutt – sagt der Norddeutsche. Jeder hat eben seinen eigenen Kopf. Und schließlich hatte der HSV in den ersten beiden Punktspielen 2023 ja auch Erfolg – zwei Siege. „Never change a winning team“ hieß es früher im Fußball, und Tim Walter hält sich eben dran. Gut so. Was eventuell in dem Walter-System zu überdenken wäre, ist eine andere Geschichte: Abstöße! Heuer Fernandes legt den Ball auf den Fünfer, spielt ihn nach rechts (Moritz Heyer), oder auch nach links (Sebastian Schonlau) – und schon werden die HSV-Jungs unter Druck gesetzt. Was machen die Herren? Die schieben den Ball lieber zurück zum Torwart, aber auch der wird attackiert. Und dribbelt gelegentlich, meistens aber haut er den Ball mit seinem schwächeren linken Fuß unkontrolliert nach vorne. Den Sinn dieser Übung muss mir mal einer verraten! Besser wäre es doch, wenn Heuer Fernandes den Ball mit seinem besseren rechten Fuß unkontrolliert nach vorne befördern würde, denn dann hätten vor allem die HSV-Fans und jene Fußball-Experten, die es nur gut mit dem HSV meinen, weniger Herzrasen. Aber gut, auch das gehört eben zur Taktik – oder zum System. Hat ja auch Erfolg, der HSV ist Tabellenzweiter und steigt auf – und zwar ganz sicher!



Kurz vor der Pause übrigens hatte sich Tim Walter wieder von der Bank erhoben – und meckerte. Dafür sah er Gelb (41.). Und auch Ludovit Reis hatte eine etwas andere, eine eher kuriose Begegnung mit Schiedsrichter Denis Aytekin – der Deutsch-Türke pfiff dem HSV-Profi einen falschen Einwurf ab. Das gibt es im heutigen Fußball zwar nur noch ganz, ganz selten, aber es gibt es hin und wieder mal. Reis winkte entsetzt ab. So als wolle er sagen: „Bist du do..?“ Ist Aytekin aber nicht. Vielleicht sollte ein jeder Profi-Verein kurz vor Beginn einer jeden Saison schnell noch einmal eine kleine Regelkunde durchziehen, dann hätte Reis wahrscheinlich, wenn er genau hingehört und hingesehen hätte, festgestellt: Einen Einwurf führt man von außerhalb des Spielfeldes aus. „Mann“ steht nicht im Feld, „Mann“ steht auch nicht auf der Linie, „Mann“ steht dahinter! Und mein spezieller Rat: Egal wo auch immer der Ball ins Seitenaus geflogen ist, gehe ruhig 20 bis 30 Meter vor und werfe dann (von außerhalb des Spielfeldes!) – das pfeift nämlich heutzutage kein Schiedsrichter mehr ab! Klingt kurios, ist aber leider Tatsache. Die „Herren Schwarzkittel“ geben sich mit einer solchen Petitesse nicht mehr ab. Die habe genug andere Dinge zu regeln. . .



Zur zweiten Halbzeit brachte Walter dann Spielkultur in die eigenen Reihen: Kittel und Benes! Jawollo! Und er stellte auf ein 3:2:4:1-System um. Ein Kunstgriff! Darauf konnte Heidenheim nicht reagieren, vielleicht haben sie es auch nicht rechtzeitig genug bemerkt. Und als später beim HSV auch Königsdörffer und Jonas Meffert „erlöst“ wurden, für die Noah Katterbach und Andras Nemeth kamen (65.), da lief das Ding. Es lief so, wie wahrscheinlich vorher auch geplant. 1:3 durch ein Kopfballtor von Nemeth (73.), wobei die Vorarbeit durch Reis (der Pass) und von Benes (die Flanke) besonders sehens- und erwähnenswert waren. So spielt man Fußball. Als Robert Glatzel, dem außer einem Pfostenschuss gleich zu Beginn der Partie bis dahin nicht viel gelungen war, ein sehr, sehr schönes Tor aus 16 Metern erzielte (80.), da glaubten wieder viele Hamburger an einen Sieg – oder zumindest einen Auswärtspunkt. Und den schoss dann Bakery Jatta, dem vorher auch kaum etwas gelungen war, mit einem Traumtor das Unentschieden heraus (89.).

Mit links! Den linken Fuß hat Jatta eigentlich nur, damit er nicht umkippt, aber diesmal haute der das Ding sensationell in den Giebel! Vorher hatte er reihenweise schlecht abgespielt oder auch nur auf die Tribünen in Heidenheim geflankt. Auch hier bewies Tim Walter Mut, indem er „Jattatata“ bis zuletzt drin ließ. Immerhin, das will ich nicht verschweigen, arbeitet der gute Bakery längst sehr, sehr emsig und agil mit nach hinten, und dabei lässt er bestimmt auch einige Körner (mehr) aus seinem Körper heraus, die ihm dann vorne bei einer guten und kontrollierten Aktion (eben auch Flanken) fehlen. Es hat eben immer auch zwei Seiten.


Davon kann auch der FC St. Pauli ein Lied singen. Oder vielmehr die Fans der Braunen. Die hatten ja nach der Entlassung von Trainer Timo Schultz lange und heftig protestiert. Ich gehörte dazu, will ich nicht verhehlen. Doch der Neue, Fabian Hürzeler, der scheint (im Moment) die richtige Ader getroffen zu haben, er scheint auf dem richtigen Weg zu sein, denn er hat Erfolg. Drei Siege in diesem Jahr, dreimal zu Null, besser geht es nicht. Und Hürzeler bekommt nicht nur viel Lob von allen Seiten (auch von seinen Spielern!), er wirkt nach diesem „Dreimal-Dreier“immer noch irgendwie schüchtern und zurückhaltend, ein Lautsprecher ist er jedenfalls nicht. Mir gefällt diese Art, ich hoffe, das bleibt so – er bleibt so. Wichtig ist in erster Linie der Verein, und der steht zwar immer noch auf Rang neun (wie in der Vorwoche), aber es sieht natürlich schon um einiges besser aus. Wobei sich jeder leicht ausrechnen kann, wie lebensnotwendig diese Siege waren. Hätte es sie nicht gegeben, wäre jetzt aber schwer „Alarm im Hafen“.



Der 1:0-Sieg gegen den auswärts bis dahin noch ungeschlagenen Aufsteiger 1. FC Kaiserslautern war schwer erkämpft, aber auch absolut verdient. In Halbzeit eins waren die Spielanteile für mich bei 60:40, und im zweiten Durchgang legte St. Pauli immer und stetig zu. Das sah wirklich sehr, sehr gut aus. Nach wie vor steht die Defensive hervorragend, und sie hat mit Eric Smith und Jakov Medic zwei großartige und im wahrsten Sinne des Wortes überragende Säulen.



Diesmal fiel auch kaum auf, dass Marcel Hartel nicht seinen allerbesten Tag erwischt hatte – irgendwie wurde sich in den wenigen prekären Szenen, die die Pfälzer vor dem St.-Pauli-Tor dann doch gelegentlich hatten, immer geholfen, das war wirklich super anzusehen.




Torchancen blieben im ersten Spielabschnitt Mangelware, erst kurz vor dem Seitenwechsel hätte Hartel eigentlich das 1:0 für St. Pauli per Kopfball erzielen müssen, kurz darauf schlitterte ein wahrscheinlich als Hereingabe gedachter Ball von Jackson Irvine knapp am langen Pfosten vorbei ins Aus. Dagegen hatte Torwart Nikola Vasilj nur eine Parade abzuliefern, als er einen Schuss von Aaron Opoku (HSV-Leihgabe), der wahrscheinlich knapp am Tor vorbeigeflogen wäre, mit einer Flugeinlage parierte. Mehr war aber in den ersten 45 Minuten auch nicht.




Gegen Kaiserslautern ist aber auch schwer zu spielen, die Mannschaft von Trainer Dirk Schuster spielt irgendwie ein wenig „eklig“ Fußball. Vergleichbar in Liga zwei mit Darmstadt 98, und in Liga eins mit Union Berlin. Da wird messerscharf gedeckt, es wird getreten, geschubst, gebissen (?) und attackiert, wenn das nicht hilft auch verbal von der Seite angegriffen. Meistens läuft das nach den Regeln korrekt ab, aber eben auch nicht immer. Und wenn es dann doch einen Pfiff gegen Lautern gibt, dann herrscht die nackte Entrüstung auf der Bank der Pfälzer, dann wird gemeckert, gepöbelt und geflucht, dass es knallt. Dazu gibt es Blicke, die bei dem, der sie aufnimmt, oftmals sogar tödlich enden könnten! Da fliegen schon mehr als nur Giftpfeile durch die Luft! Unangenehm, sehr unangenehm. Schon für mich als Fernsehzuschauer schwer zu ertragen – obwohl, das muss ich leise weinend gestehen, ich als kleines B-Lizenz-Trainerchen ähnlich wie Schuster und seine FCK-Kollegen war. Aber jetzt ist es, das ist nun einmal so, nur schwer auszuhalten, so etwas zu sehen. Immerhin, und dafür ziehe ich meinen Hut vor Schuster, gab er nach dem Spiel völlig unaufgeregt und sehr, sehr fair zu: „Ich kann nur sagen, dass wir nicht unverdient verloren haben.“ Und Torwart Andreas Luthe befand: „Durch den Trainerwechsel hat St. Pauli eine neue Spielidee bekommen, das haben die super gemacht.“

Ende gut, alles gut. Muss man anerkennen, wenn es solche fairen Aussagen gibt.



Glück hatte Kaiserslautern nämlich in der Anfangsphase, als der bereits gelb-verwarnte Nicolai Rapp nach einem weiteren bösen Tritt nicht noch einmal Gelb sah – Schiedsrichter Martin Petersen, der eine gute Partie zeigte, ließ in dieser Szene Gnade vor Recht ergehen. Bis auf die Schlussphase (nach dem 1:0) taten die Lauterer, für die Torjäger Terrence Boyd Sekunden nach dem Rückstand eine sehr, sehr gute Volley-Chance vergab, aber einen Tick zu wenig für dieses Spiel. Nach dem Rückstand ging es plötzlich, aber da war es dann zu spät. . . St. Pauli hatte lange Zeit alles super im Griff, und dann dieses Sieg-Tor! Wie aus dem Lehrbuch. Eric Smith bediente den rechts startenden Connor Metcalfe mit einem sensationellen „No-look-Pass“, und der Australier traf mit einem prächtigen Linksschuss flach in die lange Ecke. Traumhaft! Dieses Tor allein war das Eintrittsgeld wert.



Kurz noch zur St.-Pauli-Trainerbank. Da möchte ich nicht nur Fabian Hürzeler lobend erwähnen, sondern auch Co-Trainer Peter Nemeth (50). Ich habe vom Bildschirm aus das Gefühl, dass der einen Super-Job macht, dass er mit all seiner Erfahrung seinem „Chef“ und auch allen Spielern sehr gut tut. Um noch einmal auf Timo Schultz zurückzukommen: Ein solch „alter Hase“ (wie Nemeth) hat ihm meiner Meinung nach zu seinem Glück gefehlt.



Bei St. Pauli gefielen mir diesmal alle eingesetzten Spieler. Okay, Hartel war nicht so gut wie sonst, aber er war immerhin noch so gut, dass er niemals abfiel. Neuzugang Karol Mets hinten links ist offenbar (ich kannte ihn vorher nicht) ein sehr „harter Hund“, er ging wie alle Lauterer recht kräftig (um es locker zu umschreiben) zur Sache – ich hoffe für ihn und seine Mannschaft, dass er sich diesbezüglich im Griff hat und dann etwas weniger macht, wenn es ein muss (nach gelber Karte zum Beispiel). Manolis Saliakas ist rechts hinten ein ganz ähnlicher „Kandidat“, aber er scheint auf jeden Fall zu wissen, wann er sich zurücknehmen muss. Der Grieche passt immer besser in diese Mannschaft. Im Mittelfeld gefiel mir diesmal Jackson Irvine sehr gut, was besonders auffällig ist bei ihm: seine Kopfballstärke. Der Australier verliert in der Luft kaum ein Duell, weil er auch immer wieder enorm mutig zur Sache springt! Auch vorne hat St. Pauli Antworten auf die vielen Fragen, die es in der Hinserie gab, gefunden. Metcalfe ist vorne ein Belebung. Winter-Zugang Oladapo Afoyalan ist für mich schon jetzt immer gesetzt, er spielt gelegentlich ein wenig unorthodox, aber meistens wirkungsvoll. Und wenn seine Mitspieler demnächst mehr und mehr erkennen, dass Afoyalan ein großartiger Sprinter und bereit ist, steil zu gehen, dann wird die St.-Pauli-Offensive noch besser. Gut gefallen hat mit auch Lukas Daschner, weil er geschickt mit dem Ball umgehen kann, ihn auch gut halten und dann auch verteilen kann – gegen die Lauterer Riesen hatte er es schwer, aber er brachte sich dennoch gut ein. Es geht aufwärts mit ihm. Wie mit dem gesamten FC St. Pauli!



Zwei Dinge noch vom „großen Fußball“:


In der Woche gab es ja den Pokal, und wer dabei Frankfurt gegen Darmstadt (4:2) sowie Bochum gegen Dortmund (1:2) gesehen hat, der wird festgestellt haben: Das waren zwei äußerst sehenswerte Spiele. Kompliment an alle, vor allem aber auch an die Außenseiter. Dicke Komplimente sogar! Das hat sich für die übertragenden Fernsehsender gelohnt, das waren Werbe-Spiele für den Pokal und den Fußball. Denkt doch bitte einmal daran, wie oft in den vergangenen Jahren Pokalspiele von den Favoriten einfach und leichten Herzens abgeschenkt wurden, weil die Bundesliga vorging. Nein, offenbar hat sich jetzt in dieser Disziplin ein anderes Denken durchgesetzt - ich hoffe nur, dass das so bleiben wird.



Und dann noch kurz zu Leipzig gegen Union Berlin (1:2). Da schossen die Vertreter des Brause-Unternehmens das 2:2 – und das galt nicht. Weil vorher der Berliner Aissa Laidouni den Ball mit der Hacke nicht „richtig“ getroffen haben soll. Da wäre ich als Trainer draußen geplatzt, wahrscheinlich wäre ich sogar auf den Rasen gerast und wäre dem Schiedsrichter Daniel Schlager an die Gurgel gesprungen. Das ist doch lächerlich. Da spielt einer bewusst mit der Hacke, es geht schief, der im Abseits stehende Gegner (Timo Werner) kommt an den Ball, es fällt ein Tor, das 2:2 – und dann denkste! Unfassbar für mich.



RB-Trainer Marco Rose war natürlich total sauer, und ich bin immer noch auf seiner Seite. Total. Rose sagte nach dem Spiel: „Das muss mir mal einer erklären: Da kommt der Ball und der Berliner will den Ball kontrolliert mit der Hacke spielen. Das ist für mich kontrolliert. Eindeutig. Aber der Kölner Keller sieht das wieder einmal anders. . . Ich verstehe es nicht, ich kann es nicht verstehen, einfach nicht verstehen."

Mir geht es genau so, Herr Rose. Irgendwie haben die Jungs in Köln (und nicht nur die!) nie richtig Fußball gespielt, sonst könnte es doch solche Entscheidungen nicht geben. Deswegen gehören auch ehemalige Fußball-Profis mit in diesen Keller, damit, ich nenne sie bewusst so, die Ahnungslosen bei solchen Fällen aufgeklärt werden.


Wobei ich eines auch sagen (und schreiben) muss. Timo Werner könnte – wie diesmal sein Trainer – auch immer sagen: „Ich verstehe es nicht.“ Denn: Wenn der frühere Torjäger gefragt werden würde, was Abseits ist, könnte er genau das antworten: „Ich verstehe es nicht!“ Werner ist für mich der Abseits-König der Bundesliga. Und irgendwie bin ich auch überzeugt, er weiß nicht so ganz genau, was Abseits ist. Er läuft ständig rein. . . Nebenei auch bei der Nationalmannschaft. Keiner da, der ihm das mal erklärt – wie es besser geht.



Zum Schluss noch zu Bruno Labbadia, jetzt VfB-Stuttgart-Coach. Der Kölner Keller mache den Fußball kaputt und „enteiere" die Schiedsrichter. ER sagte es deshalb, weil sein VfB in Freiburg mit 1:2 verloren hatte – beide Freiburger Treffer fielen per Elfmeter. Beide Male hatte Schiedsrichter Sascha Stegemann keinen Strafstoß erkannt, aber der Kölner Keller (in diesem Fall Sören Storks). Beide Male wurde total berechtigt auf Elfmeter entschieden, doch das störte (natürlich) Labbadia, denn der Schiedsrichter hatte ja bewusst weiterspielen lassen. Das aber ist doch genau das, was der VAR erkennen soll. Erkennt er es nicht, heißt es hinterher in allen Fernsehkanälen: Das waren doch klare Strafstöße, wieso erkennen es die in Köln nicht?



Irgendwie ist alles wie immer – trotz des Kellers in Köln, Gemosert wird immer noch. Und das wird auch immer so bleiben.



In diesem Sinne,

eine schöne und erfolgreiche neue Woche für Euch, bleibt gesund!



Dieter Matz




Dieter Matz - Der Blog

Folge 03/2023

Online seit 06.02.2023 


Bei Sky diskutieren sie immer noch. Ganz sicher. Vielleicht holt da jemand am Mittwoch oder Donnerstag mal einen Eimer Wasser, um sie zu trennen. . . Yannick Erkenbrecher und Torsten Mattuschka, die Zweitliga-Experten, nahmen das Tor zum 2:0 des FC St. Pauli gegen Hannover 96 in der Halbzeitpause auseinander, und nach dem Spielschluss ging es selbstverständlich weiter. Abseits? Oder doch kein Abseits? Connor Metcalfe hatte dieses wunderschöne Tor in der 27. Minute erzielt – ein „Tor des Monats“. Aus dem Stand aus halbrechter Position bildschön mit dem linken Fuß in den hinteren Torwinkel, da passte alles, selbst die herrliche (und vergebliche) Flugeinlage von 96-Keeper Ron-Robert Zieler. Eine Minute und 55 Sekunden wurde im Kölner Keller geprüft, geprüft und geprüft. Auch bei Sky zogen die Experten eine Linie. Nicht die oft zitierte kalibrierte Linie, aber immerhin eine Linie. Schließlich wurde in Köln und am Millerntor von Schiedsrichter Timo Gerach auf Tor entschieden, und das war in meinen Augen auch absolut richtig, denn für mich war das „gleiche Höhe“. Connor Metcalfe und Hannovers Phil Neumann standen, so sah und sehe ich das immer noch, auf einer Höhe. Und mal ehrlich: Wo kommen wir denn hin, dass im Fußball nun schon Millimeter (oder noch weniger!) entscheiden, ob Tor oder Nicht-Tor!?


Dass „Tusche“ Mattuschka weit nach Spielende zu dem Schluss kam, dass das ein Abseitstor war, das war nur eine Augenblicks-Entscheidung. Wahrscheinlich diskutieren die Sky-Herren immer noch. Bis Mittwoch oder Donnerstag. Obwohl das Spiel ja genau mit diesem 2:0-Resultat endete. Aber wenn man sonst nichts zu grübeln hat, dann nimmt „Mann“ eben ein solches Tor zum Anlass, doch noch etwas draus zu machen. Dass die Hannoveraner noch lange nach Spielschluss mit diesem (vorentscheidenden?) Treffer haderten, oder auch meckerten, ist irgendwie verständlich und gehört mittlerweile (oder doch schon etwas länger?) zum Profi-Fußball dazu.


Der St.-Pauli-Sieg, übrigens der erste Heimsieg über 96 seit dem 10. April 1994, war aber, um das festzuhalten, eindeutig verdient. Die Braunen sind dadurch auf Platz neun gestiegen, haben in diesem Jahr nunmehr zwei Siege (von zwei Spielen) eingefahren, haben dabei auch zweimal zu Null gespielt – es geht eindeutig bergauf. Für mich hat St. Pauli gegen die Niedersachsen eine ganz souveräne und phasenweise starke Partie gezeigt, ich habe den Eindruck, dass nun etwas mehr mit Kopf gespielt wird. Es wird viel stabiler und besser verteidigt, und es geht oft schnell und schnörkellos nach vorne – und wenn es angebracht ist, wird auch der Ball clever gehalten. Irgendwie kommt mir die Mannschaft nun etwas „reifer“ vor, obwohl das ja eigentlich gar nicht angehen kann. Mir aber gefällt dieses „neue“ St.-Pauli-Spiel richtig gut, und ich denke, dass es nicht bis zum Sommer dauert, bis man sich aus der Abstiegszone entfernt hat – diese Millerntor-Mannschaft wird sich viel eher retten, davon bin ich total überzeugt.


Zu den Personalien: Vergangene Woche habe ich mich über Lukas Daschner sehr kritisch ausgelassen – für mich in und gegen Nürnberg der schlechteste St-Pauli-Spieler. Diesmal muss ich sagen: Daschner hat wohl das Spiel seines Lebens gemacht. Kaum einen Fehler, technisch sehr, sehr versiert und stark, gute Ideen, Ball klug gehalten, auch klug verteilt, ein Tor geschossen und dazu noch fast das 3:0 geköpft – das war eine ganz starke Partie. Ansonsten haben mir die Hünen in der Defensive gefallen. Eric Smith und Jakov Medic (hatte viel Glück, dass er in der Anfangsphase nicht gleich einen Foulelfmeter verursachte!) werden auch in Zukunft, so sie denn gesund bleiben, schön aufräumen da hinten - mit ihnen hat St. Pauli ein großartiges Abwehr-Duo. Zudem habe ich das Gefühl, dass Manolis Saliakas immer mehr zu einer tragenden Säule wird. Der Mann macht auch kaum noch einen Fehler – Kompliment. In der Mitte des St.-Pauli-Spiels ergänzen sich Jackson Irvine und Marcel Hartel längst richtig ideal, und ganz vorne zeigte Oladapo Afoyalan - wie schon in Nürnberg - gute Ansätze. Er kann aber sicher noch mehr, davon bin ich überzeugt, im Moment habe ich den Eindruck, dass er noch kräftemäßig und in Sachen Zweitliga-Tempo zulegen muss, es gab doch noch einige Kunstpausen (zu viel) bei ihm. Aber das wird Neu-Trainer Fabian Hürzeler auch noch hinbekommen. . .


Zum HSV. Für „Tusche“ Mattuschka „Aufstiegsfavorit Nummer eins“! Das unterstrich die Mannschaft von Trainer Tim Walter in Rostock mehr oder weniger eindrucksvoll. Der 2:0-Sieg fiel für mich eher ein wenig zu niedrig aus, obwohl es zwischendurch auch Phasen gab, wo wieder einmal kurz gezittert oder gebangt werden durfte. Nur zwei HSV-Tore gab es vielleicht auch deshalb, weil Torjäger Robert Glatzel diesmal ein wenig blasser als sonst blieb. Aber insgesamt muss man mit dem HSV-Spiel an der Ostsee absolut zufrieden sein, denn in Rostock so über die Runden zu kommen, ist absolut kein leichtes Unterfangen. Da muss man schon sehr hoch springen können, um nicht getroffen zu werden – Bakery Jatta konnte das mit dem „Hochspringen“ nicht immer. Als er zum x-ten Male (für mich total brutal) umgesenst worden war, nämlich in dieser Szene von Rostocks Damian Roßbach, hätte der Übeltäter in dieser 80. Minute eigentlich glatt Rot sehen müssen, aber Schiedsrichter Tobias Welz hielt ihm nur (zum zweiten Mal an diesem Tag) Gelb unter die Nase. Rot hätte es eigentlich schon allein für die schauspielerische Leistung geben müssen, denn Roßbach hielt sich nach seinem üblen Tritt am Boden liegend und sich emsig wälzend sekundenlang den Kopf – dabei hatte das Haupt des Kickers gar keine Berührung erlitten! Aber auch das Schauspielern gehört ja schon ewig zum (Profi-)Fußball dazu. Leider.


Der HSV bot in Rostock in der Abwehr eine konzentrierte Leistung, stand kompakt und größtenteils sicher. Auch Jonas David, sonst mein Unsicherheits-Kandidat Nummer eins in der HSV-Defensive, riss sich diesmal von Beginn an zusammen – und hatte nur einen kleinen Aussetzer, als der ehemalige St.-Pauli-Stürmer John Verhoek das in der zweiten Halbzeit vermeintliche 1:1 erzielt hatte. Das Tor wurde aber nicht anerkannt, weil der Schütze zuvor meilenweit im Abseits gestanden hatte. Etwas bedenklich: Schon zuvor hatte Hansa getroffen, aber auch das war lediglich ein Abseitstor. Mehr Glück hatte der HSV, nämlich bei seinem Führungstor in der 40. Minute. Das 0:1 hatte der frühere HSV-Profi Rick van Drongelen unfreiwillig vorgelegt – und zwar gleich zweimal. Die Kugel prallte zwischen Fünfmeterraum und Elfmeterpunkt wie beim Billard hin und her, bevor Mittelfeld-Renner Ludovit Reis zum zweiten Mal in diesem Jahr ein Zweitliga-Tor erzielen konnte. Wieder mit links! Zugabe!


In der Schlussphase dieser Partie vergab Glatzel zwei gute (oder sogar sehr gute) Chancen, und Jean-Luc Dompe hatte Pech mit einem Lattenschuss aus sieben Meter Entfernung. Dann aber die Entscheidung in der Nachspielzeit: Miro Muheim drosch den Ball von hinten links in die Rostocker Hälfte, Glatzel nahm die Kugel an und bediente den eingewechselten Lazlo Benes, damit liefen drei Hamburger auf zwei Rostocker zu – Benes bediente den mitgelaufenen (Neuzugang) Andras Nemeth, und der 20-jährige Ungar (geboren in Kapstadt, Südafrika) schob den Ball eiskalt, sicher und gekonnt ins Hansa-Gehäuse. Sein erstes Bundesliga-Tor für den HSV! Glückwunsch!




Beim HSV gefielen mir vor allem (und erneut) Dompe, Reis und Jonas Meffert. Bemerkenswert bei der Partie in Rostock, und das spricht, ich schreibe und sage das voller Überzeugung und Ehrlichkeit, für Trainer Walter und seine Arbeit: Auf der Ersatzbank saß diesmal auch das HSV-Eigengewächs Nicola-Bernd Oliveira Kisilowski. Der 19-jährige Abwehrspieler ist aktueller deutscher U19-Nationalspieler und steht (eventuell oder wahrscheinlich) vor einer guten sportlichen Zukunft. Ich wünsche ihm viel Glück.

Von den diesjährigen drei Hamburger Winter-Neuzugängen wurde nur Javi Montero nicht eingewechselt, Noah Katterbach durfte immerhin in der 92. Minute noch auf den Rasen, als er für Dompe und so noch in den Genuss der Siegprämie kam. Ein kleiner Blick noch auf die Hansa-Mannschaft: Rick van Drongelen bot für mich eine schwache Leistung, hatte sogar ungefähr 20 Minuten vor Schluss Wadenkrämpfe. Aus dem einstigen niederländischen Talent ist nicht viel geworden, die Zweite Liga dürfte seine Endstation sein.



Mein Fazit nach diesem Wochenende: Die beiden Hamburger Spitzen-Vereine sind auf einem sehr guten Weg, es geht mit beiden eindeutig bergauf, der HSV steigt auf und der FC St. Pauli hält die Klasse – die Fans beider Lager dürfen sich auf den Rest der Saison freuen. St. Pauli erwartet am Sonntag den prächtigen Aufsteiger 1. FC Kaiserslautern, der HSV muss zum zweiten Mal in Folge auswärts ran – in Heidenheim. Unangenehm, aber trotz allem machbar – denn Eintracht Braunschweig bezwang an diesem Wochenende Heidenheim mit 2:0.



So, zum Schluss noch kurz über den Tellerrand (und auch mal in Liga eins) geblickt. Die Bayern sind wieder da – aber wer hätte auch etwas anderes gedacht? In Wolfsburg ein 4:2-Sieg, obwohl Joshua Kimmich in der 54. Minute mit der Ampelkarte vom Platz gestellt worden war. Irgendwie war ich vorher von einem Sieg des Rekordmeisters überzeugt, hatte doch VfL-Coach Niko Kovac eine Maßvorlage für diesen Erfolg serviert. Vor dem Pokalspiel in der Woche bei Union Berlin hatte Kovac den Medien mitgeteilt, dass „zurzeit in der Hauptstadt schlechter zu gewinnen sei, als in München“. So motiviert man den Gegner. Ich bin ein absoluter Kovac-Fan und -Anhänger, aber diese Aussage war wahrlich nicht besonders klug, denn so etwas nimmt jeder gegnerische Trainer nur zu gern auf – er muss seinen Spielern nicht mehr viel sagen, um sie heiß zu machen. . . Dennoch muss auch festgehalten werden: Wolfsburg hat in diesem Spiel nur die Anfangsphase total verschlafen, fand dann aber immer besser ins Spiel, befand sich sogar phasenweise auf Augenhöhe mit dem Rekordmeister. Das vermeintliche 3:4 kurz vor dem Ende wurde von Schiedsrichter Harm Osmers und dem Kölner Keller annulliert, weil es zuvor ein Offensivfoul an Bayerns Leon Goretzka gegeben haben soll. Sonst wäre es wahrscheinlich noch ein bisschen spannender geworden.



Hart war „das Ding“, was sich der Neu-Schalker Eder Balanta beim 0:0 in Mönchengladbach leistete. Der Kolumbianer schlug bei einem Konter der Borussia den sprintenden Jonas Hofmann mit dem Ellenbogen an den Hals (oder an den Kopf). Das wäre in meinen Augen Rot gewesen, aber Schiedsrichter Deniz Aytekin zeigte nur Gelb. Für mich unverständlich. Obwohl S04-Coach Thomas Reis später Bemerkenswertes von sich gab: „Da sollte man die Kirche schon im Dorf lassen, es gibt sicher auch Szenen aus diesem Spiel, wo die Gladbacher nur Gelb sahen, statt Rot. Das ist Abstiegskampf!“



Die TSG Hoffenheim verlor in Bochum 2:5 und war damit noch gut, sehr gut bedient. Mir tut Trainer Andre Breitenreiter leid, der so gut in Sinsheim (!) begonnen hatte – und nun seine sieben Sachen packen musste. Trainer-Schicksal. Er hat ganz sicher damit gerechnet – so wie er nach der Pleite in Bochum in die Mikrofone sprach. . . Aber man muss ehrlich sagen: So, wie Hoffenheim derzeit spielt und auftritt, so spielt ein Absteiger! Wobei ich die TSG-Verantwortlichen in der Winterpause wirklich nicht verstanden habe. Sie holten zwei „Auslaufmodelle“, die sich schon in der Bundesliga versucht hatten. Besonders bei John Antony Brooks (29) habe ich heftigst den Kopf geschüttelt. Der glatzköpfige Abwehrmann, der früher bei Hertha BSC und Wolfsburg spielte, kam im Januar von Benfica Lissabon – und läuft nun, ich will es mal sanft umschreiben, wie Falschgeld über den Rasen. Für mich ist eine solche Verpflichtung pure Verzweiflung! Und dafür mache ich nicht nur Breitenreiter, sondern auch den einst so heftig gelobten Manager Alexander Rosen verantwortlich – eine solche Verpflichtung geht wirklich ganz und gar nicht! Und dazu holten die Hoffenheimer noch den früheren Werderaner (und Dortmunder) Thomas Delaney vom FC Sevilla. Der 31-jährige Profi sucht ebenfalls noch nach Form – und Anschluss an die Teamkollegen, die sämtlich schwächeln. Breitenreiter hatte nach der Niederlage noch süffisant festgestellt: „Der VfL Bochum hat mit elf Männern gespielt. . .“



Noch einmal zurück in Liga zwei: Bei Paderborn gegen Düsseldorf (4:1) gab es zwei Strafstöße. Zwei Foulelfmeter. Dass sowohl Schiedsrichter (Tobias Reichel) und der Kölner Keller beim ersten Strafstoß nicht sahen, dass der Paderborner Abwehrspieler vor dem Kontakt mit dem Fortunen den Ball hauchdünn mit den Stollen zur Ecke spitzelte, ist für mich inzwischen total normal. Prost Leute! Dass aber sowohl der Sky-Reporter als auch später, am Abend, der Mann der ARD dies nicht sahen, ist wirklich bitter. Ganz, ganz bitter.



Und noch etwas ganz Allgemeines zum Fußball – was mich zuletzt immer mehr aufregte: Falsche Einwürfe sieht jeder Fan inzwischen bei jedem Spiel, egal in welcher Klasse, reichlich. Es ist wohl aus der Mode gekommen, falschen Einwurf noch zu pfeifen. Ich halte das aber für völlig falsch. Viele Spieler laufen und laufen und laufen – und werfen dann. Beim Einwurf aber soll eigentlich stehengeblieben werden. Mit kräftigem Anlauf lässt es sich natürlich weiter einwerfen – Vorteil also für diejenigen, die falsch werfen. Und auch dann gibt es einen Vorteil, wenn man mit Anlauf und nur auf einem Bein stehend wirft. Auch dann wirft man weiter. Natürlich. Aber das wird ebenso oft übersehen – oder einfach nur als fußballerisches Kavaliersdelikt angesehen. . .

Was wäre wohl, wenn es statt Einwurf einen Einschuss geben würde? Das wäre Fußball mit dem Fuß – und würde oftmals viel mehr Torgefahr hervorrufen. Und das wäre dann doch sicherlich im Sinne der Fußball-Fans!



In diesem Sinne wünsche ich Euch eine schöne und erfolgreiche neue Woche,

bleibt gesund.


Dieter Matz





Dieter Matz - Der Blog

Folge 02/2023

Online seit 30.01.2023 


Was für ein großartiger Start für unsere Hamburger! Der HSV schafft ein 4:2 gegen Abstiegskandidat Braunschweig, und der FC St. Pauli siegt erstmals seit fast einem Jahr auswärts beim 1. FC Nürnberg 1:0 – traumhaft. Die Braunen springen auf Platz zehn, das sieht schon mal sehr gut aus, aber es täuscht darüber hinweg, dass es weiter nur gegen den Abstieg geht. St. Pauli hat nur zwei Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz – dieser Dreier war also irgendwie schon überlebensnotwendig. Wie schön, dass es damit geklappt hat. Die tollen Ergebnisse gegen Erstliga-Vertreter in der Vorbereitung aber ließen ja auch darauf schließen, dass ein Sieg an der Noris durchaus möglich ist, trotz der vorher so verheerenden Auswärtsbilanz. So kann und so darf es dann auch ruhig weitergehen mit St. Pauli – Siege, Siege, Siege. Wäre doch wirklich schade, wenn am Millerntor von August an nur noch Drittliga-Fußball über die Bühne gehen würde. Was die harten HSV-Fans sicher nicht ganz so schlecht fänden, ist schon klar, aber so dürfen und sollten die neutralen Fußball-Fans nun wirklich nicht denken. Es geht doch auch um Hamburg. . .



In Halbzeit eins hatte der FC St. Pauli in Nürnberg noch das Glück an seiner Seite. Daferner, der ehemalige HSV-Profi Gyamerah und Tempelmann vergaben für den Club in meinen Augen drei Hundertprozentige. In Halbzeit zwei aber ließ St. Pauli dann lange Zeit kaum etwas zu, dann steigerte sich die Mannschaft, die Neu-Trainer Fabian Hürzeler auf den Rasen geschickt hatte, von Minute zu Minute. Das trotz der Tatsache, dass mit Eric Smith kurzfristig der in meinen Augen zuletzt beste (Abwehr-)Mann wegen Erkrankung ausgefallen war. Aber allein deswegen ist der Sieg umso höher zu bewerten, denn Smith hatte im Herbst (als Ersatzmann für den verletzten Jakov Medic) den „Laden hinten“ überaus stark zusammengehalten. Wenn das in Zukunft ein schlagkräftiges Duo geben würde, mit Smith und Medic, dann hätte St. Pauli in meinen Augen ein hervorragendes Abwehr-Bollwerk – vielleicht eines der besten in der Zweiten Liga. Zwei Riesen, die sich (nicht nur) durch ein starkes Kopfballspiel auszeichnen. Immerhin konnte Medic damit schon im Frankenland glänzen, als er in der 33. Minute das Siegtor – nach prächtiger Rechts-Flanke (!) von Leart Paqarada – köpfte.



Im zweiten Durchgang stabilisierte sich vor allem die Abwehr. Bei Manolis Saliaks hatte ich zu Beginn arge Bedenken, ob er dieses Spiel bis zum Schlusspfiff als Feldspieler überstehen würde, denn er legte sich früh mit (dem leicht extravaganten) Schiedsrichter Alexander Sather an und holte sich gleich mal die Gelbe Karte ab. Es spricht für Verteidiger und Schiedsrichter (der insgesamt sehr gut leitete!), dass es nicht doch noch Rot gab! Der zur Pause für den gezerrten Adam Dzwigala eingewechselte Marcel Beifus schien mir zu Beginn seines Einsatzes ein wenig unkonzentriert und leichtsinnig, steigerte sich aber – wie das (fast) gesamte Team – stetig. Das „fast“ bezog sich auf einen Mann, der mich an diesem Sonntag „fast“ zur Verzweiflung brachte: Lukas Daschner! Dass Hürzeler diesen „Kandidaten“ bis zur 90. Minute durchspielen ließ, ist für mich immer noch völlig unverständlich. Völlig. Und ich hoffe, dass sich der 29-jährige Trainer das Spiel von Daschner noch einmal volle 90 Minuten ansieht, dabei gute und schlechte Aktionen schriftlich festhält, dann zusammenzählt und zu dem Schluss kommt: „SO GEHT ES NICHT!“



Das wäre schon mal der erste Schritt zu einer weiteren Verbesserung. Schlechter als Daschner könnten Carlo Boukhalfa, Johannes Eggestein (obwohl – da habe ich doch leichte Zweifel) oder der nicht im Kader befindliche Elias Saad gewiss nicht sein. Hoffentlich, ja, wirklich hoffentlich sieht sich Hürzeler diesen Daschner-Auftritt noch einmal ganz genau an. Zumal es ja auch für die Offensive zwei Spieler gab, die der Coach in der zweiten Halbzeit einwechselte: Oladapo Afoyalan und Roque Junior Maurides rissen zwar noch keine Bäume aus, aber sie zeigten immerhin Ansätze, die vielversprechend aussahen. Besonders der „schnelle Hirsch“ Afoyalan könnte für St. Pauli noch ganz wichtig werden. Das hoffe ich jedenfalls. Für die Braunen. Die am Sonntag am Millerntor im Nordderby auf Hannover 96 treffen. Unbequem, aber durchaus machbar.



Kurz noch die St.-Pauli-Spieler, die mich in Nürnberg am meisten überzeugten: Marcel Hartel, unauffällig, aber wie immer unglaublich wertvoll, der fehlerfreie Torwart Nikola Vasilj (übertrieb gelegentlich das Zeitspiel!), der oft als Turm in der Schlacht fungierende Jakov Medic und der (im Sommer zum 1. FC Köln abwandernde) auch immer wieder offensive Abwehrmann Leart Paqarada, an dem sich vor allem die jungen Nebenleute „anlehnen“ konnten.



Zum HSV. Die Rothosen begannen gegen Eintracht Braunschweig wie der kommende Aufsteiger. Nach Sekunden eine traumhafte Flanke von Miro Muheim, die Robert Glatzel super zum 1:0 verwertete. Nach dem 2:0 von Moritz Heyer schien ein Kantersieg möglich, aber nach dem Anschlusstor von Kaufmann, der ein Tor des Monats schoss, begann doch wieder eine kurze und für viele völlig unnötige Zitterei. Braunschweigs Endo hatte noch vor der Pause das 2:2 auf dem Fuß. . . Nach dem Seitenwechsel gab es wieder einen HSV-Blitzstart. Wieder war es „Bobby“ Glatzel. Aber, um das einmal klar festzuhalten: Bei Braunschweig stand ein „ganz alter Mann“ im Tor, der bei den Toren zwei und drei wie ein Sack zu Boden fiel. Mit einem Torwart zwischen den Pfosten hätte Braunschweig in Hamburg wahrscheinlich eine kleine Chance gehabt, aber so. . ?


Auch beim 4:2 von Ludovit Reis sah Jasmin Fejzic denkbar schlecht aus, denn der gewiss nicht scharfe Schuss schlug in der kurze Ecke ein – und genau: Das ist doch die Torwart-Ecke, wie es im Fußball so schön heißt. Dass Glatzel noch zwei riesige Möglichkeiten ausließ, spricht aber eindeutig dafür, dass der HSV-Sieg eindeutig verdient war. Wobei sich Glatzel wahrscheinlich noch immer fragen wird, wie er aus drei, vier Metern über das leere Eintracht-Tor zielen konnte. Wahrscheinlich aber würde Glatzel ja dann doch schon lange in Liga eins spielen, anstatt beim HSV – wenn er jedes klare Ding versenken würde. . .

Die für mich besten HSV-Spieler, abgesehen vom wieder eminent wichtigen Torjäger Glatzel, waren an diesem Sonntag Jonas Meffert (ganz solide – und diesmal ohne seine sonst üblichen Flüchtigkeitsfehler), der stets emsige Ludovit Reis sowie ganz vorne links Jean-Luc Dompe. Dass Trainer Tim Walter den Außenstürmer Ransford-Yeboah Königsdörffer ins Mittelfeld beordert hatte, wo der ehemalige Dresdner total ab- und untertauchte, wird wahrscheinlich das Geheimnis des Herrn Walter bleiben, aber gut – ich wäre jedenfalls auf eine solche „krumme“ Idee nie gekommen, hatte ja aber auch früher (oder behält man die ewig?) nur die kleine B-Lizenz. Und dass Tim Walter auch noch Sonny Kittel brachte, ist auch überdenkenswert, aber wer weiß schon immer, was dabei im Kopf eines Trainers passiert oder vorgeht? Der abwanderungswillige Kittel, der sowohl im Sommer als jetzt auch im Winter weg aus Hamburg (und vom HSV) wollte, durfte noch ein paar Minuten mitmachen, auffällig wurde er dabei aber nicht mehr. Vielleicht jedoch kommt das ja wieder, wer weiß? Das zeigt eventuell schon der kommende Sonntag, wenn der HSV bei (Angstgegner?) Hansa Rostock antreten muss.


Kurz noch einige Dinge aus Liga eins am Rande:


Gegen Leverkusen schoss Karim Adeyemi ja mal wieder ein Tor für Borussia Dortmund, aber ansonsten habe ich mich in diesem Winter schon immer wieder mal gefragt: Was ist eigentlich aus diesem so talentierten Stürmer geworden? Er war einst eine meiner Hoffnungen für die WM in Katar, spielte aber schon früh überhaupt keine Rolle im Konzept (?) von Bundes-Hansi Flick. Ich würde mich aber freuen, wenn Adeyemi irgendwann einmal wieder auftauchen könnte – auch im Interesse des deutschen Fußballs. Vielleicht würden da einige intensive Vier-Augen-und-Ohren-Gespräche Wunder bewirken und auch helfen? Sonst verkümmert erneut ein riesiges Talent – was ja ganz bestimmt nicht sein müsste. Apropos Talent: Hat ja auch Serge Gnabry. Der inmitten einer Englischen Woche zu einer Modenschau nach Paris flog. Ich finde das immer noch total abartig, aber es spricht für den heutigen Profi-Fußball, dass es so etwas tatsächlich gibt! Motto: Alles nicht so wichtig – Hauptsache ich! Dass sich Bayerns-Sportvorstand Hasan Salihamidzic darüber auf- und erregte, kann ich total nachvollziehen. „Das ist amateurhaft, und das ist genau das, was ich nicht mag!“ So hatte Salihamidzic reagiert. Und wurde dafür von einigen Experten abgewatscht, diese ungläubigen Herren reagierten mit Unverständnis. Aber genau das ist mir nun immer noch absolut unverständlich. Nur, das muss ich auch zugeben, ist Gnabry ja kein Einzelfall. Beileibe nicht. Ein Freund von mir flog einst und vor Jahren nach Mallorca, an einem Montag. Erste Maschine von Hamburg. Wer saß mit an Bord? Paolo Guerrero. Ohne Begleitung. Ohne Gepäck. Der HSV hatte an jenem Montag trainingsfrei, und da gönnte sich der Peruaner eben kurzerhand mal ein paar Sonnenstrahlen. Mann gönnt sich ja sonst nichts. Zumal der letzte Flug von „Malle“ nach Hamburg sogar pünktlich ging! Glück gehabt.


Dass der FC Bayern derzeit das 1:1 gepachtet hat, sorgt bei einigen Fußball-Fans ja schon für sehr viel Schadenfreude, aber ich denke, dass die Münchner ruhig noch weiter 1:1 spielen können - sie werden dennoch wieder Meister. Sogar mit dem alternden Thomas Müller, den Trainer Julian Nagelsmann dann doch wieder aus der „Versenkung“ geholt hatte. Der Coach wird wissen, warum. . . Mir ist aber auch dieser Schachzug höchst unverständlich. Und deshalb bin ich mal gespannt, wie lange Nagelsmann in München noch unantastbar sein wird. Immerhin hat ja Vorstandschef Oliver Kahn schon von sich gegeben: „Objektiv betrachtet fällt mir auf, dass das zwei Mannschaften sind: Vor der WM und nach der WM.“ Er meinte damit die Mannschaft des FC Bayern; um etwaige Missverständnisse auszuschließen.


Und dann noch ein Kurz-Trip nach Berlin. Fußball in der Hautstadt einmal ganz anders. Da fliegt nicht der Trainer, wenn es darum geht, den Abstieg zu vermeiden, sondern es fliegt der Manager. Fredi Bobic. Der sollte ja, wenn es nach einigen Experten gegangen wäre, kürzlich Nachfolger von DFB-Manager Oliver Bierhoff werden – und nun diese Entlassung. Ich will mich da gar nicht zurückhalten, ich werde auch dazu eine Meinung haben: Ich finde diesen Schritt der Hertha gut. Schließlich hat Bobic die letzten (überaus erfolglosen) Trainer nach Berlin geholt – von Kurz-Zeit-Coach Felix Magath einmal abgesehen. Ich habe mich bei fast jedem gefragt: „Wie kommt Bobic nun auf den?“ Und: „Das ist jetzt aber überaus mutig von ihm.“ Irgendwie wurde daraus wohl Übermut. Deswegen nun das etwas andere, das Berliner Ende. Trotzdem gut. Aber wenn ich noch weiter in Richtung Sommer denken darf: Schalke 04 und Hertha BSC steigen für mich direkt ab, Darmstadt und der HSV direkt auf!


Eine schöne, gesunde und erfolgreiche Woche wünscht Euch


Dieter Matz





Dieter Matz - Der Blog

Folge 1/2023

Online seit 16.01.2023 


Ganz langsam, gaaaaanz langsam geht es jetzt ja wieder los. Mit dem Fußball. Mit dem großen Fußball. Wenn man das so nennen mag. Tagesordnungspunkt eins ist dabei – ganz klar – die Vertragsverlängerung von HSV-Trainer Tim Walter. Bis mindestens Mitte 2024 bleibt er uns erhalten! Das ist doch mal eine Ansage. „Es ist eine Ehre für mich, dass ich beim HSV bleibe“, fasste Walter nach der Unterschrift zusammen. Ich möchte das eigentlich so und so kommentieren: Die Statistik spricht für Tim Walter – er ist mit dem HSV zweifellos erfolgreich. Und auch auf einem offensichtlich guten Weg. Für mich aber gibt es zwei Dinge, die mich ein wenig an dieser Vertragsverlängerung (ver-)zweifeln lassen. Erstens der oft – oder meistens – bei Spielen ausflippende oder ausrastende Trainer – gegen seine Trainer-Kollegen oder/und Schiedsrichter. Zweitens das „System Walter“. Im Fernsehen oft von Reportern und großen und größten Experten gelobt. Nicht selten heißt es da: „Trainer Walter liebt das schnelle Umschalten von Abwehr auf Angriff.“ Da frage ich mich dann immer, was diese Jungs, die so etwas grob fahrlässig in die Welt setzen, vom Fußball verstehen? Oder was sie sie da sehen? Sagen sie so etwas, weil sie keine Ahnung haben – aber ja irgendetwas sagen müssen? Und dann ist es eben schnell mal eine solche Plattitüde ganz hilfreich. Denn eines wäre mir wirklich neu: Schnell ist das Umschalten des HSV keineswegs. Oft hat doch Torwart Daniel Heuer Fernandes die meisten Ballberührungen während der 90 Minuten. Aber gut, es ist so wie es ist, an Tim Walter scheiden sich eben die Geister, es gibt in meinem Freundeskreis und unter meinen Bekannten viele, die das „System Walter“ eben nicht ganz so gut sehen wie einige Experten – um es einmal salopp und ganz, ganz milde zu formulieren. Das soll es aber nun zu Trainer Tim Walter für heute gewesen sein.


 

Das Thema des ehemaligen Sportdirektors Michael Mutzel will ich nur kurz erwähnen, er erhält eine nicht öffentlich gemachte Abfindung – und genau die und das war zu erwarten. Und Abfindungen kann der HSV ja. . . Da kommt es auch nicht mehr auf jene 72 200 Euro dann, die der Klub einmal mehr für die wunderbaren Pyro-Aufführungen während der Spiele zahlen muss – Strafe muss sein. Und Geld hat der HSV ja nun reichlich. Die Fans strömen immer so zahlreich ins Stadion, da dürfen die ganz sicher auch mal – oder mehrere Male – mit Pyro glänzen und das gesamte Stadion in Verzückung versetzen.

Ein Thema ohne Ende. Mich – entschuldigt bitte die klare Sprache – kotzt das immer wieder nur an. Aber offenbar gibt es kein Allheilmittel, und offenbar wollen die Vereine ja auch gar nicht so recht gegen das Feuer auf den Tribünen vorgehen.

Ende dieses leidigen Themas.


Der neue HSV-Finanzchef Eric Huwer wird es ohnehin richten, keine Frage. Ich habe nur Gutes über ihn gehört, und besonders gut daran ist: Huwer ist, oder soll, kein Lautsprecher ein. Er hält sich mit klugen Sprüchen zurück, soll eher bescheiden sein – aber mit viel Ahnung von Finanzen. Das würde ja bestens passen – ich drücke ihm die Daumen, dass er die gewaltige Aufgabe nicht nur anpackt, sondern sie auch packen wird. Alles Gute.



Sportlich läuft es beim HSV bislang ja noch nicht so optimal. An diesem Freitag gab es ein 2:6 nach Verlängerung gegen den SC Freiburg. Was das "nach Verlängerung" bedeutet, habe ich null Ahnung. Ich habe das Ergebnis aus dem Kicker. Danach schoss Robert Glatzel in der 4. Minute das 1:0 für den HSV, danach traf Freiburg in der 7., 10., 12. und 14 Minute. In der 32. Minute verkürzte Glatzel auf 2:4, dann erhöhte Freiburg in de 86. und in der 107. Minute auf 6:2.

Wieso, warum, weshalb ein solches Ergebnis und dann noch nach Verlängerung? Ich weiß es nicht. Etwas mehr wusste ich von dem, was zuvor gelaufen ist: Das 0:4 gegen den 1. FC Köln (nach 120 Minuten Spielzeit) war ein wenig zu hoch, ich habe im TV aber nur Ausschnitte davon gesehen. Mindestens zwei Tore von diesem 0:4 waren dem Erstliga-Klub absolut und auch amateurhaft geschenkt. Beim 0:1 drosch William Mikelbrencis den neben ihm stehenden Jonas David an, der Ball prallte sechs Meter vor dem Tor einem Kölner vor den Fuß – Tor. Und beim 0:4 bediente Bent Andresen die Kölner „mustergültig“. Zudem war bei dem 0:2 oder 0:3 auch Jonas Meffert nicht ganz so im Bilde – wenn ich das auf die Schnelle richtig gesehen habe. Wenn nicht, möge er mir verzeihen. . . Aber so ist eben ein so klares 0:4 zu erklären – es musste ganz gewiss nicht so hoch sein. Aber eine solche Klatsche hinterlässt natürlich einige Spuren. Die eventuell schon kurz darauf, beim Hallenturnier in Gummersbach, zu sehen waren. 0:3 zum Auftakt gegen den Regionalliga-Vertreter Blau-Weiß Lohne, zudem ein 4:4 gegen Podolskis Polen aus Zabrze, das war es schon bei diesem Turnier. Viermal zehn Minuten Spielzeit, 50 000 Euro eingenommen – da kann das nächste Pyro-Spiel doch wieder kommen! Übrigens: Kurz vor Weihnachten siegte die Zweite des HSV in Lohne, als es um Regionalliga-Punkte ging – 3:2 hieß es für die Rothosen, die damals einen sensationellen Schlussspurt mit zwei Toren in den letzten Sekunden hingelegt hatten.



Zurück zur „Ersten“. Tim Leibold hat es zu Sporting Kansas City in die USA gezogen – schade. Der HSV wollte seinem ehemaligen Kapitän, so hieß es, keine Steine in den Weg legen. Ob sich das noch rächen wird, rächen kann? Vielleicht. Damals, als Leibold vom 1. FC Nürnberg nach Hamburg gekommen war und eine großartige erste Saison gespielt hatte, dachte ich (ernsthaft!): „Steigt der HSV mit ihm auf, könnte der (Leibold) durchaus mal in der Nationalmannschaft hinten links das Problem lösen. An diese gute erste Saison konnte er dann allerdings nie wieder anknüpfen. Leider.

Der HSV könnte aber dennoch personell in die Bredouille kommen, denn: Mario Vuskovic ist und bleibt gesperrt (Doping), egal wie lange, er wird nicht so schnell wieder dabei sein können. Und Jonas David fällt zunächst einmal wegen eines Muskelfaserrisses aus. Ob es da noch einen Zugang in dieser Winterpause geben wird? Ich würde es auf jeden Fall befürworten. Aber ob dazu das Geld, was der HSV in der Kasse hat, reicht? Da habe ich doch meine ganz kleinen Bedenken. Zu den Verletzten gesellen sich im Moment noch zwei weitere Profis. Und zwar Anssi Suhonen (Oberschenkel) und Laszlo Benes, der an muskulären Problemen leidet. Irgendwie habe ich auch noch gehört, dass Sonny Kittel eventuell noch während der Winterpause wechseln könnte (USA?), aber da kann in meinen Augen nichts dran sein – auch wenn der einstige Unterschiedsspieler in der Hinrunde nicht ganz so überzeugend gespielt hat. In den kurzen Szenen aber, die ich vom Köln-Spiel gesehen habe, hatte er mir durchaus gefallen, hatte er einiges zu bieten. Deswegen wäre es wohl doch eher besser, wenn er beim HSV (noch) bleiben müsste - und würde.



Apropos: In der HSV-Jugend soll es mit dem 17-jährigen David Leal Costa ja einen äußerst talentierten Stürmer geben. Der wird allerdings schon jetzt von der (übermächtigen) Konkurrenz begutachtet, beobachtet, unter die Lupe genommen. So soll der FC Bayern und wohl auch der VfB Stuttgart ihre Scouts schon einige Male mehr in den Norden geschickt haben. Andere vielleicht auch noch, wer weiß es? Ich bin gespannt, wie sich diese Personalie in Zukunft noch entwickeln wird.



Gespannt bin ich natürlich auch, wie sich der FC St. Pauli unter dem neuen Trainer Fabian Hürzeler entwickeln wird. Rund um das Millerntor habe ich, ich weiß nicht, ob das richtig ist, eine gewisse Euphorie ausgemacht. Man wird sehen. Ein 7:2-Testspiel-Sieg gegen den FC Lugano aus der Ersten Schweizer Liga kann sich auf jeden Fall schon mal sehr gut sehen lassen. Drei Neue gibt es ja auch schon bei den Braunen, wobei ich selbstverständlich zuerst einmal auf den Außenstürmer Elias Saad blicke – kommt er doch von meiner Eintracht aus Norderstedt. Hier hat er mir stets sehr, sehr gut gefallen, er ist schnell, dribbelstark und technisch versiert. Hoffentlich packt er es körperlich, denn dann wird er eine „Granate“! Auf St. Pauli schwärmen sie jetzt schon (fast) alle von ihm, hoffentlich setzt sich das während der Rückrunde noch fort – mit einer gewissen Steigerung. Ursprünglich kommt Saad ja aus Buxtehude, deshalb wird der BSV wohl auch noch einige „Dollars“ als „Entwicklungshilfe“ abgreifen können. Aus Buxtehude ging Elias Saad einst zu BU, dann nach Norderstedt. Ich werde ihn genau beobachten – Ihr sicherlich auch.





Zwei weitere Verstärkungen (hoffentlich!) hat St. Pauli noch in diesem Winter gefunden: Maurides Roque Junior, der 28-jährige Stürmer kommt vom polnischen Erstliga-Klub Radomiak Radom; und dann noch Abwehrspieler Karol Mets, Nationalspieler Estlands und beim FC Zürich unter Vertrag. Und vielleicht sind diese drei Neuzugänge ja noch nicht das Ende der Fahnenstange, Namen schwirren ja noch genug um das Millerntor herum. Wobei ich bei Pierre-Michel Lasogga echt und mächtig zusammengezuckt bin. Zufrieden, sehr zufrieden wäre ich sogar, wenn Serdar Dursun, der auch gehandelt wird (wurde), tatsächlich zum FC St. Pauli kommen würde. Ich kann es mir aber beim besten Willen nicht vorstellen. Der steht bei Fenerbahce Istanbul unter Vertrag, stürmt (oder stürmte) für die Nationalmannschaft der Türkei – und spielte einst in früher, früher Zeit auch mal für den HSV (Amateure - oder die Zweite). In meinen Augen ein sehr guter Stürmer (zuletzt in Deutschland bei Darmstadt 98), doch wie gesagt, ob er sich die Zweite Liga antun wird, da habe ich doch große, große Zweifel.


So, das war es erstmalig 2023 über unsere „Zweitliga-Helden“ von der Elbe. Ich komme noch einmal auf den „ganz, ganz großen Fußball“ zurück! Die Nationalmannschaft. Die deutsche Nationalmannschaft, die bei der WM in Katar so sehr begeistert hat. Der für mich überragende Kabarettist Dieter Nuhr (Nuhr im Ersten) nannte in seinem Jahresrückblick 2022 die Gruppe von Hansi Flick nun einen „Hühnerhaufen“, der von uns (allen) zur Weltmeisterschaft geschickt worden ist. Treffend formuliert, aber der Nuhr ist für mich ohnehin der Beste!

Also, über diesen „Hühnerhaufen“ befand Werders Torjäger Niclas Füllkrug nach der WM – nicht ganz so treffend: „Es ist erschreckend, wie viel Missgunst der Nationalmannschaft von der Öffentlichkeit entgegengebracht wurde. Das finde ich extrem schade.“ Ich finde diese Aussage des Wahl-Bremers auch leider sehr schade, aber es gibt eben solche Einblicke – und auch solche. Zweitens finde ich, dass dieser von uns geschickte „Hühnerhaufen“ noch äußerst glimpflich in der Öffentlichkeit davongekommen ist. In meinen Augen hätte es durchaus härter für die Millionäre kommen können. Aber gut, so nett und so milde sind wir eben.


DFB-Präsident Bernd Neuendorf versprach dann auch netter Weise – immer wieder mal: „Aus der Erfahrung der WM von Katar werden wir gemeinsam die richtigen und nötige Schlüsse ziehen.“ Und weiter: „Selbstkritisch und ergebnisoffen, aber voller Motivation und Zuversicht.“ Hehre Worte. Wahrscheinlich zur Besänftigung in den freien Raum geworfen, ich kann mir beim besten Willen nicht mehr vorstellen, dass da noch etwas von den großen Herren kommen wird, das große Aufräumen – die WM ist abgehakt, weiter geht‘s!


Mit meinem einstigen Helden Thomas Müller. Den habe ich einst vergöttert, als er von den Bayern-Amateuren zu den Profis stieß – und das Feld von unten aufrollte. Das hat er über viele, viele Jahre überragend gemacht, Müller war für mich ein Vorbild-Profi! Aber jetzt? Die letzten Jahre? Da kommt nicht mehr so viel. Obwohl ich damit ja solchen genialen Experten wie „Effe“ Effenberg und „Loddar“ Matthäus widerspreche. Das sind zwei Überflieger, Fußball-Leute für die Ewigkeit und noch länger. Denen darf man eigentlich nicht quer kommen, aber ich bleibe dabei: Müller ist fertig. Er will es noch nicht wahrhaben, seine Frau wahrscheinlich auch noch nicht – aber ich behaupte, dass er schlicht fertig hat. Und im Hinblick auf die EM 2024 erst recht. Da muss eine neue Nationalmannschaft kommen. Hoffentlich weiß der Bundes-Hansi das!

Ich finde ja auch, dass sich Thomas Müller (33) ein Beispiel an dem Waliser Gareth Bale (33) nehmen sollte. Der ist jetzt zurückgetreten und setzt somit seinen Nationalcoach nicht unter Druck, ihn weiter nominieren zu müssen. Bravo, Herr Bale! Nachahmenswert.


Und dann noch kurz zu unseren Fußball-Frauen. Sie stehen in der Weltrangliste an Nummer zwei. Das werden die Männer nie wieder schaffen. Aber trotz allem: Müssen die Frauen deswegen so groß am Rad drehen? „Der Fußball hat sich zum Teil weit von der Basis entfernt.“ Das sagt zum Beispiel Nicole Kumpis, die Präsidentin von Eintracht Braunschweig. Mutig. Und treffend. Aber warum sagt sie das? Das müssten doch die Jungs, die beim DFB das Sagen haben, nicht nur ebenfalls erkannt haben, sondern auch aussprechen. Vielleicht kommt das ja noch. Kess fand ich ja auch das, was Nationaltorhüterin Merle Frohms an-und aussprach: „Männer-Klubs in Profi-Ligen stellen üblicherweise keine Trainerinnen ein.“ Und dann forderte sie glashart: „Das muss sich ändern.“ Natürlich. Das muss! Ich bin ja vielleicht der größte Fan unserer Nationaltorhüterin, die wirklich super ist – aber muss sie so etwas sagen? Ich finde, das ist meine ganz persönliche Meinung, ich finde das weltfremd. Die Versuche, in denen Frauen eine Männer-Mannschaft übernommen haben (das gab es tatsächlich!), sind in meinen Augen kläglich gescheitert. Und dann noch einmal zur Erinnerung: Bein der Männer-WM in Katar pfiffen auch Frauen. Sensationell. Nicht sensationell gut, aber sensationell, dass sie es durften! Und wie viele Männer pfeifen bei den großen Frauen-Turnieren, eine EM oder WM? Genau. Pustekuchen. Aber die Frauen stehen auf Rang zwei der Welt, da dürfen sie wohl solche Forderungen stellen. . .


Ach ja, zu Wort hat sich auch noch Katja Kraus gemeldet. Ehemalige Nationaltorhüterin und früher, in der Hoffmann-Ära, Vorstandsmitglied des HSV. Sie sagte nun noch zur Trennung der DFL von Geschäftsführerin Donata Hopfen: „Es ergibt keinen Sinn, jemanden von außen einzustellen, und diesem Menschen dann vom ersten Tag an zur Last zu legen, dass er oder sie von außen kommt.“ Ich, Dieter Matz, kann mich noch genau erinnern, als Donata Hopfen als kommende DFL-Chefin gehandelt wurde: Alle MÄNNER, die davon sprachen, waren entsetzt. Ich kenne wirklich nicht einen, der davon sprach, dass sie dieses Amt packen wird. Nein, nicht einer war so optimistisch. Alle waren sich, ohne sich abgesprochen zu haben, einig: „Sie wird krachend scheitern.“ Nicht deshalb, weil sie Männer befehligen muss (und soll), sondern weil sie schlicht keine Ahnung vom Fußball-Profi-Geschäft hatte. Es bewahrheitete sich.

Aber es wird künftig bestimmt noch so manche Frau auf den Plan treten, die diese oder jene Forderung an den Männer-Fußball hat – und stellt. Nummer zwei der Welt, da kann man den Mund schon mal etwas weiter aufmachen. . .

Okay, okay, ich weiß, dass ich damit nicht bei jedem auf Zustimmung treffe, aber das ist meine Meinung – Ihr dürft gerne und natürlich eine andere Meinung haben. Kein Problem. Das habe ich übrigens auch nicht mit den Frauen allgemein. Sogar nicht mit jenen Frauen, die Fußball spielen. Die Nationalmannschaft der Frauen sehe ich mir zum Beispiel sehr, sehr gerne an, verpasse kaum ein Länderspiel. . . Das nur mal zur Probe.


Zum Schluss noch zwei Schlenker zum HSV:

Nigel de Jong, der einst das Mittelfeld des HSV beackerte, wird Sportdirektor des KNVB, somit auch Chef der niederländischen Nationalmannschaft. Der gute Nigel, ein Liebhaber schnellster und teuerster Limousinen, wird also Nachfolger von Nico Hoogma, seinem früheren Teamkollegen beim HSV. Großartige Fortsetzung der Spieler-Karriere. Herzlichen Glückwunsch. Nebenbei: Nigel de Jong war ein höchst angenehmer HSV-Profi, mit dem man bestens reden und Geschichten machen konnte. Total nett, obwohl er auf dem Rasen auch eisenhart sein konnte.


Total nett - das gilt natürlich auch für Pele. Keine Frage. In Brasilien gibt es rund um das Stadion des FC Santos nun schon die Avenida Rei Pele – die König-Pele-Allee. Auch herzlichen Glückwunsch!

In Hamburg und auch in Norderstedt, wo „Uns Uwe“ schon vor Gründung der Stadt wohnte (!), überlegen sie noch (ich tippe mal) bis 2030, ob es 2035 dann doch noch eine Uwe-Seeler-Sackgasse geben sollte. Aber klar, gut Ding will eben Weile haben.

Und sicherlich wissen auch nicht alle unserer überragenden Politiker, wer Uwe Seeler war. Das muss man verstehen.


So, das war es in kurzen Zügen, ich wünsche Euch und Euren Lieben

ein wunderbares, erfolgreiches und vor allem gesundes neues Jahr -

und ich drücke Euren Lieblings-Vereinen alle Daumen,

dass sie in 2023 (endlich) ihre Ziele erreichen.


Es grüßt

Dieter Matz



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