Dieter Matz - Der Blog
Folge 39/2023
Online seit 18.12.2023
Ein ganz schwacher HSV – aber gewonnen.“ Das schrieb mir ein Buxtehuder Jung per Handy nach dem 2:0-Erfolg beim 1. FC Nürnberg. Damit ist eigentlich schon alles gesagt. Zum HSV auf jeden Fall. Obwohl? Bei den beiden späten Toren der Rothosen und beim Schlusspfiff von Schiedsrichter Tobias Reichel, das ist für mich erwähnenswert, jubelten die vielen Trainer aus dem Tim-Walter-Team mit ihrem Chef gerade so, als hätte die Mannschaft soeben den Aufstieg perfekt gemacht. Oder eventuell sogar die deutsche Meisterschaft gewonnen? Das war schon schön anzusehen, wie groß die Freude war. Und die Erleichterung. Der HSV ist wieder da! Auf Platz drei. So geht es über den kurzen Winter. Und dann ist ja noch alles möglich, keine Frage. Nur eine Sache stört mich persönlich noch ein bisschen: Wie kann dieser HSV, der natürlich stark ersatzgeschwächt war, auf Dauer mit solchen Leistungen aufsteigen? Gemeint sind Minus-Leistungen. Das geht in meinen Augen nicht. Nürnbergs Bubi-Team traf beim Stande von 0:0 Pfosten und Latte, hatte zudem einige gute bis sehr gute Chancen – und der HSV wirkte bis in die Schlussphase alles andere als souverän. Spielt so ein Aufsteiger?
Ja, das könnten jene Experten fragen, die nicht mit der Raute ins Bett gehen. HSV-Anhänger werden die unzähligen Fehler ihrer Lieblinge aber ganz sicher verzeihen – oder auch nur übersehen, und dann geht es munter weiter. Gewonnen! Auswärts! Der zweite Auswärts-Dreier der Saison. Das kann sich doch sehenlassen. Und so etwas muss natürlich auch entsprechend gefeiert werden. Na klar. Und ich summe, weiß aber nicht warum, die ganze Zeit schon still vor mich hin: „Wer wird Deutscher Meister, HaHaHaHSV!“
Zeitweise sah es in diesem teilweise wüsten Gekicke ja auch nach Tennis aus. Die Fans protestierten gegen die DFL und gegen das Prozedere mit den und nach den Bundesliga-Investoren. Ich will da nicht näher drauf eingehen, muss ich ehrlich gestehen. Es ist doch ohnehin unwichtig, was ich sage oder schreibe, die Herren „da oben“ werden es schon richten. Vielleicht auch hinrichten, aber das werden wir alle gemeisam sehen. Wir alle! Ich habe in Nürnberg ein riesiges Plakat über die gesamte Nordkurve (?) gesehen und habe gedacht: „Es gibt doch noch Menschlichkeit im Profi-Fußball!“ Auf dem Plakat, wenn ich es richtig im Kopf habe, stand so etwas zu lesen wie: „Ein frohes Weihnachtsfest allen inhaftierten Club-Fans und Stadionverboter.“ Tatsächlich, es stand dort auch das Wort „Stadionverboter“. Und irgendwo habe ich auch in einem Stadion gesehen und gelesen, vielleicht sogar in Nürnberg: „Wir lassen uns unseren Fußball nicht nehmen!“ Toll. Großartig. Unser Fußball. Ich komme darauf gegen Ende des Berichts noch einmal zurück. Jetzt schon möchte ich aber loswerden und schreiben, dass ich Plakate der etwas anderen Art vermisse – und die wird es auch ganz sicher nie geben: „Wir verurteilen jede Form von Gewalt unter uns! Unter uns Fans!” Oder: „Wir schämen uns dafür, dass wir unserem Klub durch die vielen, vielen Pyro-Attacken im Stadion stets so viele Euros aus der Kasse ziehen – wir ersetzen das selbstverständlich aus eigener Tasche.“ Okay, okay, ein solches Plakat wäre wahrscheinlich auch etwas zu lang, müsste von der Nordkurve über die Südkurve wieder zur Nordkurve geführt werden – ach Quatsch, ist ja viel zu lang! Sonst würden es die netten Fans garantiert sicher auch mal aufhängen. Da bin ich mir ganz sicher.
Zum Fußball. Zum Zweitliga-Fußball des HSV. Ich weiß schon jetzt, dass ich mir diesmal (erneut) eine Einzelkritik ersparen werde. Weil es so viel zu loben ja erneut nicht gab. Abgesehen mal davon, dass der „kleine“ Nicolas Oliveira (19) hinten links eine ganz passable Partie gespielt hat. Aber sonst? Okay, Stephan Ambrosius war absolut in Ordnung, vielleicht sogar der beste Hamburger, solide auch Kapitän Sebastian Schonlau, der allerdings ganz zum Schluss wieder verletzt raus musste. Zum Glück ist jetzt ja Pause.
Ansonsten aber – Schwamm drüber. Nur über die Minus-Leistung von Levin Öztunali bin ich wieder einmal entsetzt. Das wird nichts mehr, habe ich mir während der 62 Minuten, in denen er auf dem Rasen war, heimlich still und leise gedacht. Aber bei Bakery Jattatata auch. Zum Glück hat Timmy Walter aber mein Flehen nach einer Auswechslung Jattas nicht erhört, sonst hätte Robert Glatzel vermutlich das Tor zum 1:0 in der 80. Minute nie geschossen. Gut gemacht, Trainer, eine weise Entscheidung! Eine Entscheidung mit Weitblick, würden Experten auch sagen. Und gut war ja auch, dass Walter Jean-Luc Dompe für „Ötzi“ eingewechselt hatte, denn Dompe erzielte in der 90. + 8 Minute (oder so ungefähr) das 2:0 – nebenbei ein „Tor des Monats“. Da hat Tim Walter aber wieder mal sein großartiges Händchen spielen lassen. Wenn jetzt jemand aufstöhnt und sagt, das der HSV von diesem Trainer erlöst werden sollte (davon soll es tatsächlich doch noch einige Leute geben!), dann muss ich sagen: So einen Erfolgs-Trainer kann man nicht einfach so entlassen. Allerhöchstens abgeben. Zum Beispiel wenn Julian Nagelsmann mal tatsächlich aufgeben sollte. . .
Ein ganz kleiner Scherz, ich bitte um Verzeihung!
Aber ich bin da ganz bei Roberto Blanco: „Ein bisschen Spaß muss sein!“ Wenn man beim Fußball derzeit schon nicht so richtig gut lachen kann. . . Mit dem HSV bin ich fast fertig. Ein kleiner Abstecher zu „Bobby“ Glatzel sei mir aber noch erlaubt. Wie er in der 19. Minute am Ball vorbeischlug, als ihn „Ötzi“ mal von links super bedient hatte und das Club-Tor leer war, das hatte schon etwas von Daniel Heuer Fernandes auf St. Pauli. Ihr erinnert noch das 2:0 für den Tabellenführer. So war das mit dem „Bobby“ diesmal auch in Nürnberg, nur dass er die Kugel nicht getroffen hat. Aber später dann machte er alles gut. Und nach diesem 1:0 von Glatzel werden jetzt sicher wieder Experten fordern, dass der HSV-Torjäger mindestens für Deutschland stürmen muss. In der Nationalmannschaft – natürlich. Was sonst?
Wie geht es weiter beim HSV? Wie weiter mit Tim Walter? Sportvorstand Jonas Boldt sagte in Nürnberg: „Wir haben, relativ nüchtern betrachtet, 31 Punkte nach 17 Spielen, das sind ein paar Punkte zu wenig für unseren Anspruch. Deswegen werden wir jetzt ganz in Ruhe mal überlegen, was der Hintergrund dafür war, was wir besser machen können, wie wir dann mit voller Energie in der Rückrunde wieder angreifen können. Man muss gucken, ob wir auf dem richtigen Weg sind, oder ob wir vom Weg abgekommen sind. Und was wir noch brauchen, um endlich unser Ziel zu erreichen.“ Und weiter führte Boldt noch an: „Ich werde mich jetzt nicht zu irgendwelchen Floskeln hinreißen lassen, sondern ganz normal arbeiten. Und dazu gehört eine etwas tiefergehende Analyse, aber die ist nicht nach ein paar Minuten nach Spielende möglich."
Trainer Walter sagte nach dem letzten Spiel der Hinrunde: „Wir sitzen immer zusammen, wir stecken immer die Köpfe zusammen, und ich glaube, das ist das Entscheidende. Wir wollen Spiele gewinnen, wir haben Ansprüche – und mit Sicherheit haben wir in ein, zwei Spielen Punkte liegen lassen, die wir aus eigener Kraft verspielt haben. Und das ist genau der Punkt, wo wir in der Rückrunde ansetzen müssen, wo wir im Trainingslager dann ansetzen, um unser Ziel, unseren großen Wurf zu erreichen.“
Nette Worte, niedliche Sätze, aber ob es dabei bleibt ist abzuwarten.
Kurz noch ein kleiner HSV-Abstecher zu Jonas Boldt. Von dem hatte ich hier kürzlich geschrieben, dass ich nichts über seine fußballerische Vergangenheit weiß. Wikipedia macht es nun möglich, weil ich mich schlau machen wollte. Könntet Ihr selbst alle mal reinschauen. Fußballerisch gibt es das nicht so viel Weltbewegendes in der Vita Boldt, aber man wird doch schlauer, was er so bislang gemacht hat. Ich will hier jedoch nur eine ganz kurze Nuance erwähnen: Der in Nürnberg (für ihn also ein Heimsieg!) geborene Boldt war einst Torwart in seiner sportlichen Karriere. Und er hat dabei für diese Vereine, die mir nicht ganz so viel sagen, gehalten: FC Victoria Bammental, SV Gaiberg und SV Waldhilsbach. Und es gab mal einen ganz kurzen, eventuell einmaligen Einsatz für den TV Kalkum-Wittlaer. Dabei belasse ich es jetzt aber mal. Wenn Ihr mehr wissen wollt über den Herrn Boldt, dann fahndet selbst einmal. Muss aber auch nicht sein.
Zum FC St. Pauli.
Zum Nicht-mehr-Tabellenführer. 1:1 gegen Wehen-Wiesbaden, das hat mich umgehauen. Das neunte Unentschieden dieser Saison. Ich habe während des Spiels am Millerntor immer an eine frühere Fernseh-Werbung gedacht (von welcher Firma auch immer?): „. . .und morgen lösen wir den Knoten wieder auf.” Die armen Wiesbadener, die werden Tage benötigen, um alle Knoten, die ihnen der FC St. Pauli in die Beine gespielt hat, aufzulösen. Und dann das: Ausgleich mit dem zweiten (!) Torschuss – in der 84. Minute. Ich erinnere mich, dass Sky-Reporter Stefan Hempel in der 78. Minute sagte: „23:0 Torschüsse für St. Pauli, aber immer nur noch 1:0.” Dann schoss der eingewechselte WW-Stürmer Iredale, im Begleitschutz von Philipp Treu, aus 15 Metern gegen die Querlatte des St.-Pauli-Tores (81.). Und drei Minuten später, Treu hatte sich zuvor ganz leicht ausspielen lassen, hob er den Ball dann sogar ins Tor. Ein Wahnsinn.
Ich haderte, das muss ich zugeben, mit dem Fußball-Gott, der so etwas zulässt. Wiesbaden stand 80 Minuten lang wie angewurzelt am und im eigenen Strafraum. St. Pauli spielte auf ein Tor, vergab Chancen über Chancen – und dann wird eine solche Truppe, die bis dahin nur Anti-Fußball geboten (nicht gespielt!) hatte, noch belohnt. Da stimmt doch etwas nicht! Wie kann das angehen? So ungerecht kann Fußball sein. Schon zur Halbzeit hätte St. Pauli (wieder einmal) klar führen müssen, aber Marcel Hartel (er vor allem!) und Elias Saad vergaben beste Möglichkeiten. Und Wiesbaden nervte da schon. Jeder Abstoß, jeder Freistoß dauerte Ewigkeiten. Und Schiedsrichter Timo Gerach ließ freundlicherweise eine Minute nachspielen. Das zeugt von viel, viel Fingerspitzengefühl.
Als Hartel in der 47. Minute das 1:0 schoss, war das für alle Braunen eine Erlösung. Aber - es reichte wieder einmal nicht. Weil es zu viele Schlumpfschützen im St.-Paui-Team gab und gibt. Meine Güte, was wurde da alles verballert!? Hundertprozentige Dinger! Neben den bereits geannten Herren waren auch Jackson Irvine und der eingewechselte Connor Metcalfe dabei, sich mit den schlimmsten Fehlversuchen in die Liste einzutragen. Und beim Stande von 1:0 hatte Oladapo Afolayan das Glatzel-Kunststück (vom Vortag in Nürnberg) fertig gebracht, als er nach Saad-Vorlage fünf Meter vor dem WW-Tor am Ball vorbeihaute. Es war nicht mehr anzusehen. . . Zudem „übersah” Schiedsrichter Gerach einen Foulelfmeter, als Afolayan von Catic zu Fall gebracht worden war. Da auch die VAR-Herrschaften in Köln ganz plötzlich eingeschlafen waren, gab es keine Meldung vom Rhein – was nicht nur ich nicht verstand.
Ja, so kann es gehen. St. Pauli wird sich im Winter berappeln müssen, um wieder etwas erfolgreicher vom Platz gehen zu können. Ungeschlagen ist die Mannschaft in der Hinrunde geblieben, und im ganzen Jahr 2023 gab es nur zwei Niederlagen, aber die Herbstmeisterschaft wäre schon mal ein Schritt gewesen. Eigentlich ein Traum-Jahr, aber es endet nur auf Platz zwei.
Ich bin fertig. Eine Einzelkritik gibt es nicht. Was soll das? St. Pauli spielt den Gegner an die Wand, war turmhoch überlegen, hat aber das Sieger-Gen in der Kabine gelassen. Dafür kann Trainer Fabian Hürzeler auf jeden Fall nichts. Und die Herren Profis werden sich sicher darum bemühen, es im Jahre 2024 wieder mit auf den Rasen zu bringen.
So, zurück noch einmal zu unseren liebgewonnenen Fußball-Fans – wie versprochen. Wenn es die Fans nicht gäbe. . . Ohne sie wäre unser Fußball ja nichts. Sie sind die Wichtigsten! Ganz klar. Ohne sie wäre es wirklich ganz schlimm um unseren Fußball bestellt. Da wäre in den Stadien ja überhaupt nichts los. Kein Gesang, keine Anfeuerungsrufe, keine Drohungen, keine Pfiffe, kein Beifall, und, und, und. Und natürlich auch kein Pyro und keine Schlägereien. Zum Beispiel. Es geht im deutschen Fußball und in den Arenen auf den Rängen immer chaotischer zu. Und der Eindruck entsteht, dass es auch immer brutaler wird – vor allem dort, wo die Zuschauer stehen. Zeigt das Fernsehen Bilder von den Fans, dann bekommt man es mit der Angst zu tun, so aggressiv und mitunter hasserfüllt sehen diese meist Jugendlichen aus, wenn sie brüllen und ihrem Unmut freien Lauf lassen. Wenn ich so etwas sehe, zuletzt immer häufiger, dann frage ich mich: Was nehmen sich die Fans heute alles raus? Ja, was? Immer mehr? Viel zu viel? Oder ist es trotz allem doch gleich und so wie seit Jahren schon geblieben? Für mich aber ist die Frage erlaubt: Ist das tatsächlich noch „unser Fußball“, wie an diesem Sonnabend in einem Stadion geschrieben stand? Ich finde nein, aber darüber sollte ein jeder von Euch natürlich selbst einmal nachdenken und entscheiden. Und auch die Verantwortlichen des deutschen Fußballs sollten sich darüber - und zwar ganz fix - mal ernsthaft Gedanken machen.
Rostock zum Beispiel. Vor einer Woche stand das Heimspiel gegen Schalke kurz vor dem Abbruch, es war 30 Minuten wegen Pyro, Schlägereien und Randale unterbrochen. Gelernt? Gelernt haben die Fans von der Ostsee nicht ganz so viel. In Paderborn jetzt stand das Spiel von Hansa, der SCP gewann 3:0, wieder kurz vor dem Abbruch. Wieder gab es zwei Unterbrechungen. Rostocker Anhänger hatten mehrfach Pyrotechnik aus dem Gästeblock auf den Rasen geworfen, was Schiedsrichter Wolfgang Haslberger dazu veranlasste, die Teams in der neunten und in der 56. Minute für längere Zeit in die Kabinen zu schicken. Wahnsinn.
Wo wird dieses Fehlverhalten enden? Und was unternehmen die Vereine dagegen? Ich glaube tatsächlich, nicht ganz so viel. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass die Verantwortlichen der Klubs sehr genau wissen, wer da randaliert, wie das geschehen kann. Das war damals, als ich noch als Reporter unterwegs war, beim HSV so, und das wird heute bei den meisten anderen Vereinen nicht anders sein. Sie haben alle Angst. Angst davor, dass dann alle Zuschauer weg bleiben könnten, weil die Stimmung im Stadion nicht mehr so gut oder gar grandios ist, dass man rundherum Freude an einem Fußballspiel hat. Die Leute in ihren Logen bekommen kaum etwas davon mit, wenn es während des Spiel schon kracht, oder eventuell erst auf dem Heimweg. Sie lassen es sich bei nettem Essen, flotten und launigen Gesprächen und kalten Getränken gutgehen. Aber wenn diese Logen-Besucher keine Stimmung mehr im Stadion erleben würden, kaufen sie sich auch vielleicht keine Logen mehr. Dann könnten sie doch besser ins Kino oder ins Theater oder ins Konzert gehen. Das ist – wahrscheinlich – das Dilemma für die Vereine. . . Wie wollen sie diese für mich abartige Form von Fanatismus nur in den Griff bekommen? Und wollen sie das überhaupt?
Es ist ja nicht so, dass Fan-Ausschreitungen nur in Deutschland an der Tagesordnung sind. Überall gibt es das. So zuletzt in der Türkei. Da gab es sogar etwas ganz Hässliches, und passiert ist es am 15. Spieltag der Süperlig, beim Spiel MKE Ankaragücü gegen Caykur Rizespor (1:1). Der Gast hatte in der Nachspielzeit ausgeglichen, da betrat der wütende Ankaragücü-Präsident Faruk Koca den Platz und schlug Schiedsrichter Halil Umut Meler ins Gesicht. Der Schiedsrichter ging zu Boden und wurde noch von anderen Personen getreten. Unfassbar.
Deshalb hat der türkische Fußballverband (TFF) die Süperlig erst einmal gestoppt – keine Spiele mehr: „Diese unmenschlichen und verabscheuungswürdigen Attacken richten sich gegen den gesamten türkischen Fußball." Es wurden harte Bestrafungen angekündigt. Selbstverständlich, würde man meinen. Und ich meine dazu, dass die Absetzung eines ganzen Spieltags (oder sogar auch mehrerer Spieltage) durchaus ein probates Mittel wäre, den Horror auf deutschen Fußballplätzen zu beenden – oder zumindest einzudämmen. Sollten sich die Damen und Herren von DFB und DFL einmal überlegen. Irgendetwas muss nämlich passieren, bevor es total eskaliert.
Zwei kleine Dinge zum Schluss.
Da gibt es bei Hertha BC einen Spieler Niederegger, der an diesem Wochenende die Rote Karte von Hamburgs Schiedsrichter Patrick Ittrich erhielt. Und dieser Niederegger ging total wütend vom Platz, schimpfte auf den Fernsehbeweis. Schimpfen war zu wenig gesagt, er fluchte, meckerte und lief fast Amok. Dabei sollte sich der Herr Niederegger mal seinen Tritt an das Schienbein seines Osnabrücker Gegenspielers ganz genau ansehen. Marion Basler (gewiss nicht mein Freund – im Gegenteil) sagte dazu im Sport1-Doppelpass: „Der muss mindestens vier Wochen gesperrt werden.” Ich füge hinzu: Vier Wochen sind zu wenig! Bei diesen verbalen Ausführungen, die danach noch folgten.
PS: Ich weiß, dass der nicht Niederegger heißt – ist aber eben zu süß!
Dann gab es noch die märchenhafte Geschichte um Emil Forsberg von Red Bull Salzburg (RB Leipzig). Der wechselt nun mit 32 Jahren im Winter zu Red Bull New York. Und feierte einen sensationellen Abschied. Und wurde gefeiert. Und wie! Er erzielte gegen Hoffenheim das 2:1-Führungstor und leitete das 3:1-Endergebnis mit einem Super-Schlenzer ein. Ein Traum-Ausstand! Es sei ihm gegönnt, er war seit 2015 in der Bundesliga eine absolute Bereicherung, ein sehr guter Fußballer und ein ganz feiner Mensch. Schade, dass er Deutschland nun verlässt. Immerhin ja aber mit einer sensationellen Geschichte, die so nur der Fußball schreibt.
Ich wünsche Euch und Euren Lieben ein fröhliches und gesundes Weihnachtsfest, genießt die Feiertage und freut Euch auf die Rückrunde im Fußball, die schon bald wieder beginnen wird. Und nicht vergessen, um es mit Timmy Walter zu sagen: „Ich liebe Euch alle, ich liebe jeden Spieler, ich liebe den StarClub, ich liebe die Fans des StarClubs – ich liebe, liebe, liebe ganz einfach. Seid so nett, liebt Ihr bitte auch! Weil Weihnachten doch das Fest der Liebe ist. Oder auf jeden Fall so genannt wird. Oder einst so genannt wurde. Wer weiß das schon? Alles Liebe.
Dieter Matz
Dieter Matz - Der Blog
Folge 38/2023
Online seit 11.12.2023
Man lernt ja nie aus. Mann auch nicht. Trainer selbstverständlich ebenfalls nicht. Der gute „Timmy“ Walter vom HSV erhielt am Sonnabend großartigen Nachhilfeunterricht in Sachen Aus- und Einwechslungen. Von seinem Kollegen Lukas Kwasniok vom SC Paderborn. Vielleicht habt Ihr das beobachtet, vielleicht aber auch nicht. In der 35. Minute des Spiels gegen den HSV hatte Kwasniok von seinem Abwehrspieler Klefisch genug gesehen – für den indisponierten Defensivmann brachte der Coach den glatzköpfigen Hansen, und urplötzlich war die SCP-Abwehr wesentlich stabiler. Ich behaupte, ohne es natürlich beweisen zu können, dass das der entscheidende Schachzug für den Paderborner Auswärtssieg war. Und ich behaupte weiter, dass sich der Herr Walter vom HSV diese Aktion einmal rückblickend anschauen sollte, dürfte, müsste. Und: Wenn er es denn erkennen sollte, dann einfach mal eine Scheibe davon abschneiden! Rückblickend gesagt: Hätte Walter in Berlin frühzeitig reagiert und gegen die Hertha den völlig überforderten Verteidiger Mikelbrencis ausgewechselt, dann hätte der HSV jetzt wahrscheinlich über 1,7 Millionen mehr in der Vereinskasse. Ganz nebenbei: Die Berliner haben jetzt ein Heimspiel im DFB-Pokal, treffen im Olympiastadion auf den 1. FC Kaiserslautern. Dieses Los wäre wahrscheinlich auch für den HSV machbar gewesen. Und dann hätte es noch einige Millionen mehr gegeben. Aber wer braucht die schon?
Das aber nur als Nebeneffekt. Der HSV hat in der Woche 1,7 Millionen Euro verdaddelt (der HSV oder sein hoffentlich noch immer lernfähigen Trainer Walter), und der HSV hat am Sonnabend seine makellose Heimbilanz verloren. 1:2 gegen Paderborn. Zur Pause hatte ich noch jedem gesagt, der mich danach fragte: „Der HSV gewinnt diese Partie noch ganz locker 3:1, 4:1. So schlecht, wie der SC Paderborn hier auftritt, war in dieser Saison noch keine andere Mannschaft im Volkspark.“ Ja, so kann es gehen. Dumm gelaufen – und mächtig geirrt. Vor allem dieser eingewechselte Herr Hansen brachte Ruhe und Struktur in die Abwehr der Gäste, und der HSV brachte im zweiten Durchgang nach vorne kaum noch etwas zustande. Obwohl es Torchancen genug gab. Man(n) lernt eben nie aus.
Schon in Halbzeit eins besaß der HSV einige gute Möglichkeiten, obwohl, das war auch dem Sky-Reporter bei seiner Analyse durchgerutscht: In der vierten Minute schoss der Paderborner Obermair - echt erschütternd - aus sieben, acht Metern (fast zentral) freistehend in Richtung Eckfahne, statt auf oder in das HSV-Tor.
Die Mannschaft von Tim Walter war in den ersten 30 Minuten total spielbestimmend, führte auch völlig verdient mit 1:0. Das Tor hatte Laszlo Benes aus 20 Metern erzielt (10.), der auch davon profitierte, dass der Paderborner Abwehr-Chef (!) David Kinsombi, der ehemalige HSV-Profi, den Ball nur höchst stümperhaft und unzulänglich aus dem Strafraum befördert hatte. Lukasz Poreba eroberte die Kugel im Kopfballduell und legte auf Benes ab, der sofort abzog – ein Treffer der Marke „Tor des Monats“. Zehn Minuten später hieß es aber völlig überraschend 1:1. Weil der ehemalige HSV-Profi Filip Bilbija mit einem Linksschuss aus 13 Metern erfolgreich war. Haltbar, wie ich meine, an guten Tagen hält Daniel Heuer Fernandes einen solchen Schuss. Um noch einmal auf Kinsombi zurückzukommen: Er hinten drin, das war schon mehr als eine Überraschung. Meistens machte er seine Sache gut, spielte mit Auge, Ruhe und Routine. Den Ball spielen konnte er ja schon immer, aber er konnte in den Spielen nie so richtig Leidenschaft und Emotionen zeigen. Kinsombi Abwehrmann – Man(n) lernt eben nie aus. Für mich unfassbar.
Der zweite Durchgang begann mit einer Auswechslung beim HSV: Nicolas Oliveira kam für den offensichtlich verletzten Ignace van der Brempt. Wobei ich mich ernsthaft fragte: Was hat Moritz Heyer eigentlich verbrochen, dass er nicht mal mehr zweite Wahl ist? Hat der dem Trainer mal in den Pausentee gespuckt? Oder hat er mal die Frau eines Aufsichtsrates attackiert? Ich weiß es nicht, verstehe es nicht, bin aber auch kein HSV-Trainer. Der wird es wissen, er muss wissen, was er macht. . . Zurück zum Fußball. Die zweiten 45 Minuten begannen erneut mit einer guten Gelegenheit für Paderborn, doch Heuer Fernandes konnte den scharfen Schuss von Muslija großartig zur Ecke abwehren. Und noch eine Auswechslung beim HSV: Stephan Ambrosius musste nach einem schweren Sturz auf den Rücken (Steißbein) runter vom Rasen (53.), es kam für ihn Dennis Hadzikadunic – und nicht, wie ich erwartet und erhofft hatte, Guilherme Ramos. Wie gesagt, ich bin kein HSV-Trainer. . . Aber ich hoffte auf Ramos, weil Hadzikadunic auf mich zuletzt nicht den sichersten Eindruck gemacht hatte. Um ehrlich zu sein, ich habe mich zuletzt sogar oft gefragt, wie es der junge Mann (25) auf 25 Länderspiele für Bosnien-Herzegowina gebracht hat? Zu sehen ist das jedenfalls beim HSV derzeit nicht.
In der 56. Minute hatte Robert Glatzel seine zweite „Hochprozentige“, doch sein Heber aus acht, neun Metern flog zwar über Torwart Boevink hinweg, landete aber neben dem SCP-Tor. Fünf Minuten später hieß es dann 1:2. Weil Hadzikadunic im Zweikampf mit Paderborns Ansah strauchelte und kurz hinter der Mittellinie auf den Bauch fiel. Der SCP-Stürmer lief allein auf Heuer Fernandes zu und traf durch die Beine. Kurz darauf erhielt dann Torschütze Bilbija (durch den Kölner Keller) die Rote Karte, weil er Oliveira schwer gefoult hatte. Allerdings sah auch noch HSV-Verteidiger Miro Muheim (durch den Kölner Keller) Rot, weil er Obermair gefoult hatte (77.). Der HSV wollte zwar noch, versuchte einiges, hatte auch Möglichkeiten, aber lediglich eine missglückte Flanke von Bakery Jatta flog noch an das Lattenkreuz (99.). Ende.
Wobei ich soeben ja bei Jattatata war: Für mich das größte Fragezeichen des Spiels. Warum durfte er bis zum Schlusspfiff auf dem Rasen bleiben? Wenn mir einer von Euch auch nur eine gelungene Szene des Außenstürmers benennen kann, gebe ich ihm einen aus! Den Lattendreieck-Treffer zähle ich nicht, den wollte er ja auch nicht. Ansonsten spielte Jatta wie zuletzt immer – schwach und schwächer. Auch auf der linken Seite spielte Levin Öztunali gewiss nicht in Hochform, ganz im Gegenteil, aber gegenüber Jatta war das noch Fußball wie von einem anderen Stern. Öztunali müsste nun eigentlich in die Welt-Auswahl aufgenommen werden. Ein Scherz, natürlich, denn richtig Fußball geht ja auch tatsächlich etwas anders. . . Aber gut, in Sachen Jatta und auch Öztunali bin ich natürlich nicht der HSV-Trainer, und der wird ganz genau wissen, was er macht! Natürlich. Er weiß es!
Übrigens: Heyer kam dann ja doch noch. In der 79. Minute für Immanuel Pherai. Geht doch. Als dritte Wahl. Oder als fünfte – weil Heyer an diesem Tag der letzte eingewechselte HSV-Profi war. Am kommenden Sonnabend allerdings wird er im Spiel beim 1. FC Nürnberg (13 Uhr) wieder nicht zum Einsatz kommen können – fünfte Gelbe Karte.
Groß in die HSV-Einzelkritik möchte ich diesmal nicht einsteigen. Jatta war für mich der Total-Ausfall (wieder einmal), Öztunali kam ihm schon sehr, sehr nahe, Pherai blieb erneut auch sehr viel schuldig (wieso auch immer?). Benes könnte sicher viel mehr, Poreba ersetzte den gesperrten Jonas Meffert gut, „Bobby“ Glatzel war erneut nicht in jener Form, in der ich ihn für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft (!) empfehlen würde (auch ein Scherz!). Gut war van der Brempt, solide bis gut war auch Sebastian Schonlau. Von den eingewechselten Jungs gefiel mir Oliveira am besten,
Tim Walter hat ja öfter bereits gesagt: „Wir haben schon so oft am Boden gelegen, aber wir stehen immer wieder auf." Klar doch, den Fußball ganz einstellen wird der HSV ja wohl auch kaum, oder? Tim Walter bewies nach der Niederlage auch einmal mehr sein großes Fachwissen, als er feststellte: „Wir haben durch individuelle Fehler verloren.“ Na klar! Wodurch denn sonst? Individuell passt immer.
Schlusswort von Keeper Heuer Fernandes: „Für das, was wir mit dem HSV vorhaben, war das auf jeden Fall zu wenig.“
Bemerkenswert aber auch noch dies: Lukas Kwasniok, der Paderborner Trainer, sagte nach dem Spiel nicht gerade begeistert: „Eine Leistung wie die heutige gegen den HSV wird am nächsten Wochenende gegen Hansa Rostock nicht zum Sieg reichen." Stimmt. Der Mann beweist Weitblick. Und Fußball-Sachverstand!
Abschließend zum HSV auch noch ein kleiner Blick hinter die Kulissen: Pherai war doch zu Beginn der Saison schon viel, viel besser als jetzt (trotz seiner Tore!). Dabei hatte eine große deutsche Zeitung vor geraumer Zeit einmal eine ganze Seite voll (und voller Bewunderung!) geschrieben: „Unter Tim Walter werden jetzt die Spieler alle besser – das war einst beim HSV und anderen Trainern ganz, ganz anders. . .“
Hadzikadunic, Jatta und Heyer zum Beispiel lassen grüßen. Ransford-Yeboah Königsdörffer und Öztunali nehme ich in dieser Liste nicht auf. Oh man!
Und dann steht ja auch noch die Vertragsverlängerung des Trainers an. Kommt sie, oder kommt sie nicht? Geht es nach den Leuten und Freunden, die mir in diesen Tagen schreiben und die mich anrufen, dann sagen 99,9 Prozent: „Oh, bitte, bitte nicht!“ Ich sage es auch. Aber das ist unwichtig. Wichtig und entscheidend ist ja nur die eine Frage: Wer sollte Walter denn sagen, dass es mit ihm nicht mehr weitergeht? Wer? Es gibt in diesem HSV ja gar keinen, der das könnte. Nur Sportvorstand Jonas Boldt könnte das, wird es aber in meinen Augen niemals tun – sitzen sie doch beide auf demselben Ast, den sie dann absägen müssten. Stichwort beide: Sollte Walter tatsächlich eines Tages vor die Tür gesetzt werden, müsste es wohl auch Boldt erwischen. In meinen Augen ging es nur so. Beide müssten ihren Hut nehmen, es geht wohl nur so. Aber wer soll das veranlassen. Auch die großen Namen, die es noch im HSV gibt, haben niemals den Mut dazu. Der Schuss könnte ja nach hinten losgehen. Und dann hätten diejenigen, die den Aufstand proben, plötzlich keinen Job mehr und keine Dollars mehr in der Tasche. Es gibt in meinen Augen niemanden im HSV, der dieses Kapitel, das unter dem Namen Boldt/Walter läuft, beenden könnte. Denn, das ist ja auch ganz offensichtlich: Im HSV-Aufsichtsrat sitzen (ebenfalls) Leute, die keine Ahnung von diesem Profi-Fußball-Geschäft haben. Die auch froh sind, dass sie diesen Job haben, den sie beim HSV haben. Über einen Aufsichtsrat habe ich mal gehört, dass er gefragt wurde, warum er eigentlich im Aufsichtsrat des HSV sitzt? Seine Antwort: „Weil es gut für meine Vita ist!“ Das, genau das ist das ganz große Dilemma des HSV. Es gibt zu viele Ahnungslose. Wohin ist dieser große Verein, der einst an der Spitze Europas stand, nur gekommen? Wahnsinn. Alles Wahnsinn.
Zum Noch-Tabellenführer, zum FC St. Pauli.
1:1 beim Schlusslicht in Osnabrück – geht da etwas flöten? Es fehlt eine gewisse Aggressivität, auch ein Schuss Leidenschaft und es fehlt an Emotionen. Zudem die spielerische Leichtigkeit. Okay, auf dem Acker an der Bremer Brücke war an diesem Abend kein eleganter Fußball möglich, das ist mir auch klar, aber trotz allem klappte das Zusammenspiel, das Freilaufen und das Spiel miteinander schon mal besser. Und noch eines ist sicher für diesen (kleinen?) Abwärtstrend verantwortlich: St. Pauli lässt sehr, sehr viele gute und beste Torchancen liegen. So auch in Osnabrück. Sechste Minute 1:0 durch ein Kopfballtor von Kapitän Jackson Irvine, und dann alles das, was danach noch kam, verballert und vergeben. Bis zum Schlusspfiff. Und es waren ganz gewiss tolle und vielversprechende Dinger dabei. . . 21 Torschüsse hatte St. Pauli an diesem späten Sonnabend, aber leider ergaben diese 21 Schüsse lediglich ein Törchen.
Das kritisierte unmittelbar nach dem Schlusspfiff auch Abwehrmann Hauke Wahl mit klaren und deutlichen Worten, und auch Marcel Hartel wusste, wo der Hase im Pfeffer liegt: „Unser Problem war, wie schon in den letzten Spielen, dass wir in der guten ersten Hälfte, die wir dominiert haben, nicht nachgelegt haben. Nur mit einem 1:0 zur Halbzeit war das einfach zu wenig." Es war wie eine Kopie des 2:2-Unentschiedens gegen den HSV. Daran dachte wohl auch Trainer Fabian Hürzeler, der nach dem Verlust von zwei dringend benötigten Punkten feststellte: „Wir haben es erneut nicht geschafft, das Spiel zu killen. Die Chancen dafür hatten wir, das müssen wir uns ankreiden, daran müssen wir arbeiten." Unbedingt. Wobei mir sofort der Name Simon Zoller einfällt. Ich lese ja keine Zeitungen, deswegen weiß ich nicht, ob er derzeit verletzt ist – wenn nicht, dann ist er – oder wäre er - eine große Enttäuschung. Denn, das muss ich einmal so hart sagen (schreiben): Die Jungs, die Hürzeler immer noch gegen Ende eines Spiels einwechselt, nämlich Etienne Amenyido und Maurides, bringen es nicht. In meinen Augen jedenfalls. Viel zu wenig. Sie passen sich dem St.-Pauli-Spiel auch nicht so richtig an, versuchen in erster Linie ihr eigenes Ding zu machen. Und dazu, auch das ist meine (exklusive) Meinung, spielt Johannes Eggestein nicht mehr in jener Form (oder Verfassung), die er noch vor einigen Wochen hatte. Dazu bleibt festzustellen, dass Elias Saad zwar immer noch die besten Momente in der St.-Pauli-Offensive hat, er aber ganz sicher auch einen gewissen Kräfteverlust zu registrieren hat. Auch deshalb, weil er während des Spiels ja immer enorm weite Weg geht, gehen muss. Ich finde es echt fabelhaft, wie er das immer meistert!
St. Pauli hatte die größeren, die besseren Chancen, dieses Spiel zu gewinnen, St. Pauli war auch über weite Strecken das bessere Team. Eigentlich auch logisch, wenn der Erste gegen den Letzten antritt. Dennoch hat es nicht zu einem Dreier gelangt. Auch deshalb, weil die St.-Pauli-Schützen, so sie denn das VfL-Tor anvisierten, immer wieder an dem überragenden Keeper Kühn (erstes Saisonspiel!) scheiterten. Und es gab dazu auch keinen Auswärtssieg, weil sich Karol Mets beim Ausgleichstor zu leicht ausspielen (und zur Seite schubsen) ließ. Engelhardt spielte den Abwehrmann rechts im Strafraum auf dem Bierdeckel aus, gab den Ball flach zur Mitte, dort schoss Osnabrücks Conteh (früher St. Pauli) Richtung linker Eckfahne, traf dabei aber auch den Kollegen Makridis, der die Kugel sofort einschoss. Ganz, ganz bitter, dieser (Zufalls-)Treffer in der 82. Minute.
St. Pauli ist nun nicht mehr der unangefochtene Spitzenreiter in Liga zwei, sondern muss sich den Platz (nach Punkten) mit Holstein Kiel teilen. Die Braunen sind „nur“ noch sieben Tore besser als die Störche, die sich still und heimlich an die Spitze vorgeschoben haben. Eigentlich, ich schrieb es schon in der Vorwoche, unfassbar, weil St. Pauli noch immer ungeschlagen ist in dieser Saison. Trotz allem muss festgehalten werden: In der zweiten Halbzeit spielte St. Pauli in Osnabrück nicht wie St. Pauli bislang, sondern passte sich eher dem Spiel des Tabellenletzten an. Da gab es keinen Unterschied mehr zwischen den Teams, und diesen Unterschied gab es bislang in diesem Jahr zu 90 Prozent in allen absolvierten Spielen zu sehen. Das wird Fabian Hürzeler aber sicherlich gesehen haben, das wir ihn ganz bestimmt auch wurmen, daran wird er auch vor dem letzten Heimspiel in diesem Jahr, Sonntag um 13.30 Uhr gegen Wehen-Wiesbaden, arbeiten.
Auch beim (Noch-)Tabellenführer will ich keine große Einzelkritik machen. Torwart Nikola Vasilj spielte fehlerlos, was allerdings diesmal nicht unbedingt für seine Vorderleute galt. Wahl war okay, Eric Smith war noch der Mann, der Souveränität ausstrahlte, Mets hatte nicht nur aufgrund des Gegentores einen schlechten Tag (da zu unkonzentriert) erwischt. Manolis Saliakas scheint mir derzeit nicht im Vollbesitz seiner Kräfte zu sein, bei Philipp Treu wechseln im Moment gute und schlechte und auch etwas amateurhafte, hausbackene Szenen zu schnell ab. Jackson Irvine (der mächtig mit dem Kollegen Mets nach dem 1:1 meckerte!) begann stark, ließ aber in Hälfte zwei stetig nach. Er war aber trotz allem eine verlässliche Stütze seines Teams. Hartel war nicht schlecht, war aber auch schon wesentlich besser. Vorne ist zu Eggestein und Saad bereits alles gesagt, Oladapo Afoyalan begann wie ein Weltmeister, konnte dieses Tempo und diese Leistung aber nur gut eine Stunde halten, dann lief er nur noch auf Reserve.
Ende Januar und Anfang Februar steht dann das Viertelfinale im DFB-Pokal an – wir erinnern uns, diesen Wettbewerb hatte der HSV einfach mal so weggeschmissen. St. Pauli ist aber noch drin und trifft auf den Klassenkonkurrenten Fortuna Düsseldorf. Am Millerntor! Das muss doch machbar sein; wenn sich St. Pauli bis dahin wieder gefangen hat.
Ich habe fertig. Nur noch eine kurze Anmerkung, die Ausschreitungen beim Spiel Hansa Rostock gegen Schalke 04 (0:2). Die erste Halbzeit musste für 30 Minuten unterbrochen werden, weil es Pyro-Krieg und Schlägereien zwischen den beiden Fanlagern gab. Ich bin entsetzt. Total. Diese Irren! Es wird in meinen Augen immer schlimmer, es geht vielen Leuten schon lange nicht mehr nur um den Fußball, sondern um Krawall. Der Fußball muss aufpassen, wohin dieser Weg geht – so wird er in eine Krise marschieren. Ich bedauere nur die armen Polizisten, die sich in solchen Mist einmischen und ihre Körper und Köpfe für diese Hirnis hinhalten müssen…
Euch allen eine gute und erfolgreiche Woche, bleibt gesund und freut Euch auf das letzte große Fußball-Wochenende in diesem Jahr.
Dieter Matz
Dieter Matz - Der Blog
Folge 37/2023
Online seit 07.12.2023
Das Schöne an diesem Pokal-Aus ist ja, dass der HSV immer noch in Sichtweite zu Tabellenführer St. Pauli steht – Platz drei in der Zweiten Bundesliga. Das ist doch was! Und dieser läppische DFB-Pokal, was soll das eigentlich? Das ist doch lächerlich. Etwas mehr als 1,7 Millionen Euro hätte es gegeben, wenn der HSV im Elfmeterschießen bei Hertha BSC gewonnen hätte. Hätte. Ist doch aber völlig egal. Wichtig sind die Punktspiele, die müssen gewonnen werden, und da haut der HSV am Sonnabend von 13 Uhr an im Volkspark auch den SC Paderborn wieder weg. Und dann spricht doch niemand mehr von diesem völlig überflüssigen Pokalspiel in Berlin. So ist das doch! Und die verpassten 1,7 Millionen Euro? Auch lächerlich. Da halten sich die 20 000 HSV-Fans, die mit nach Berlin gereist waren, mal in einem Spiel zurück, verzichten mal auf ein wenig Pyro – schon sind die 1,7 Millionen Euro, die sonst als Strafe fällig wären, wieder blitzschnell drin. Mal ganz ehrlich, ist doch alles halb so wild!
Okay, der FC Bayern hat ja auch schon auf die Pokal-Millionen verzichtet. Dieses Geld wäre ja auch wirklich nur Peanuts. Dortmund hat ebenfalls verzichtet, und gestern Eintracht Frankfurt auf sensationelle Art und Weise auch – Fußball zum Abgewöhnen. Der DFB-Pokal ist eben einfach so blöd und zu läppisch für echte Profis. Abschaffen das Ding.
Mensch, bin ich sauer! Am Morgen danach saß ich mit Frau M. am Frühstückstisch und sagte ihr: „Ich hatte ja einige Trainer in meiner Fußballzeit, darunter waren gute und weniger gute. Aber auch jeder weniger gute Coach hätte spätestens nach einer Halbzeit erkannt, dass da ein Verteidiger seiner Mannschaft mit dem Gegenspieler große und allergrößte Probleme hat. Entweder hätte dieser Trainer dann ausgewechselt, oder er hätte umgestellt. Aber nicht so beim HSV. Da durfte der restlos überforderte William Mikelbrencis sagenhafte 99 Minuten (!) hinten rechts versuchen, mal einen Zweikampf zu gewinnen. Geht‘s noch? Wenn der Trainer das schon nicht sieht oder erkennt, so muss es doch jemanden beim HSV geben, der so etwas sieht – und dann dem hilflos überforderten Trainer mal einen Tipp gibt. Ich verstehe die Fußball-Welt nicht mehr – ich verstehe sie nicht mehr. Das ist doch Wahnsinn!
Fußball von gestern. Ihr erinnert Euch vielleicht, war langsam und auch technisch nicht immer fein. Aber Ihr erinnert Euch vielleicht auch, dass Euer Trainer gelegentlich in der Kabine gesagt hat: „Du, mein Spezi, spielst heute gegen den besten Linksaußen in der Liga, der ist dribbelstark, schnell und hat alle Mätzchen drauf, die es im Fußball so gibt. Du weichst aber keine Sekunde von diesem Mann. Und wenn der zur Toilette gehen sollte, dann gehst du mit – ist das klar!?!?“ Kennt doch jeder, diesen Spruch, oder? Na gut, war gestern, heute ist der Fußball modern, da gibt es Raum- statt Manndeckung, das gibt es das Übergeben an den Mitspieler, und, und, und. Sämtliche Finessen gibt es im heutigen Fußball. Und dann gibt es aber auch so etwas, was sich der HSV in Berlin hinten rechts zurechtgestümpert hat. Fußball für und von Analphabeten.
Übrigens, mein Telefon steht nicht mehr still, während ich das hier schreibe. Aus Lübeck, aus Siegen, aus der Pfalz, aus Delmenhorst und v on überall her rufen sie an. Tenor: „Wir verstehen das nicht, was da beim HSV abläuft, wir haben keine Ahnung mehr von diesem Fußball. . .“ Jawollo! Wer hat schon noch Ahnung von diesem Gekicke?
Jeder im Stadion sah, wie dieser Hertha-Stürmer Fabian Reese den Hamburger Spielern Knoten in die Beine spielte. Jeder hat es gesehen, jeder hätte es auf jeden Fall sehen müssen. Nur beim HSV auf der Bank, da saßen die Jungs im Tiefschlaf. Ich kann es nicht fassen, immer noch nicht. Und dann diese 120. Minute. Der HSV führte 3:2, und ließ den Flitzer Reese links ohne jede Absicherung stehen. Reese hatte das halbe Spielfeld für sich! Niemand da. In der 120. Minute! Das gibt es doch gar nicht. Was sind da für Leute am Werk? Ich musste während des Spiels immer an Eure Hartplatz-Helden Roland Saul und Klaus Horstmann denken. Die haben ganz früher mal (öfter) gegeneinander gespielt. Der gute Roland (für den BSV) hat dem schnellen Klaus (spielte u. A. bei DuWo 08) mal gezeigt, woraus die Aschenbahn besteht. Oder wie es ist, mal eben ein, zwei Mal um die Barriere gewickelt zu werden. Fragt den Klaus, er wird Euch berichten. Roland vielleicht auch, obwohl der danach ja keinerlei Schmerzen verspürte. Aber dieser Jüngling Mikelbrencis, der sah nur die Hacken von Reese. 99 Minuten lang. Und der Trainer am Rande sah es nicht.
Nun ist es ja so, dass es genügend HSV-Fans gibt, die erstens dem Trainer alles verzeihen, die zweitens (vielleicht) auch nicht so recht erkennen, oder erkennen wollen, was da schief läuft. Ich habe gerade mit einem jungen Mann aus Buxtehude telefoniert. Der hatte natürlich auch gesehen, was der Reese da mit seinem HSV veranstaltet hat, aber er sagte mir dann auch: „Oh, man, Dieter, nicht schon wieder der Trainer – ich kann das nicht mehr hören oder lesen! Das ist doch immer dasselbe. Und ändern wird sich, das ist doch auch klar, nichts!“ Genau. So ist es nämlich.
Wenn jemand von Euch das Interview von Patrick Wasserzier (Sky) mit HSV-Sportvorstand Jonas Boldt gesehen hat, dann wisst Ihr doch eigentlich Bescheid. Mehr Arroganz geht nicht, das muss ich so klar und deutlich noch einmal loswerden, mehr Arroganz geht nicht! Sekunden vor dem Elfmeterschießen solche überheblichen Sätze, nein das ist für mich unerträglich. Und ich dachte an jenen Kollegen, der mir einst sagte, als sich das Duo Walter/Boldt in Hamburg gefunden hatte: „Eines ist sicher, der HSV hat jetzt das arroganteste Führungsduo im deutschen Profi-Fußball – in dieser Beziehung steht der HSV jetzt an erster Stelle der Republik!“
Boldt sagte ganz zum Schluss des Interviews: „Ich bin zuversichtlich vor dem Elfmeterschießen, denn wir haben ja Mattheo Raab im Tor.“ Natürlich. Mattheo Raab. Selbstverständlich, Herr Boldt, selbstverständlich. Kommentar meines Busen-Freundes (Namen nenne ich bewusst nicht) nach dem Elfmeterschießen: „Beim HSV stand ein Torwart ohne Arme zwischen den Pfosten. . .“ Mattheo Raab.
Um das aber mal festzuhalten: Raab bewahrte den HSV während des Spiels schon vor einer Pleite, keine Frage – aber im Elfmeterschießen konnte er seine zuvor gezeigten sehr guten Paraden leider nicht bestätigen. Ob das Herr Boldt allerdings erkannt hat, das weiß ich nicht so genau. Ich weiß aber auch nicht, wie hoch der Herr Boldt, um das beurteilen zu können, jemals Fußball gespielt hat, das entzieht sich leider meinen Kenntnissen, da versage ich. Habe aber auch, um ehrlich zu sein, keine Lust, mich diesbezüglich schlau zu machen – zu unwichtig.
Um es mal generell zu sagen: Natürlich kann ein Trainer im Pokal auf einige gute oder sehr wichtige Spieler verzichten. Punktspiele gehen vor. Das haben fast alle anderen Vereine ja auch schon erlebt. Und der HSV kennt Eppingen und Geislingen, wo es für eine mit etlichen Stars bestückte HSV-Mannschaft dennoch Pleiten gab. Bayern München hat es, wie jetzt Frankfurt, kürzlich in Saarbrücken erlebt. Und danach wurde Trainer Thomas Tuchel ganz schön in die Mangel genommen, weil er erstens auf Harry Kane verzichtet hatte, und weil er zweitens Kane nicht noch einmal einwechselte, als es bergab ging. Es gibt also Parallelen. Nur dieses HSV-Debakel von Berlin, das war in meinen Augen noch schlimmer. Tim Walter hat zwar noch Guilherme Ramos gebracht, auch Robert Glatzel, selbst Ransford-Yeboah Königsdörffer, aber genützt hat es nichts. Glatzel hätte dem HSV wohl nur von Anfang an helfen können, ein Einwechselspieler ist er in meinen Augen nicht. Ich dachte während des Kicks immer an Nationalspieler Jürgen Grabowski (Eintracht Frankfurt, leider schon verstorben), der einst in Deutschland als bester Einwechselspieler der Welt gehandelt wurde. Unfairer Weise habe ich gestern immer wieder gesagt: „Nach Grabowski kommt jetzt aber an zweiter Stelle auf jeden Fall schon mal Glatzel, das ist doch klar. . .“
Dass Tim Walter dann auch noch Nicolas Oliveira sowie Elijah Krahn gebracht hat, das hatte dann doch schon eine besondere Note. Weil ja auch Moritz Heyer und Stephan Ambrosius noch auf der Bank saßen. Nun gut, zu viel Erfahrung und Abgeklärtheit hätte wahrscheinlich gar nicht so recht zu diesem HSV gepasst. Dann wäre vielleicht auch die rechte Abwehrseite in Minute 120 nicht ganz so verwaist gewesen, wie sie es gewesen ist, als Reese das 3:3 vorbereitete. Aber kann man das als Trainer wissen? Oder nur ahnen? Oder auch nur im Bauch haben? Ich weiß es nicht ich weiß es nicht. Toll war auf jeden Fall, als der eingewechselte Oliveira mal einen Zweikampf gegen Reese gewonnen hatte (ja, so etwas gab es auch, sensationell!), da liefen Jonas Meffert und Dennis Hadzikadunic spontan auf den Nachwuchsmann des HSV zu und klatschten mit ihm ab. Motto: „Gratulation, Junge, du hast es geschafft!“ Herrlich. Da kam dann doch ein wenig Freude bei mir auf. Dieses schöne Gefühl allerdings hielt sich nur für wenige Sekunden.
Auf das Elfmeterschießen an sich möchte ich nur noch kurz einmal eingehen. Frau M. und ich saßen vor dem Bildschirm, ich blieb ruhig. Sonst kann ich mir, egal wer spielt, kein Elfmeterschießen ansehen und gehe raus aus der Bude, diesmal sah ich der Gefahr nervenstark ins Auge. Schweigend. Erst als Königsdörffer kam und sich als Schützen zu erkennen gab, fand ich meine Worte wieder und sagte zu meiner Gattin – jetzt ernsthaft: „Jede Wette, der verschießt. Jede Wette! Der wird ihn nicht ins Hertha-Tor bringen, keine Chance – Pokal ade.“ Kurz darauf lachte sich meine Frau schlapp und fragte dann: „Wieso wusstest du das?“ Darauf blieb ich die Antwort schuldig. Wer auch nur ein kleines Bisschen Ahnung hat vom Fußball, der. . .
So, ich bin am Ende. Alle HSV-Fans dürfen sich schon auf Sonnabend freuen, da gibt es den nächsten Heimsieg des HSV zu feiern, die Rothosen werden in Bestbesetzung Paderborn aus dem schneebedeckten Volksparkstadion fegen!
Ganz kurz noch zum Tabellenführer. St. Pauli spielt am Sonnabend um 20.30 Uhr in Osnabrück. Sehr unangenehm, das wissen alle, Osnabrück haut mit Vorliebe Hamburger Mannschaften frech wech! Ich glaube, dass der HSV an der Bremer Brücke auch. . . Ich glaube sogar, das ist bisher der einzige Dreier des VfL. Nun gut, St. Pauli wird sich warm anziehen müssen, nicht nur weil Winter ist.
In Homburg hatten sich die Braunen warm genug angezogen, obwohl sie auch auf einige Stammspieer (zunächst) verzichtet hatten. Zur Pause wurde Elias Saad eingewechselt, er sorgte nach dem 1:1 (nach 45 Minuten) für den Umschwung und wurde noch „Man of the match“ gewählt – herzlichen Glückwunsch allen Beteiligten. Es ist allerdings nur ein Gerücht, dass St. Pauli die nun schon bald vom DFB geschickten 1,7 Millionen Euro den Obdachlosen auf der Reeperbahn stiftet. Ich glaube eher, dass der FC St. Pauli mit diesem Geld aus dem läppischen DFB-Pokal doch etwas Sinnvolles wird anfangen können. Ich könnte fast wetten.
Macht es gut, habt ein schönen und erfolgreiches Wochenende – und feiert die Siege Eurer Lieblings-Vereine.
Dieter Matz
Dieter Matz - Der Blog
Folge 36/2023
Online seit 04.12.2023
Zum Schluss gingen sie Arm in Arm vom Platz, sie lächelten, sie drücken sich sogar, schauten sich in die Augen – genau so, als wären sie dickste Freunde. Aber genau das passte wohl zu diesem Spiel, zum 110. Hamburger Derby. Die Trainer, die sich sonst nicht so grün sind, mochten sich plötzlich. Vor dem Spiel hatte St. Paulis 30-jähriger Fabian Hürzeler noch über sein „Verhältnis“ zu HSV-Coach Tim Walter (48) gesagt: „Freunde sind wir nicht.“ Und der Fußballlehrer der Rothosen sagte über Hürzeler so etwas wie „Für sein Alter macht er das schon ganz gut.“ 2:2 hieß es nach aufregenden 90 Minuten und mehr, und nachdem der Ball endgültig ruhte und sich die Mannschaften in den Kabinen aufhielten, da waren sich doch fast alle Fans und Experten einig: Das war das gerechte Ergebnis. Obwohl St. Pauli die bessere erste Halbzeit gespielt hatte, der HSV dann im zweiten Durchgang eine kurzer Wiederauferstehung zum Unentschieden nutzen konnte.
Die ersten zehn Spielminuten verliefen ausgeglichen, obwohl der HSV überraschend selbstbewusst und stark auftrat. Dann aber marschierte St. Pauli, führte nach 27 Minuten 2:0 – alles sah nach einem Heimsieg des Tabellenführers aus. Es sollen, schreibe ich einmal ganz vorsichtig, zwei umstrittene Treffer gewesen sein. Beim 1:0, dem ein Eckstoß von Marcel Hartel (mit rechts von rechst) vorausging, schubsten sich Jonas Meffert und und Karol Mets gegenseitig. Als der Ball noch ruhte, fing Meffert mit dem Schubsen an; als der Ball gespielt und unterwegs war, schubste Mets dann Meffert um. So etwas passiert bei jedem Eckball hundertfach. Sage ich einmal so salopp. Die Kugel kam fast flach auf Höhe Elfmeterpunkt zu Jackson Irvine, der sensationell einschoss. Sensationell deswegen, weil – das behaupte ich auch mal – von zehn Versuchen neun mit Schüssen über das Tribünendach enden. Irvine hat das wirklich in Weltklasse-Manier gemacht, herzlichen Glückwunsch!
Nach diesem Tor in der 15. Minute stand es fünf Minuten später 2:0, weil Johannes Eggestein aus spitzem Winkel getroffen hatte. Allerdings stand Vorlagengeber Elias Saad vorher knapp im Abseits, also zählte dieses Tor nicht. Aber sieben Minuten später!
Nach dem 2:0, das dann zählte, stand bei mir das Handy nicht still! Was für ein Tor! Was für ein Eigentor! Abstoß vom HSV-Tor. Daniel Heuer Fernandes spielte den Ball kurz zu Stephan Ambrosius, danach lief der Torwart dann nach links aus dem Tor, um sich so anzubieten. Ambrosius schob den Ball zum rechts im Fünfmeterraum stehenden Guilherme Ramos, der „paddelte“ die Kugel irgendwie in Richtung langer Torpfosten zurück, das Tor war verwaist – und dann eilte Heuer Fernandes hinzu und drosch den Ball, der durch eine Bodenwelle vor der Torlinie leicht hoch prallte und damit versprang, wuchtig unter die eigene Torlatte. Mehr Slapstick geht gar nicht! Das Jahrhundert-Eigentor! Und das Handy klingelte pausenlos. Ein stadtbekannter Künstler schrieb mir spontan: „Tim Walter hat bei diesem Tor auf Abseits reklamiert!“
Ernsthaft bemängelte HSV-Sportvorstand Jonas Boldt aber später: „St. Paulis Saad stand schon im HSV-Strafraum, bevor der Ball gespielt wurde, das hätte sich auch leicht beweisen lassen, aber es wurde ja nicht überprüft. . .“ Nun gut, ich bin nicht Schiedsrichter dieser Partie gewesen, das war Felix Zwayer, und ich saß auch nicht im Kölner Keller, um die Tore zu überprüfen. Ich habe mich nur gefragt, und zwar völlig unwissend und auch jetzt immer noch total unwissend!): Muss der Ball nicht erst aus dem Strafraum, bevor er dann ins Tor darf? Früher war das meines Wissens so, nach der heutigen Abstoßregel aber wohl nicht mehr. Und der HSV nutzte diese „Chance“ eiskalt, das auch unter Beweis zu stellen.
Bis zur Pause spielte nur St. Pauli, vergab einige vielversprechende Einschussmöglichkeiten, auch weil der letzte Pass nicht ankam. Der HSV schoss in der ersten Hälfte nur ein einziges Mal auf das St.-Pauli-Tor, das war Meffert (sah die fünfte Gelbe und fehlt nun am Sonnabend gegen Paderborn), doch dessen Fernschuss parierte Nikola Vasilj mühelos (23.). Zu diesem Zeitpunkt schneite es schon unaufhörlich, so blieb es auch bis zum Schlusspfiff. Sehr störend, aber das Winter-Wetter ist kein Wunschkonzert!
In den zweiten 45 Minuten herrschte zunächst in den ersten Minuten eine leichte Flaute vor. St. Pauli schien leicht eingeschlafen zu sein – und plötzlich kam der HSV aus dem Nichts zu seinen beiden Toren. Ransford-Yeboah Königsdörffer überlief rechts draußen Philipp Treu, Ignace van der Brempt „übernahm“ die Kugel und schlenzte sie flach vor das St.-Pauli-Gehäuse, wo Hauke Wahl Gegenspieler Robert Glatzel kurz aus den Augen verloren hatte – der „Bobby“ grätschte den Ball aus drei Metern ins Netz (58.). Und zwei Minuten später hieß es bereits 2:2. Der zum zweiten Durchgang eingewechselte HSV-Außen Jean-Luc Dompe spielte links Manolis Saliakas leicht schwindelig, die anschließende flache Eingabe erreichte Immanuel Pherai, der sich am Elfmeterpunkt mit der Kugel am Fuß drehte und einschoss. Weil Gegenspieler Mets nicht nah genug bei der Rothose stand.
Unentschieden. Dabei blieb es. Weil St. Pauli nur noch eine gute Torchance hatte, als Hartel nach einer Irvine-Flanke zu einem Flugkopfball kam, den Heuer Fernandes allerdings ohne große Mühe parierte. Vom HSV kam aber auch nicht mehr viel, die Mannschaft hatte ganz offenbar aus Kiel gelernt: Holstein führte damals gegen den HSV 2:0, dann hieß es 2:2, der HSV wollte den Auswärtssieg, stürmte weiter – und Kiel gewann schließlich noch 4:2. Diesmal stand der HSV defensiv wesentlich besser und ließ kaum noch etwas zu. St. Pauli blieb damit im 20. Spiel in Folge (saisonübergreifend) unbesiegt, der HSV holte sein viertes Unentschieden in dieser Saison (KSC, Kaiserslautern, Wehen-Wiesbaden) in der Fremde. Und deswegen gingen dann auch beide Trainer Arm in Arm vom Rasen.
Wirklich zufrieden aber war nur der HSV-Coach. Tim Walter befand: „Wann man nach zwei solchen Slapstick-Toren 0:2 zurückliegt, das vor ausverkauften Haus am Millerntor, das beim Tabellenführer, und wenn man dann noch zurückkommt und einen Punkt holt, dann ist das aller Ehren wert.“ Fabian Hürzeler gab demgegenüber zu: „Ich bin enttäuscht, denn wir waren über 90 Minuten dominant, habe nur verpasst, das dritte Tor zu machen – und plötzlich kam der HSV aus dem Nichts zu seinen beiden Toren.“ So war es!
Was allerdings nicht unerwähnt bleiben darf: Tim Walter hatte in Halbzeit zwei umgestellt, aus- und eingewechselt. Das war in meinen Augen entscheidend für das Remis. Lukasz Poreba, der neben Meffert auf der Sechs spielte, durfte früh zum Duschen, für ihn kam Dompe. Dieser Wechsel saß. Dompe sorgte auf der linken Seite für viel, viel Schwung, war nie so recht einzufangen. Und der zuvor über links kommende Pherai, dem bis dahin wahrlich nicht viel gelungen war, fühlte sich dann im Mittelfeld wesentlich besser aufgehoben – und traf auch prompt zum Ausgleich.
Das muss anerkannt werden, das hat Tim Walter, der mit der defensiveren Anfangsformation natürlich eine weitere Auswärtsniederlage vermeiden wollte, gut gemacht. Dennoch muss die Frage erlaubt sein, warum der HSV eine eher so ernüchternde (um es milde auszudrücken) erste Halbzeit ablieferte. Walter hatte vor dem Spiel noch optimistisch gesagt: „Wir können in diesem Derby viele Dinge klarstellen. . .“ Oha! Das aber verpasste sein Team. Natürlich hat der HSV eine sehr gute Moral besessen, indem er noch einmal ins Spiel zurückfand, aber ob so etwas immer gelingen kann, bleibt doch ein wenig zu bezweifeln. Elversberg und Osnabrück sprechen (immer noch) eine andere Sprache. . . Was auch die Aussage von Torjäger Robert Glatzel unterstreicht: „Es passiert uns leider zu oft, dass wir immer erst auf die Schnauze fallen müssen, um dann doch noch aufzuwachen. Das müssen wir auf jeden Fall abstellen." Was wohl leichter gesagt als getan ist.
Kurz noch zur Einzelkritik - beginnend mit dem FC St. Pauli. Vasilj war an beiden Toren unschuldig, sonst hatte er nichts zu halten. Wahl wirkte nicht immer souverän, aber er war damit kein Einzelfall, links hatte Mets ebenfalls nicht seinen allerbesten Tag. In der Mitte der Dreierkette behielt Eric Smith meistens den Überblick, zeigte ein gutes Auge und blockte so viele Angriffsversuche des HSV erfolgreich ab. Hinten rechts hatte Saliakas überraschend früh ein wenig „auf Reserve“ geschaltet, der Grieche wirkte diesmal körperlich nicht bei 100 Prozent und sah von Dompe oftmals, zu oft, die Hacken. Links hinten war auch Treu nicht immer sattelfest, so wie beim 1:2 von Glatzel, und auch nach vorne hatte Treu zuletzt schon wesentlich bessere Tage.
Im Mittelfeld rackerte Irvine wieder vorbildlich, er war für mich der beste St.-Pauli-Spieler an diesem Abend. Hartel versuchte einige Sachen, blieb für mich aber doch hinter seinen zuletzt überragenden Leistungen zurück. Vorne rechts hatte Connor Metcalfe für mich etliche gute Szenen, mein Gefühl sagte mir, viel mehr gute Szenen als bei seinen letzten Einsätzen, aber es kam dennoch nichts Zählbares dabei heraus. Eggestein in der Mitte blieb auch hinter seinen zuletzt gezeigten guten Leistungen zurück, und links ließ Saad leider mit zunehmenden Spiel stetig nach. Es war wohl auch für ihn eine Frage der Kraft, denn er ging, wie alle seine Kollegen, weite, sehr, sehr weite Wege, um auch in der Defensive zu helfen – was ihm meistens auch sehr gut gelang. Von den noch eingewechselten Spielern Etienne Amenyido, Lars Ritzka, Oladapo Afolayan und Maurides konnte sich keiner mehr entscheidend durchsetzen.
Zum HSV. Keeper Heuer Fernandes hatte natürlich keinen guten Tag (bei diesem Eigentor!), aber ich werde ihm keinen, nicht den geringsten Vorwurf machen – er war so oft schon der beste Spieler seiner Mannschaft und rettete dem HSV schon so manchen Punkt oder gar Sieg. Solche Tage gibt es eben mal. Van der Brempt versuchte von Beginn an den quirligen Gegenspieler Saad mit Härte zu beeindrucken, was tatsächlich auch oft von Erfolg gekrönt war. Der Belgier überzeugte nach seiner Verletzungspause auf Anhieb, hielt aber natürlich in Sachen Kraft noch keine 90 Minuten durch. Ramos überzeugte erneut kämpferisch, da kann ihm niemand etwas vorwerfen, aber er muss sich das 0:2 auch ankreiden, einen solchen Pass kann er so ganz einfach nicht spielen. Das ist auch eine Frage der Konzentration – er kann es wesentlich besser. Ambrosius überzeugte mich total, er gehört in dieser Verfassung ganz klar zur Stammformation der Rothosen, einen großen Klops hatte der Innenverteidiger auch diesmal nicht in seinem Spiel. Links hinten war Miro Muheim zuletzt schon wesentlich effektiver, er suchte in diesem Derby meiner Meinung nach lange nach seiner Form, brachte auch nach vorne viel weniger als sonst zustande.
Im Mittelfeld konnte Poreba die in ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllen, er blieb blass. Meffert war aktiver, überzeugte kämpferisch und schloss durch sein gutes Lauf- und Stellungsspiel viele Lücken in der HSV-Defensive. Königsdörffer begann fahrig, ich hätte nach gut 20, 25 Minuten erwartet, dass er zur Pause in der Kabine bleiben wird, aber er steigerte sich von Minute zu Minute, wirkte agil und überzeugte mich mit seinem starken Durchsetzungsvermögen – mit dem Kopf durch die Wand. Was ihm auch einige Male gut gelang. Pherai war (auf links) eine Halbzeit lang nicht zu sehen, dann wurde er (auf der Acht) doch wesentlich aktiver, schoss (s)ein Tor und nahm dadurch und danach auch endlich mehr am Spiel teil. Er kann es doch! Laszlo Benes hat sicherlich schon bessere Tage im HSV-Trikot erlebt, als diesen am Millerntor, er hatte kaum einmal eine überragende Szene, tauchte mir viel zu oft und zu lange ab. Das gilt übrigens auch für Glatzel, aber einen Torjäger wie ihn darf man natürlich nie abschreiben, er ist wie eine Schlange – wenn er seine Chance wittert, dann beißt er auch entschlossen zu. Das zeichnet ihn aus, das zeichnete ihn auch an diesem Freitag auf dem Kiez wieder aus.
Von den eingewechselten Spielern überzeugte Dompe, und zwar hundertprozentig. Warum er in der 90.+4 Minute wieder ausgewechselt wurde, erschloss sich mir nicht, aber es war letztlich auch egal – Dompe hatte seine Aufgabe ganz sicher total gut erledigt, er stand exemplarisch für den Umschwung in diesem Spiel. Es kamen dann auch noch William Mikelbrencis (76. - für van der Brempt), sogar (!) noch Levin Öztunali (81. - für Königsdörffer) und Andras Nemeth (für Dompe).
Kurz ein Absatz noch zur Tabellensituation in Liga zwei. Für mich ist eines unfassbar: Da spielt der FC St. Pauli ein so großartiges, überragendes und geradezu sensationelles Jahr, verliert bislang nur zweimal (!) in 2023 - und führt die Tabelle dennoch nur mit zwei mickrigen Punkten Vorsprung gegenüber Holstein Kiel an. Das glaubt man doch nicht. Ich glaube es jedenfalls nicht! Auf Platz drei rangiert derzeit der HSV, einen Zähler schlechter als die Kieler, dann folgen, ebenfalls nur einen Punkt dahinter, Fortuna Düsseldorf und die Spielvereinigung Greuther Fürth. Es ist alles noch so eng an der Tabellenspitze, dass man sagen kann, dass da noch gar nichts entschieden ist. Trotz der Super-Serie der Kiez-Kicker.
Noch einen kurzen Satz zur EM-Auslosung. Ungarn, Schottland und die Schweiz – bei aller Liebe und auch ohne jegliche Arroganz - wenn die (arme und arg herunter gewirtschaftete) deutsche Nationalmannschaft diese Gruppe erneut nicht überleben sollte, dann ist der deutsche Fußball wirklich nur noch eines: zu beerdigen. Obwohl: Die U17 hat an diesem Sonnabend die Weltmeisterschaft gewonnen, durch einen Sieg im Elfmeterschießen gegen Frankreich. Da wachsen wahrscheinlich einige Talente heran, die den deutschen Fußball eventuell doch noch retten könnten. . .
Eine schöne und erfolgreiche Woche für Euch, bleibt gesund und achtet besser als ich auf GLATTEIS!!! Ich habe mich in der abgelaufenen Woche gleich zweimal auf die Fr… oder Schn… gelegt, habe immer noch gewaltig daran zu knabbern, meine ganze rechte Seite schmerzt, konnte aber immerhin noch mit rechts schreiben. Ihr aber könnt ein solches Missgeschick ganz einfach verhindern: Augen auf im Straßenverkehr. Glätte kann auf Euch überall lauern.
Dieter Matz
Dieter Matz - Der Blog
Folge 35/2023
Online seit 27.11.2023
Zuerst einmal eine gute und eine weniger gute Nachricht, keine ganz schlechte Nachricht, eher eine etwas betrübliche. Die gute zuerst: Der HSV und St. Pauli gewinnen weiter. Der HSV zu Hause sein siebtes Spiel dieser Saison, eine großartige Bilanz, der FC St. Pauli gewinnt auch das harte Auswärtsspiel in Rostock und bleibt ungeschlagener Spitzenreiter. Beide Siege bezeichne ich natürlich und selbstverständlich als gut. Betrüblich ist allerdings für mich – und vielleicht ein wenig für Euch: Ich habe keines dieser beiden Spiele gesehen. Familien-Feier in Hannover. Drei Tage lang. Und deswegen werde ich nun auch nur etwas schreiben, aber nicht in der gewohnten Form. Frau M. hat dazu gesagt, dass es ja wohl mal erlaubt sein muss, dass so etwas passiert, die Familie geht vor. Und damit liegt sie genau richtig.
Ich habe die Tore der beiden Hamburger Erfolge gesehen. Mehr leider nicht. Aber ich habe mit vielen Freunden zum Beispiel über den HSV gesprochen. 2:1 gegen den Vorletzten Eintracht Braunschweig. Ich habe aus der Ferne gesagt: „Die Löwen haben wir aber aus dem Volkspark gefegt!“ 2:1, das ist souverän. Ein gutes Pferd springt eben nur so hoch, wie es muss. Oder? Für einen Sieg muss sich der Tabellenzweite selbstverständlich nicht entschuldigen. Die drei Punkte waren und sind wichtig, über das „WIE“ dieser Sieg zustande gekommen ist, spricht morgen schon keiner mehr. Oder nur noch wenige, um es mal ein wenig auf die nette Art zu sagen. Meine Freunde aber haben das doch etwas anders gesehen. Und zwar einheitlich. Teilweise haben sie den HSV in das Mittelmaß gesteckt – oder sogar noch ein wenig tiefer. Einige waren total entsetzt, weil, wie sie sagten, so blass und schlecht keine Mannschaft auftritt und spielt, die in Liga eins aufsteigen will! Ein Freund, und zwar einer, der mit der Rothose und der Raute ins Bett geht, hat in der 59. Spielminute den Fernseher ausgestellt. Sein Kommentar: „Das konnte ich mir nicht länger ansehen, das war ja noch finsterer als bei den Auswärtspleiten in Elversberg und Osnabrück sowie der schwachen Nummer in Wiesbaden. Und auf eine solche miese Art des Profi-Fußballs habe ich keine Lust mehr, das war tatsächlich nur eines: Fußball zum Abgewöhnen. Und dazu ist mir die Zeit zu schade.“
Das klingt hart, aber irgendwie, so scheint mir, trifft es doch den Kern der Sache Zweitliga-Spitzen-Fußball. Der HSV soll in Halbzeit eins gut gewesen sein, soll auch gute Chancen gehabt haben, soll meistens auch überlegen gewesen sein – und hat verdient 2:0 geführt. In dieser Beurteilung waren sich (fast) alle einig. Obwohl es schon im ersten Durchgang nach Meinung einiger HSV-Fans nicht ganz so gut lief, wie in den vorangegangenen Heimspielen. Nach dem Seitenwechsel allerdings wurde es schlimm und schlimmer. Als die Braunschweiger auf 1:2 verkürzt und sogar kurzzeitig das 2:2 erzielt hatten, was wegen einer Millimeter-Abseits-Entscheidung nicht zählte, da war vom HSV nicht mehr viel zu sehen – bis auf vielleicht eine Szene von Königsdörffer. Und das ist gegen einen Tabellenvorletzten dann vielleicht doch etwas zu dünn oder zu wenig. Oder? Oder stimmt der Satz mit dem „springenden Pferd“ vielleicht doch?
Ich erkenne beim früheren Bundesliga-Dino sehr wohl die Handschrift des Trainers. Tim Walter will gewinnen, und er gewinnt. Die Heimspiele. Dazu ist die Hütte immer voll, auch diesmal wieder 57 000 Menschen, fast alle Hamburger (oder, wie in diesem Fall, Nicht-Braunschweiger) gehen zufrieden nach Hause, weil der HSV im Volksparkstadion eine Macht ist. Und dazu gab der Trainer nach dem 2:1-Sieg immerhin zu: „Letztlich hatten wir etwas Glück, das uns in den Vorjahren vielleicht auch einige Male gefehlt hat.“ Etwas Glück also für den HSV. Gegen Eintracht Braunschweig. Einige meiner Informanten bezweifeln allerdings, ob die Mehrheit der Zuschauer im ausverkauften Volkspark ebenso glücklich ist und an das Spiel-Glück denkt. Es gibt Leute, die beobachtet haben (wollen), dass sich auch schon eine gewisse Unzufriedenheit breit macht – oder bereits gemacht hat.
Tim Walter hat auch gesagt: „Wir sind leider mit wackeligen Beinen aus der Pause ins Spiel gekommen.“ Das war wohl offensichtlich – die Frage aber bleibt für mich: „Wieso wackelige Beine?“ Der HSV führte 2:0, da kommt man doch als Mannschaft mit stolz geschwellter Brust und voller Freude wieder auf den Rasen zurück. Eigentlich. Oder haben die Rothosen da schon bereits an den kommenden Freitag gedacht – Derby-Zeit am Millerntor? Aber mir scheint auch, dass das mit den Ausreden und klugen Sprüchen nicht nur auf den HSV und seinen Trainer zutrifft: Jeder hat stets eine plausible Erklärung parat, warum es so super gelaufen ist, oder warum es gerade nicht super gelaufen ist. Schublade auf, und die Erklärung ist da. Ein Beispiel: Spielt eine Mannschaft gegen ein in Unterzahl geratenes Team (Platzverweis), und kommt die Mannschaft, die noch elf Spieler auf dem Rasen hat, dann nicht zu einem Sieg, so heißt es dann später auf der Pressekonferenz: „Die Rote Karte hat uns eher geschadet als geholfen, denn danach hat bei uns jeder gedacht, er könne einen Schritt weniger machen. . .“
Und beim HSV waren es diesmal eben die „wackeligen Beine nach der Pause“. Toll. Bei den Niederlagen gegen die diesjährigen Aufsteiger sagte Tim Walter (das fällt mir gerade noch ein): „Wir wissen ja, dass jeder Gegner gegen den HSV 20 oder 30 Prozent mehr als sonst bringt.“ Was ja, ich schrieb es bereits mehrfach, durchaus erlaubt ist. Könnte der HSV dann ja auch mal machen, nur so zum Spaß. Oder jetzt mal einfach am Millerntor. Ich habe aber doch so meine leichten Zweifel, ob im das (dort) gelingen wird.
Zumal die personelle Situation ja nach wie vor sehr angespannt ist. Gegen Braunschweig saßen auf der HSV-Bank drei Spieler, die noch eingewechselt worden sind: Ransford-Yeboah Königsdörffer (für Jean-Luc Dompe), Lukasz Poreba (für Immanuel Pherai) und Andras Nemeth, der in der Nachspielzeit für Laszlo Benes kam und auch diesmal nur unter Beweis stellen konnte, dass er auf jeden Fall die Haare schön hat. Auf der Bank saßen dazu noch die unberücksichtigten Spieler Öztunali, Krahn, Seifert, Heyer, Torwart Raab und Stange. Wobei ich mal ganz ehrlich bin: Seifert und Stange? Sagen mir eigentlich nichts. Und gegen St. Pauli fällt auf jeden Fall einmal Bakery Jatta aus, der sich am Freitag seine fünfte Gelbe Karte abgeholt hat. Ich gehe deshalb mal schwer davon aus, dass die Flügelzange des HSV am Freitag mit den Namen Königsdörffer und Dompe bestückt sein wird.
Gefreut habe ich mich für die HSV-Torschützen – beide trafen zum ersten Mal in dieser Zweitliga-Saison für den HSV: Guilherme Ramos, der kämpferisch immer alles gibt, köpfte das 1:0 (25.), Sekunden später traf Pherai gegen seinen vorherigen Arbeitgeber. In der 79. Minute wurde der quirlige Mittelfeldspieler wieder einmal ausgewechselt – er kommt leider immer noch nicht so in Schwung, wie er es in meinen Augen eigentlich könnte. Schade. So wie ich es für sehr schade ansehe, dass Levin Öztunali einfach nicht auf die Füße kommt. Entwickelt sich der Enkel von Uwe Seeler so langsam aber sicher zu einem Fehleinkauf?
Damit komme ich zum FC St. Pauli, der zum ersten Mal seit zwölf Jahren in Rostock gewonnen hat, 3:2 bei und gegen den FC Hansa. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie unangenehm es an der Ostsee ist, dort um Punkte zu kämpfen. Oft genug brennt dort die Luft, und besonders dann, wenn St. Pauli dort auftaucht.
Ich erinnere mich an eine Partie, bei der ich urplötzlich, gemeinsam mit dem damaligen (und leider schon viel zu früh verstorbenen) St.-Pauli-Vizepräsidenten Christian Hinzpeter und seiner Frau, in die Kabine der Braunen flüchten musste. Grund dafür: Uns flogen, tatsächlich, Sitzbänke und ganz, ganz dicke Steine um die Ohren. Von kräftigen „Hansa-Fans“ aus der Erde gerissen und uns „freundlich“ zugeworfen. Auch das Spiel musste deshalb unterbrochen werden, die Spieler beider Mannschaften kamen ebenfalls in die Kabinen und suchten Schutz in den Gängen. Das war schon ein sehr unangenehmer Nachmittag. Letztlich aber sind wir alle heil geblieben.
St. Pauli ist an diesem Sonnabend, an dem ich dann leider auch nichts im Fernsehen sehen (und verfolgen) konnte, ebenfalls heil geblieben. Unfassbar, diese Erfolgsserie, die Kiez-Kicker sind immer noch ungeschlagen! Ob das auch am Freitag so bleiben wird. Anstoß am Freitag ist bekanntlich um 18.30 Uhr, zu einer Zeit, wo es schon sehr dunkel ist. Ob der DFB mit dieser Ansetzung richtig liegt? Ich wage es stark zu bezweifeln. Hoffentlich bleibt es ruhig, hoffentlich können alle auch das sagen, was ich eben geschrieben habe: Letztlich sind wir alle heil geblieben.
Ich wurde per Whats App über jedes Tor in und aus Rostock informiert. In der achten Minute der Hand-Elfmeter für Hansa zum 1:0. Da ahnte ich Böses. Was zum Glück nicht eintraf. „Wir haben nach diesem 0:1 weiter Fußball gespielt“, sagte St.-Pauli-Trainer Fabian Hürzeler kurz und knapp dazu. Super gemacht. Gar nicht erst vom Plan abbringen lassen, sondern das eigene Spiel durchziehen. Und das klappte sensationell. Innerhalb von acht Minuten (15. 19. und 23.) hieß es 3:1 für den Tabellenführer. Was für ein Lauf! Manolis Saliakas traf aus 25 Metern (oder 26?) sehenswert zum 1:1 – ein Tor des Monats. Ich glaube ja: zum Tor des Monats. Marcel Hartel, über den mir ein Informant sagte, er sei der beste Mann auf dem Platz gewesen, schoss im zweiten Versuch das 2:1, und Oladapo Afolayan traf aus 16 Metern flach zum 3:1. Herrlich anzusehen. Die mitgereisten 2600 Hamburger Fans waren total aus dem Häuschen – aber es blieb vor dem Spiel relativ ruhig, auch während der 90 Minuten und auch danach. Hunderte von Polizisten hatten dieses Spiel beruflich begleitet, das zahlte sich aus.
Im zweiten Durchgang hatte St. Pauli zahlreiche Großchancen, ließ aber alle ungenutzt. Das hätte sich beinahe doch noch gerächt. Nach dem zweiten Elfmetertor von Junior Brumado (80.) hatte Hansa noch dreimal das 3:3 auf dem Fuß, vergab aber ebenso unkonzentriert wie auf der Gegenseite St. Pauli. Und jetzt geht es gegen den HSV. Der ist einer der beiden Klubs, der es in diesem Jahr geschafft hat, gegen die Braunen zu gewinnen (zweiter Verein ist Eintracht Braunschweig). Bis zum Freitag werden die Hamburger Fußball-Fans nun nur ein einziges Thema haben: DERBY. Das trifft auch auf mich zu!
Fußball-Fieber. Das hatte ich während der letzten 14 Tagen nicht. War ja Länderspiel-Pause. In der Bundesliga. Aber die deutsche Fußball-Nationalmannschaft hätte besser eine Länderspiel-Pause einlegen sollen. Gegen die Türkei beim Auswärtsspiel in Berlin 2:3 verloren, gegen Österreich in Wien, und zwar im Ernst-Happel-Stadion, 0:2 verloren. Armer deutscher Fußball. Das war grausam anzusehen.
Aber die Frage, die sich nach diesem fußballerischen Offenbarungseid viele Fans stellten, ist die: Wie krank ist dieser deutsche Fußball eigentlich?
In meinen Augen sehr, sehr krank, auf jeden Fall. Mir tut, wenn ich das so schreibe, der EM-Chef Philipp Lahm leid, der überall im Lande auftaucht und gute Miene zum bösen Spiel machen muss. Der ehemalige Nationalelf-Kapitän trommelt, um 2024 eine gute Europameisterschaft für Deutschland auf die Beine zu stellen – und muss dann solche erschütternden sportlichen und fußballerischen Leistungen erleben. Der deutsche Fußball befindet sich, so schlimm das auch klingen mag, nicht nur auf direktem Weg in die Mittelmäßigkeit, nein, nein, es geht noch viel, viel tiefer hinunter. Deutschland war einst eine Fußball-Weltmacht, das ist ungefähr neun Jahre her, heute (und schon seit einigen Jahren) spielt die Mannschaft Fußball auf die lächerliche Art. Vor Fußball-Deutschland hatte die ganze Welt großen Respekt, aber das war einmal. So etwas wird es nie wieder geben – das ist meine Überzeugung, das prophezeihe ich einmal ganz hart. Es ist doch wirklich nur noch zum Heulen!
Wenn ich diese Nationalmannschaft sehe, dann fehlt mir die Phantasie, an eine auch nur halbwegs erfolgreiche EM zu denken. Mir fehlt obendrein auch die Phantasie zu glauben, dass das, was da als Nationalmannschaft aufläuft, wirklich die besten Spieler des Landes sind. Solche Ansammlung von mittelmäßigen und untalentierten Spielern wäre vor cirka 15 Jahren noch nicht einmal eine B-Nationalmannschaft gewesen. Und das meine ich absolut ernsthaft. Mit dieser Truppe würden wir, die Deutschen, nicht mal den „Horst-Eberstein-Pokal“ gewinnen - falls jemand noch weiß, wer Horst Eberstein war: ein großer HSVer.
Ja, wie krank ist dieser deutsche Fußball? Für mich sehr, sehr krank, klare Sache. Es fehlen viele gute und überdurchschnittliche Spieler, ganz eindeutig, es gibt kaum noch herausragende deutsche Fußball-Persönlichkeiten. Aber es fehlen auch geeignete Führungspersönlichkeiten, und zwar in allen Positionen. Dazu passt auch die folgende Geschichte. Die Geschichte von Karim Adeyemi, der einst als riesiges Talent in Deutschland galt – als er noch für Red Bull Salzburg in Österreich stürmte. In der aktuellen Bundesliga-Saison ist von dem 21-Jährige von Borussia Dortmund noch nicht viel zu sehen – nicht viel Positives jedenfalls. Im Sommer 2022 war er zum BVB gekommen, ihm gelangen in 24 Spielen sechs Treffer und fünf Vorlagen, dazu gab es noch zwei Tore in der Champions League von ihm. Vier A-Länderspiele hat er bislang absolviert (ein Treffer), aber auch beim neuen Bundestrainer Julian Nagelsmann spielt er (zurzeit) keine Rolle mehr. Deshalb sollte Adeyemi, von dem lange, lange nichts mehr zu sehen war, in der deutschen U-21-Nationalmannschaft von Trainer Antonio Di Salvo spielen. Die beiden Quali-Spiele gegen Estland (4:1) und Polen (3:1). Aber die Einladung des DFB hatte Adeyemi ausgeschlagen. Ein (kleiner) Hammer. Di Salvo beschwichtigte: „Jetzt war es eben so, dass Karim diese Entscheidung getroffen hat, er erhofft sich mehr Spielzeit, indem er beim BVB-Training bleibt und sich so anbieten kann." Eine zu simple und zu billige Erklärung? Ich finde ja! Für mich ist dieses Verhalten eines jungen und talentierten Profis ganz einfach ein Unding.
DFB-Präsident Bernd Neuendorf sagte zu dieser Aktion immerhin: „Ich halte es für einen Fehler, den Adeyemi da gemacht hat. Es bringt aber auch nichts, jemanden zu zwingen, zur U21 zu kommen, denn es hilft ja nicht, wenn da jemand nur mit halbem Einsatz auftritt." Natürlich nicht. Dennoch ist eine solche Absage kein Ruhmesblatt für den DFB – und erst recht nicht für Karim Adeyemi. Der galt auch für mich als ein sehr, sehr großes Stürmer-Talent, ich hatte viele Hoffnungen in ihn gesetzt, er hätte dem deutschen Fußball helfen können, aber ganz offenbar fehlt da bei ihm doch etwas. Er hat sich in meinen Augen durch diese Geschichte total ins Abseits gedribbelt. Leider. Schlechte Berater?
Genau das ist ein Problem, was wohl in dieser Zeit auf den gesamten deutschen Fußball zutrifft. Armer deutscher Fußball!
Ich wünsche Euch eine tolle, erfolgreiche und gesunde Woche voller Vorfreude auf das Derby - und:
MÖGE DER BESSERE GEWINNEN!
Dieter Matz
Dieter Matz - Der Blog
Folge 34/2023
Online seit 13.11.2023
Frank Buschmann, wer kennt ihn nicht? „Buschi“ wird er von allen genannt. Ein feiner Kerl, der nie auf den Mund gefallen ist. Moderiert viele Sendungen, und ist Sky-Reporter. Als ein solcher saß er am Sonnabend auch am Schirm, als der VfB Stuttgart den Borussen aus Dortmund Knoten in die Beine spielte. Die Schwaben gewannen 2:1, aber das ist in diesem Fall mal nebensächlich. Es ging um den verletzten VfB-Torjäger Guirassy. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass der nach seiner Verletzung, die ihm zuletzt eine Zwangspause eingebracht hatte, heute noch eingewechselt wird. Ich kann es mir wirklich nicht vorstellen. Ich könnte fast wetten, dass das nicht passiert.“ Öfters hat das der „Buschi“ gesagt. Und dann wurde der Guirassy doch prompt in der 68. Minute eingewechselt – und schoss sogar das Siegtor. Aber um diesen Treffer geht es auch nicht. Es geht vielmehr um „Buschi“ und seine mehrfach getätigte Aussage: „Ich kann es mir nicht vorstellen.“
Und damit bin ich beim HSV. Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass sich dieser auswärtsschwache Ex-Dino schon bald – oder auch erst langfristig – von seinem Trainer Tim Walter trennt. Ich kann es mir wirklich nicht vorstellen. Und ich könnte eigentlich auch drauf wetten, dass so etwas nicht passieren wird. Obwohl es so viele Fußball-Fans fordern. Mein Handy musste am Sonnabend und in der Nacht zum Sonntag Schwerstarbeit leisten, denn die Forderungen nach einer Trainer-Entlassung beim HSV nahmen nach der bitteren 2:4-Pleite in Kiel einfach kein Ende. Und fast allen Leuten, Freunden und Bekannten antwortete ich stereotyp: „Ich kann es mir wirklich nicht vorstellen, beim besten Willen nicht!“
Und dann erklärte ich auch lang und breit: „Du bist nun gedanklich, nur gedanklich mal Timmy Walter, der Flaschendreher, und ich bin gedanklich Jonas Boldt, der Strippenzieher beim HSV, der alles und jeden fest im Griff hat. Und ich als gedanklich Jonas Boldt spreche unter vier Augen mit meinem Timmy: ‚Timmy, wir wären doch schön blöd, wenn wir jetzt oder auch später eine Trennung vollziehen würden. Wir wären doch wirklich nur blöd. Du verdienst Millionen beim HSV, ich verdiene etwas mehr als Millionen beim HSV – warum sollten wir dann die Äste absägen, auf denen wir sitzen? Wir wären doch nur blöd. Wir müssen einfach nur treu und fest zusammenhalten, dann geht alles munter so weiter wie bisher. Wer soll uns denn etwas? Im Aufsichtsrat sitzen Leute, die keine Ahnung vom Fußball haben, und auch ansonsten sehe ich weit und breit keinen Mann, der uns gefährlich werden könnte. Nein, mein lieber Timmy, wir machen mal schön so weiter wie bisher, und dann haben wir auch am Monatsende immer schön die dicke Marie in der Tasche. Oder auch nur auf dem Konto. Egal wo und wie, wir haben sie.' Wie gesagt, Du warst bis eben der Timmy, und ich der Jonas Boldt.“
Genau wegen dieses fiktiven Gespräches kann ich mir einen Trainerwechsel beim HSV, so auswärtsschwach diese Mannschaft auch immer auftritt, beim besten Willen nicht vorstellen. Eigentlich könnte ich wetten. . . So wie „Buschi“ im „Fall Guirassy“. Zumal sich der Timmy Walter ja auch schon lange unsterblich in Hamburg gemacht hat. Er freut sich nicht nur, dass er beim Traditionsverein HSV arbeiten darf, er sagt es auch immer wieder. Und er liebt diesen Verein, liebt seinen Arbeitgeber ja sogar auch von Herzen, wie er sagt. Und er sagt auch, dass er seine Spieler liebt, und zwar alle, dass er ebenfalls die fantastischen HSV-Fans liebt; ohnehin liebt er alles in Hamburg und alle und jeden Hamburger, er streichelt jungen Autogrammjägern väterlich-freudig sanft über die Haare, begrüßt alle Rollstuhlfahrer per Handschlag und lächelt stets verständnisvoll und nachsichtig in jede noch so große oder kleine Kamera. Wer würde es da, Millionen an Euros hin, Millionen an Euros her, wagen, diesen so beliebten und verliebten Trainer vor die Tür zu setzen? Der HSV auf jeden Fall nicht. Ich halte das für vollkommen ausgeschlossen. Eigentlich könnte ich. . .
Zumal, das kommt ja auch noch erschwerend hinzu, der HSV ja nicht in Abstiegsgefahr schwebt. Walters HSV ist ja noch nicht einmal ins Mittelfeld abgefallen. Der HSV steht, ein kleines Wunder, immer noch auf Platz zwei, der ja bekanntlich zum Direktaufstieg reicht, und er spielt natürlich immer ganz oben mit. Das steht doch außer Frage, oder? Und welcher Verein schmeißt dann einen solchen Erfolgs-Trainer raus? Oder setzt ihn vielleicht auch nur ganz nett und ohne schlechte Hintergedanken vor die Tür? Das wird nie passieren. Ich jedenfalls kann es mir nicht. . . Das hätte der Herr Walter auch nicht verdient!
Obwohl: Ein solcher Nicht-Auftritt, wie ihn der HSV am Sonnabend in Kiel über, sagen wir mal, 70 Minuten hingelegt hat, fällt irgendwie ja auch immer ein bisschen auf den Trainer zurück. Das wissen wir doch alle. Ein Trainer könnte seinen Mannen immerhin schon mal während der ersten Halbzeit den Marsch blasen, vielleicht auch aufwecken, sogar ein wenig unsanfter aufwecken, so in der Art, wie ein lautstarker Trainer mit dem Schiedsrichter bei vermeintlichen Fehlentscheidungen umgeht, nein, nein, er könnte auch schon mal ewas frühzeitiger als sonst Umstellungen vornehmen, er könnte ein- und auswechseln, er könnte eigentlich und auch bestimmt viel mehr machen, als nur an einer Flasche den Hals umdrehen, oder Schiedsrichter-Entscheidungen zu bemängeln. Aber gut, das obliegt ganz sicher nicht meiner Verantwortung, dafür wäre beim HSV dann wohl doch eher der Herr Boldt zuständig.
Die Rothosen jedenfalls quälten sich an der Förde mehr oder weniger, eher aber ein wenig weniger, über und durch die ersten 45 Minuten. Holstein brannte, brannte und brannte, hatte zudem richtig viel Biss und hatte Gift mit auf den Rasen gebracht, der HSV trat schläfrig auf und hatte alle seine Zähne noch schnell vor dem Einlaufen an der Kasse abgegeben. Und so gewinnst du eben nach den Fußball-Tempeln in Elversberg, Osnabrück und Wiesbaden auch in Kiel keinen Blumentopf. Ich hatte immer das Gefühl, dass die Kieler an diesem Sonnabend bestimmt nicht ihren allerbesten Fußball spielen würden, aber es für diesen phlegmatischen HSV immer noch reichen würde. Auch wenn das 1:0 natürlich ein wenig glücklich (für Kiel) und unglücklich (für den HSV) fiel: Miro Muheim trat ein wenig schläfrig und überaus fahrlässig den „giftigen“ Lewis Holty (ausgerechnet Holtby!) gegen das Bein, der Altmeister kippte wie vom Blitz getroffen um, Schiedsrichter Deniz Aytekin pfiff Elfmeter, und den verwandelte Skrzybski sicher (19.).
Der HSV musste bis zur 40. Minute auf seine erste Torchance warten, aber gut Ding will eben Weile haben: Freistoß von Laszlo Benes, Kopfball von Guilherme Ramos – überweg. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Kieler schon einige gute oder auch sehr gute Einschussmöglichkeiten. Sky hatte eine Torgefahr-Statistik eingeblendet, und nach der lagen die Kieler mit 2,1 zu 0,9 klar vorn. Aber jetzt! Mit dem Anstoß zur zweiten Halbzeit würde oder musste der HSV ja kommen. Denkste. Es gab zwar nach dem Anpfiff gleich eine gute Möglichkeit, aber danach hatten die Kieler derer drei. Dennoch hätte es in der 52. Minute 1:1 stehen müssen! Nicht können, sondern MÜSSEN! Da nämlich vergab Robert Glatzel nach einer Mikelbrencis-Flanke eine Hundertprozentige, ach was, eine Tausendprozentige. Der Torjäger köpfte aus fünf Metern gen Kieler Tor, traf aber per Aufsetzer nur die Querlatte. Was für eine Chance! Zu so etwas sage ich ja immer. „Daraus hätte Uwe Seeler selbst mit zarten 85 Jahren noch drei Tore gemacht! Diesmal vielleicht sogar vier!“
Fünf Minuten später dann das: Nach einem Holtby-Pass „eierte“ der Österreicher Pichler im Holstein-Trikot den grätschenden Ramos aus und traf mit links aus zwölf Metern zum 2:0 ins Netz (57.) - unhaltbar für Daniel Heuer Fernandes. Kurzzeitig hatte nach diesem Tor Tim Walter keine Flasche mehr in der Hand. . . Aber die kam natürlich wieder. Nur drehen ist schöner.
Benes hatte danach das 1:2 auf dem Fuß, aber Keeper Weiner hielt prächtig. Walter wechselte, nahm William Mikelbrencis und Jean-Luc Dompe raus und brachte Andras Nemeth und Ransford-Yeboah Königsdörffer. Und ich hätte nie für möglich gehalten, dass ich den „kleinen König vom Volkspark“ noch einmal in diesem Leben loben würde – aber er war tatsächlich gut, brachte Schwung. Das muss aus Gründen der Fairness auch festgehalten werden. Er war gut, nicht überragend, aber er war, um das mal kurz festzuhalten, besser als viele, viele andere HSV-Kollegen an diesem 11. 11. - da konnte sich keiner in karnevalistischer Hochstimmung schlapplachen. Ernsthaft.
Doch der HSV kam noch einmal. Und wie! Glatzel, der „Bobby“, vor allem. Linksflanke Muheim, Kopfball Glatzel – 1:2 (71.). Und Rechtsflanke von Bakery Jatta (sein beste Szene!), Kopfball Glatzel aus drei Metern – 2:2 (80.). Einen Auswärtspunkt gerettet? Ich habe, das gebe ich zu, an mehr gedacht. Das gewinnt der HSV noch 4:2, 5:2. Dachte ich. Weil Holstein am Boden lag, die meisten Spieler schnappten wie die Maikäfer nach Luft, waren fertig. Doch dann verlor rechts draußen Jatta den Ball, Fiete Arp, der frühere „HSV-Wunderstürmer“, der zu diesem Zeitpunkt auch schon völlig auf war, hatte noch einen blitzartigen Einfall, er schickte rechts mit einem Traumpass den früheren HSV-Spieler Finn Porath auf die Reise, der gerade erst eingewechselt worden war – und noch Kraft hatte. Der lief und lief und sprintete wie von Sinnen, schloss aus 16 Metern mit einem traumhaften und knallharten Schuss ab – 3:2 für Kiel! Ein Holstein-Tor aus heiterem Himmel. Aber der HSV wollte offenbar zu viel, entblößte seine Abwehr fast völlig – leider ein wenig amateurhaft. In der 88. Minute dann die endgültige Entscheidung, der eingewechselte Sterner war nach Fußabwehr von Heuer Fernandes mit einem Abstaubertor zur Stelle, die 2:4-Pleite des HSV perfekt.
Wieder oder erneut in einem kleinen und engen Stadion verloren! Kann der HSV nur in großen Arenen? Oder kann der HSV eventuell gar nicht mehr auswärts? „Es hat nichts damit zu tun, ob wir auswärts oder zu Hause spielen, wir schlagen uns immer selbst, weil wir zu viele individuelle Fehler machen“, sagte der schwer genervte Tim Walter, der völlig überraschend und besonders Torjäger Glatzel kritisierte: „Nach der Pause hat er sich an den Plan gehalten und die Box besetzt. Das sollte er aber schon in Halbzeit eins. Doch wenn sich die Spieler dann nicht an den Plan halten, bekommen sie eben die Quittung." Glatzel sah die Schuld eher nicht so sehr bei sich, er befand allgemein: „Wir wussten genau, was in Kiel auf uns zukommt, wir haben aber überhaupt nicht dagegenhalten. Wir hatten zu Beginn nicht das gleiche Engagement wie die Kieler, die viel griffiger waren. Und nach dem 2:2 waren wir dann zu naiv, da waren wir zu offen, da haben wir kopflos verteidigt." Noch ein Volltreffer von „Bobby“, aber der schlug sich dann nicht mehr auf der Anzeigentafel nieder. Die Frage nach „auswärts oder nicht auswärts“ warf dann aber doch noch einmal Torwart Heuer Fernandes auf: „Wenn wir auswärts nicht etwas ändern, wird es schwer, unsere Ziele zu erreichen. Wir hatten keine Bewegung, keine Energie."
Heuer Fernandes hatte keine Schuld an dieser Niederlage, er hielt das, was er halten konnte. Die vier Gegentore konnte er nicht verhindern. Mikelbrencis hinten rechts traf auf einen Fiete Arp, der das „Spiel seines Lebens“ machte. Der junge Franzose im HSV-Dress konnte Arp nie entscheidend an die Kette legen, Arp war einer der besten Kieler an diesem Tag und wurde von den Holstein-Fans lautstark gefeiert. Ramos spielte solide, musste aber verletzt vorzeitig vom Platz – wieder die Adduktoren. Dennis Hadzikadunic holte sich die fünfte Gelbe Karte ab und wird am 24. November, einem Freitag, im Heimspiel gegen Braunschweig eine Zwangspause einlegen müssen. Gegen Kiel hatte „Hadzi“ nicht seinen besten Tag erwischt, er leistete sich dann doch einige Flüchtigkeitsfehler (zu viel). Muheim beging den folgenschweren Patzer beim Elfmeter zum 0:1, aber ansonsten war das okay, was er spielte. Pherai war die vielleicht größte Hamburger Enttäuschung für mich, er fand gar nicht statt; Benes war allerdings auch nur unwesentlich besser. Jonas Meffert auf der Sechs war ganz sicher nicht immer souverän, aber insgesamt doch einen Tick konzentrierter und engagierter als viele seiner Nebenleute.
Jatta rechts war kaum zu sehen, Dompe links leider ebenso – ich würde sie als Totalausfälle bezeichnen wollen. Bei „Jattata“ bin ich solche Formschwankungen gewöhnt (Ihr doch auch, oder?), Dompe aber bleibt mir ein Rätsel. Nach seinem Formel-1-Crash vor Monaten am Hamburger Hafen kommt er einfach nicht mehr auf die Beine. Schade eigentlich. Glatzel blieb lange unfassbar blass und spielte wie ein Phantom, fand irgendwie auch nicht wirklich statt, bis er zu seinen Toren Nummer neun und zehn kam. Eingewechselt wurden neben den bereits genannten Spielern Königsdörffer und Nemeth auch noch Lukasz Poreba und Moritz Heyer (für Ramos), glänzen konnte keiner mehr – Königsdörffer aber wirkte immerhin engagiertet, mutiger und unternehmungslustiger als alle anderen HSV-Profis an diesem Tag.
Zum Tabellenführer. St. Pauli spielte „nur“ 0:0 gegen Hannover 96. Das NUR in Anführungsstrichen, denn es war klar, dass es gegen die bis zu diesem Spieltag besten Torschützen aus Niedersachsen (26 Treffer) schwer werden würde. Was allerdings auffällig war an dieser Partie: 96 hatte in meinen Augen nur eine einzige Torchance, und die hatte Abwehrspieler Neumann in der 84. Minute, als er nach einem Eckstoß neben das St.-Pauli-Tor köpfte – klar vorbei allerdings auch. Diese kleine Statistik spricht für die konzentrierte Abwehrarbeit der Braunen!
Pech war, dass Jackson Irvine diesmal gelb-gesperrt fehlte, er wäre gerade in einem solch engen Match der genau richtige Antreiber gewesen. Nach vorne fehlte St. Pauli diesmal ein wenig die Durchschlagskraft, der beste und auffälligste Angreifer war der frühere Buxtehuder Elias Saad, der – wenn es nach meinen Erinnerungen geht – zum ersten Mal für St. Pauli ein Punktspiel auf dem Rasen und nicht unter der Dusche beenden durfte – Saad wurde NICHT ausgewechselt! Völlig berechtigt, würde ich sagen, denn er ist immer und jederzeit dazu bereit, auf die größten und härtesten Brocken in der gegnerischen Abwehr zuzulaufen, um sie auszudribbeln. Der junge Mann vom BSV ist einfach klasse!
Saad schoss auch ein Abseitstor, bei dem nicht er im Abseits stand, sondern kurz zuvor Oladapo Afolayan. Es war die rechte Ferse des Togolesen, die sich in der 23. Minute im Abseits befand, sonst hätte dieses Tor gezählt – wirklich viel, viel Pech! Ich denke zudem, dass St. Pauli auch mit der Schiedsrichter-Ansetzung Pech gehabt hat. Richard Hempel pfiff meines Wissens sein sechstes Zweitliga-Spiel und ließ enorm viel laufen – oder auch durchgehen. Hannover langte mitunter richtig krass, forsch und sehr rustikal hin, aber Gelbe Karten, die mit Sicherheit mehrfach angebracht gewesen wären, blieben Mangelware. Schade, schade. Weil ich denke, dass so vor allem Afolayan vorzeitig der Schneid abgekauft wurde.
Der „Torschütze vom Dienst“, Johannes Eggestein, hatte diesmal zwei (nur zwei) Möglichkeiten, einmal scheiterte er am glänzend parierenden 96-Schlussmann Zieler (16.), einmal köpfte der Stürmer neben das Tor (77.).
Eine böse Spielunterbrechung gab es um die 80. Minute herum, als der Unparteiische den Ball für Minuten ruhen lassen musste. Die Polizei war mit einem großen Aufgebot in den Block der Fans von Hannover gestürmt, es gab massenweise Schlägereien und Pfefferspray-Einsatz, Schlagstöcke schwirrten durch die Luft und auf Köpfe und Schultern hernieder – das sah nicht sehr schön aus, um es einmal galant zu formulieren. Am Abend wurde öffentlich, dass es 32 Verletzte gegeben hätte, darunter 17 Polizisten. Diese „angeblichen Fans“ lernen es nie, dass es nur mit gutem Benehmen echte und schöne Fußball-Feste gibt und geben kann. Aber sie wollen es ja wohl auch nie lernen, Krawalle gehören für diese Leute einfach (zu ihrem Fußball-Fest) dazu.
In der Einzelkritik nehme ich wieder einmal den beschäftigungslosen Torwart aus, Ihr wisst es: Torwart-Daddelei. Die Dreierkette mit Hauke Wahl, Eric Smith und Karol Mets erledigte ihre Defensivarbeit großartig, dennoch leistete sich ein jeder von ihnen gelegentlich den einen oder anderen Flüchtigkeitsfehler im Aufbauspiel. Manolis Saliakas und Philipp Treu sollten auf den Außenpositionen für Schwung nach vorne sorgen, das gelang dem Griechen nicht so oft, Treu, als „Rechtsfuß“ links, noch viel seltener. Connor Metcalfe blieb als Irvine-Ersatz blass, Marcel Hartel begann wie ein „Weltmeister“, knüpfte an die zuletzt gezeigten guten Leistungen nahtlos an, ließ später aber stetig nach. Zum St.-Pauli-Angriff ist bereits alles geschrieben. Eingewechselt wurden Danel Sinani (76. für Afolayan), er konnte nichts mehr bewegen, Etienne Amenyido kam erst in der zweiten Minute der Nachspielzeit.
„Wir waren über die 90 Minuten dominant, haben aber auch ein wenig gebraucht, um ins Spiel zu kommen. Wir wussten, dass wir nicht in jeder Halbzeit sieben, acht Torchancen herausspielen werden, aber mit dem letzten Quäntchen Glück wäre noch der ersehnte Dosenöffner möglich gewesen. Nach der Spiel-Unterbrechung war es dann so, dass der Spielfluss unterbrochen war. Hannover hat das aber auch unfassbar gut verteidigt. So blieb uns wenig Raum und wenige Umschaltmomente“, sagte St.-Pauli-Trainer Fabian Hürzeler und fügte hinzu: „Dennoch bin ich mit der Leistung zufrieden, wir haben vieles richtig gemacht, auch in der Defensive, da haben wir eine gute Balance gefunden.“
St.-Pauli-Abwehrspieler Hauke Wahl gab zu: „Wir als Mannschaft wollen jedes Spiel gewinnen, so gehen wir ins Spiel. Heute ist es uns leider nicht gelungen, daher sind wir etwas enttäuscht. . .“ Angreifer Elias Saad befand: „In der ersten Halbzeit haben wir viel Druck gemacht und uns Chancen erarbeitet. Da müssen wir einfach das Tor machen. Ich hatte auch mehrere Möglichkeiten. In der zweiten Halbzeit war es ein Kampfspiel mit sehr vielen Zweikämpfen. Wir haben zusammen alle verteidigt, ganz nach unserer Philosophie. In der ersten Halbzeit war ich zufrieden mit meinem Spiel, da ich viele Aktionen hatte, die auch geklappt haben. In der zweiten Halbzeit war es nicht mehr ganz so gut, aber das passiert.“ Hannovers Trainer „Stefan Leitl gab zu: „Wir sind froh, dass wir hier einen Punkt mitnehmen konnten. Es war genau das Spiel, auf das wir die Jungs vorbereitet haben. Wir wussten, dass wir auch mal Phasen haben, wo wir wenig Ballbesitz haben werden. Die Jungs haben sich in alles reingeworfen, diesen Punkt nehmen wir gerne mit.“ 96-Kapitän Ron-Robert Zieler war ebenfalls zufrieden und lobte den Gegner: „St. Pauli spielt echt einen guten Ball. Wir haben aber gut dagegengehalten und uns das 0:0 erkämpft."
Länderspiel-Pause.
Ich freue mich auf Süle, Rückwärts-Raum, Ducksch und Co. Das werden bestimmt zwei richtig gute Fußball-Feste.
Ich wünsche Euch einen guten Start in die neue Woche, bleibt schön gesund (Corona ist leider wieder im Kommen!) und habt viel Spaß mit Euren Lieben.
Dieter Matz
Dieter Matz - Der Blog
Folge 33/2023
Online seit 06.11.2023
„St. Pauli ist die einzige Möglichkeit.“
Dieser vielsagende Spruch prangte groß und unübersehbar hinter einem Tor im Stadion von Elversberg. Und dieser Spruch stimmt. Es gibt doch keine andere Möglichkeit – dieser FC St. Pauli muss einfach in die Erste Bundesliga aufsteigen. Wer sonst? Erst das harte Spiel gegen den KSC gewonnen, dann 120 Minute im Pokal gegen Schalke und natürlich auch gewonnen, und nun beim so tüchtigen Aufsteiger Elversberg 2:0 gewonnen! Gewinne, Gewinne, Gewinne. Wie auf dem Dom!
Wann und wo endet diese traumhafte Erfolgswelle? Hoffentlich noch lange nicht! Tabellenführer St. Pauli ist und bleibt in dieser Saison weiterhin ungeschlagen, hat in diesem Jahr noch immer nur insgesamt zweimal verloren, das ist doch sagenhaft. Einfach eine sensationelle Serie. Dieser FC St. Pauli ist ganz einfach überragend und phänomenal. Und das findet inzwischen (und längst) auch ehrliche und faire Anerkennung bei vielen Anhängern des Nachbarn, bei jenen Fans, die sonst nur die roten Hosen lieben.
St. Pauli musste auf Abwehrchef Eric Smith verzichten, er hat es an den Adduktoren. Ein herber Verlust, und dennoch spielt St. Pauli so souverän und abgeklärt, wie St. Pauli seit dem Tag spielt, als Fabian Hürzeler das Kommando am Millerntor übernahm – das war am 23. Dezember 2022. Und ich habe inzwischen das Gefühl, dass sowohl in Liga eins als auch in Liga zwei schon einige Mannschaften versuchen, diesen FC St. Pauli und seine Spielweise zu kopieren. Wobei ich jetzt noch an das Gespräch vor 14 Tagen mit dem St.-Paulianer Joachim Philipkowski (den ich bei Norderstedt gegen St. Pauli II traf) denken muss, der mir genau meinen Gedankengang bestätigte. Er hat ebenfalls das Gefühl, dass da schon Nachahmer am Werke sind. . .
Auf Smith musste Hürzeler verzichten, auf Lars Ritzka und Elias Saad verzichtete der Coach freiwillig. Für Smith kam Adam Dzwigala ins Team, für Ritzka spielte Philipp Treu. Der kam für mich etwas überraschend, aber Fabian Hürzeler wird sich auch bei ihm etwas gedacht haben – und ich nehme das mal vorweg: Treu hat mich absolut überzeugt, fast hätte ich geschrieben, er hat mich sogar begeistert – er hat auf jeden Fall einen bärenstarken Auftritt hingelegt und wurde für mein Empfinden von Minute zu Minute sicherer und noch besser. Hut ab! Vorne blieb Connor Metcalfe in der Mannschaft (wie im Pokal gegen Schalke in der Startformation), und links draußen war Oladapo Afolayan aufgeboten, der zuvor gegen Schalke nicht zum Einsatz gekommen war.
Von Beginn an trat St. Pauli vor 10 500 Zuschauern (das ganze Dorf war da!) souverän und abgeklärt auf, war der Chef im Ring. Und schoss genau zu den richtigen Zeitpunkten die Tore. Nachdem Marcel Hartel den ersten Eckstoß von links in Maulwurf-Höhe und damit ungefährlich zur Mitte gebracht hatte, versuchte er es in der 16. Minute beim zweiten Eckball mit mit richtig viel Höhenluft. Der Ball kam, so dachte ich noch bei mir, mit Schnee am Elfmeterpunkt herunter, dort blockte Hauke Wahl alle Elversberger, die sich noch um die Kugel bemühen wollten, mit seinen breiten Schulter aus – und dadurch kam Johannes Eggestein zu einem bestens platzierten Kopfball. SVE-Torwart Kristof war mit den Fingerspitzen zwar noch dran, aber trotz allem hieß es 0:1.
Diesen Super-Start hätte Eggestein fast schon zehn Minuten später versilbert, doch seinen Kopfball (nach Treu-Flanke) lenkte Kristof gerade noch an den Pfosten. Pech für St. Pauli. Zum ersten Mal an diesem Sonnabend ein Alu-Treffer der Braunen – es gab später in dieser Disziplin noch reichlich Nachschlag. Wobei schon das 2:0 mit einem Hauch von Aluminium behaftet war. Afolayan bediente den halblinks am Strafraum stehenden Hartel, und der zog auf 16,5 Metern beherzt ab, sein Schuss touchierte die Unterkante der Querlatte und schlug dann unhaltbar im SVE-Gehäuse ein. Ein Traumtor, ein Tor des Monats. Und damit die Führung ausgebaut, völlig verdient in Minute 31.
Dabei blieb es bis zum Seitenwechsel, dabei blieb es auch bis zum Schlusspfiff. Afolayan traf in der 68. Minute mit der Pike die Querlatte, der eingewechselte Etienne Amenyido wollte es zwar etwas tiefer machen, traf aber auch nur die Latte (84.). Pech und Pech, aber St. Pauli hatte auf jeden Fall genügend Tormöglichkeiten, um das Ergebnis klarer zu gestalten - aber es sollte nicht mehr sein. Zum Glück hatte Aufsteiger Elversberg, immerhin zuletzt sieben Mal ungeschlagen, je Halbzeit nur eine gute Einschusschance. In der 80. Minute zeigte Nikola Vasilj eine traumhafte Parade gegen einen Kopfball von Feil, sonst wäre es vielleicht doch noch einmal eng geworden.
Dickes, ganz dickes Kompliment an den FC St. Pauli, dass es auch nach dieser enorm harten Woche keinen Einbruch der körperlichen Art gegeben hat. Das ist einfach nur super! Wie eingangs schon erwähnt, erst das harte KSC-Spiel (2:1), dann das 120-Minuten-Pokal-Spiel gegen Schalke (2:1), und nun gegen den tüchtigen Aufsteiger in Elversberg 2:0 gewonnen! Traumhaft! Und bei diesen drei St.-Pauli-Auftritten, das nur als Parade-Beispiel für die großartige Fitness der Hamburger, zeigte Marcel Hartel eine schier unglaubliche Laufbereitschaft. Gegen den KSC lief er 13 Kilometer, gegen Schalke 18,3 Kilometer, und in Elversberg 12,3 km. Als wäre das das Leichteste der Welt!
In der Einzelkritik muss ich natürlich Hartel ganz oben anführen, er befindet sich in dieser Saison in einer absoluten Traumform. Ganz, ganz stark zog auch Jackson Irvine auf, er war überall zu finden – holte sich aber leider, leider seine fünfte Gelbe Karte ab und fehlt damit im Heimspiel gegen Hannover 96 (Freitag, 18.30 Uhr). Wie schade. Im St.-Pauli-Tor wurde Vasilj nicht oft geprüft, einmal hielt er super, ansonsten hielt er souverän. Dzwigala war hinten rechts ein absolut toller Vertreter von Smith, Wahl hatte diesmal zentral alles im Griff, war in allen Situationen und Lagen immer zur Stelle – super Auftritt. Karol Mets spielte defensiv solide, hatte aber im Aufbau doch den einen oder anderen leichten Aussetzer. Manolis Saliakas flitzte rechts rauf und runter, war enorm fleißig, hat in seinem Abspiel und in Sachen Flanken aber schon etwas bessere Tage erlebt. Zu Treu ist bereits alles gesagt.
Zu Irvine und Hartel ebenfalls. Metcalfe verdiente sich in meinen Augen auch eine gute Note, er wirkte, fast ein kleines Wunder, sehr frisch und agil auf mich. Das war ganz sicher ein sehr guter Auftritt von ihm. Dass in der Mitte der fleißige Eggestein wieder „sein“ Tor machte, ist für mich nicht nur fast ein Wunder – es ist für mich ein echtes Fußball-Wunder. Selten habe ich mich mal so geirrt, wie bei ihm, das muss ich schon mal sagen dürfen. Ich hatte Eggestein schon seit geraumer Zeit abgeschrieben, und dass er noch einmal so aus der Versenkung hervorkommt und dann in in einer solchen Form, das hätte ich nie für möglich gehalten. Sorry! Ein Traum. Für ihn und St. Pauli. Weiter so! Links knüpfte Afolayan an seine zuletzt gezeigten starken Auftritten an, Hürzeler kann sich glücklich schätzen, eine solche Auswahl in der Offensive zu haben.
Von den eingewechselten Spielern gefiel mir Saad am besten, auch wenn ihm längst nicht alles glückte. Simon Zoller, der in der 80. Minute kam, fiel dagegen klar ab, für mich irrte er ganz gewaltig über den Rasen und fand überhaupt nicht mehr ins Spiel. In meinen Augen fehlt ihm noch gewaltig viel, bevor er dem FC St. Pauli wirklich helfen kann. Amenyido, Carlo Boukhalfa und Ritzka kamen alle so spät, dass sie sich nicht mehr richtig präsentieren konnten – immerhin gab es aber auch für sie noch die Siegprämie. . .
„Wenn ich nach diesem Spiel unsere Laufdaten sehe, dass wir 125 Kilometer gelaufen sind, und das nach dem Pokalfight über 120 Minuten gegen Schalke 04, dann muss ich schon dem ganzen Team ein Kompliment aussprechen, ich zolle allen Spielern meinen großen Respekt“, sagte Fabian Hürzeler nach dem Spiel. Und führte bei Sky weiter an: „Die Spieler merken, dass das der Lohn ist für das, was sie sich im Training erarbeiten." Kapitän Jackson Irvine fasste es in seinem Schlusswort treffend zusammen: „Das war wieder eine reife und sehr starke Vorstellung von uns, ich bin sehr, sehr stolz auf diese Mannschaft." Dem ist nichts, absolut nichts mehr hinzuzufügen.
Und weil dem so ist, komme ich zum HSV. Und zu „Uns Uwe“. Der hat doch endlich einmal sein Geburtstagsgeschenk in Form eines HSV-Sieges bekommen. Uwe hätte an diesem Sonntag (5. November) nämlich seinen 87. Geburtstag gefeiert, und natürlich ist und bleibt er bei vielen, vielen Menschen unvergessen. Seine jüngste Tochter Frauke hat bei WhatsApp im Gedenken an ihn geschrieben:
„Das Schönste, was ein Mensch hinterlassen kann, ist ein Lächeln im Gesicht derjenigen, die an ihn denken.“
Meine Frau und ich werden immer ein Lächeln im Gesicht haben, wenn wir an Uwe denken, er war für uns der beste Mensch der Welt. Und ich bin mir ganz, ganz sicher: Wenn Ihr ihn persönlich kennen gelernt hättet, Ihr würdet das ebenso sagen.
Uwe Seeler hätte allerdings beim Zusehen des Spiels HSV gegen Magdeburg nicht nur ein Lächeln auf den Lippen gehabt, denn sein Enkel Levin stand nicht in der Anfangsformation, und er wurde später auch nicht mehr eingewechselt. Was ich, dazu stehe ich, auch nicht für falsch erachte. Trainer Tim Walter liegt mit dieser Maßnahme in meinen Augen total richtig. Und hatte vor diesem Spiel über die Personalie Öztunali gesagt: „Ich sehe Levin täglich im Training und weiß, dass er sehr aktiv ist, sehe wie er arbeitet, vielleicht fehlt ihm einfach noch ein bisschen Glück. . .“ Daraus schließe ich, dass der Coach noch darauf hofft, dass bei seinem prominentesten Sorgenkind doch noch einmal der Knoten platzt. Ich hoffe mit Tim Walter.
Gegen Magdeburg musste Öztunali auch nicht unbedingt eingreifen, der HSV hatte gegen seinen Angstgegner (alle sechs Punkte der vergangenen Saison holte sich der 1. FC!) einen relativ schnellen und guten Start hingelegt, hatte dann Glück, dass die Ostdeutschen keinen „Killer“ im Angriff mit nach Hamburg gebracht hatten, und deswegen spielte der HSV das Ding dann in der letzten Viertelstunde doch einigermaßen sicher zu Ende.
Von großer Bedeutung war in diesem Spiel bestimmt das frühe 1:0. Immanuel Pherai bediente in der neunten Minute den rechts im Strafraum lauernden Bakery Jatta, der passte (diesmal) sehr gut zur Mitte (!), dort scheiterte Robert Glatzel zunächst noch an dem auf der Torlinie sichernden Magdeburger Piccini, doch der konnte den Ball nur noch vor die Füße von Laszlo Benes lenken – und Tor.
Danach sahen die 57 000 Zuschauer im Volkspark und die Millionen an den Fernsehschirmen ein ausgeglichenes Spiel, in dem es bis zum Halbzeitpfiff kaum noch sportliche Höhepunkte gab. Das ergab sich auch deshalb so, weil das Spiel doch sehr zerfahren war. Mitunter prallte der Ball lustig und wie beim Billard hin und her. Richtig Spielfluss kam jedenfalls nicht auf, es war immer etwas Störendes dabei – und sogar die vorweggenommene Silvester-Party der Magdeburger Pyro-Freunde legte das Geschehen für Minuten lahm. Schön, nein, sogar bildschön war das anzusehen, und es wird dem 1. FC ganz sicher auch nur ein wenig Geld (an Strafe) kosten – weil es einfach zu schön war. Nein, nein, das war wirklich schon sehr, sehr gut gemacht von den Fans. Und es war dabei zu sehen, dass Magdeburger Anhänger nicht nur unbedingt in ihrer kleinen Kurve im Süd-Westen saßen oder standen, sondern auch daneben, im Süden. Alle Achtung, eine großartige Unterstützung!
Die zweite Halbzeit begann dann mit einem kleinen Schock für den HSV, denn Magdeburgs Stürmer Schuler lief in der 54. Minute allein auf Torwart Daniel Heuer Fernandes zu. Das 1:1? Keineswegs. Schuler war zu langsam und zu umständlich, und HSV-Verteidiger William Mikelbrencis war noch schnell genug, um die brenzlige Situation per Grätsche zu klären. Den auch nicht ungefährlichen Nachschuss setzte Sekunden später Magdeburgs Bockhorn aus zwölf Metern über das HSV-Tor. Sechs Minuten später wechselte Tim Walter dann zweimal aus, und dadurch kam neuer Schwung in die HSV-Reihen. Ransford-Yeboah Königsdörffer und Pherai raus, Jean-Luc Dompe und Lukasz Poreba rein. Das fruchtete, obwohl zunächst noch einmal der Gast aus dem Osten eine Möglichkeit besaß, doch erneut Bockhorn scheiterte mit seinem 16-Meter-Schuss am glänzend parierenden Heuer Fernandes (65.).
Sechs Minuten später machte es der HSV auf der Gegenseite besser. Dompe tanzte links Piccini aus, flankte mustergültig auf den zweiten Pfosten – und Jatta köpfte aus fünf Metern mühelos ein. Die Entscheidung. Zumal in der 78. Minute Magdeburgs Daniel Elfadli, um den sich der HSV im Sommer über Monate vergeblich bemüht hatte, vom Platz flog. Rot. Weil er gegen Stephan Ambrosius in einer ziemlich wilden, ich würde sogar sagen hirnlosen Aktion voll drüber gehalten hatte. Es war wohl dann doch etwas Wut im Spiel. . . Der Rest des Spiels war dann für den HSV nur noch Formsache. Sechstes Heimspiel, sechster Heimsieg.
Schnell noch die Einzelkritik: Heuer Fernandes war – wie immer - ein aufmerksamer und sicherer Rückhalt. Der erst 19-jährige Mikelbrencis bot eine großartige Vorstellung und zeigte, warum er und nicht Moritz Heyer auf der Verteidiger-Position zum Einsatz gekommen ist. Ebenso stark in der Mitte der Doppel-Ersatzmann (für Guilherme Ramos und Sebastian Schonlau) in der zentralen Position, Ambrosius. Starker Zweikämpfer, stets solide und immer auf Ballhöhe – das war ein Klasse-Spiel von ihm. Neben Ambrosius hatte Dennis Hadzikadunic keinerlei Probleme mit (überwiegend) Schuler, und links überzeugte einmal mehr Miro Muheim. Auf der Sechs bot Jonas Meffert eine fast fehlerfreie Leistung, Pherai dagegen hatte keinen guten Tag, obwohl er vor dem 1:0 einen Super-Pass auf Jatta gespielt hatte. Danach aber ging ihm ziemlich viel, viel zu viel, daneben. Benes war wieder enorm viel unterwegs, war wieder auch einen Tick besser als zuletzt – sicher auch eine Sache des Selbstvertrauens, das diesmal gleich durch das Tor vorhanden war. Vorne links spielte Königsdörffer erneut eine ganz schwache Partie, er ist mein neuer „Wintzheimer“ (jetzt Bielefeld), von dem ich einst immer wieder schrieb, dass er nicht mal beim Regionalliga-Klub Eintracht Norderstedt einen Stammplatz hätte. Das trifft nun auch auf Königsdörffer voll und ganz zu. Er kann es einfach nicht, und er wird es auch nicht mehr lernen, davon bin ich restlos überzeugt. Eine solche Zucker-Flanke wie die von Dompe auf Jatta, die würde der „kleine König vom Volkspark“ niemals hinkriegen. Weil er kein Gefühl in den Schuhen hat, und auch irgendwie nicht so richtig Fußballspielen kann. Tut mir leid, wenn ich das so krass schreibe, aber so ist es. Jatta dagegen hatte einen sehr guten Tag erwischt, rackerte wieder vorne und hinten, spielte nicht so oft wie sonst zurück (aber immer noch genug, keine Panik! Das ist immer noch zu viel!) und war an beiden Toren maßgeblich beteiligt. Note zwei!
Die eingewechselten Dompe und Poreba waren sofort „da“, das konnte sich wahrlich sehenlassen, Andras Nemeth, Elijah Krahn und Moritz Heyer kamen nur noch für einige Minuten zum Zuge, konnten aber nichts mehr unter Beweis stellen.
In der Zweiten Bundesliga geht es für St. Pauli, ich schrieb es bereits, schon am Freitag weiter (es kommt Hannover), der HSV wird Sonnabend in Kiel antreten (13 Uhr). Im DFB-Pokal steht das Achtelfinale am 5. und 6. Dezember an, St. Pauli muss dabei zum Pokalschreck FC Homburg, der HSV gastiert in Berlin und wird dort gegen Hertha antreten. Nicht ganz so angenehm, aber immerhin kein Erstliga-Vertreter.
Und nun auch noch ganz schnell zum ganz großen Fußball:
Da geht es in erster Linie wohl um das Duell Thomas Tuchel gegen Lothar Matthäus. Das war und ist ein Hammer! Tuchel bricht nach dem großen Sieg in Dortmund ein Live-Interview mit und bei Sky ab, weil er mit Matthäus überquer liegt. Das kann ich nicht so richtig glauben. Wo soll das hinführen? Ich würde das unter dem Motto „Beleidigte Leberwurst“ einordnen. Wobei ich mich auf die Seite von „Loddar“ schlage. Der Herr Tuchel ist doch einen kleinen Tick zu zart besaitet. Nun gut, Kritik zu vertragen ist ja gewiss auch nicht immer leicht. Das weiß sogar ich. Für mich aber steht auch fest: Erstens spielt der FC Bayern – nur für mich, wirklich nur für mich – in dieser Saison bislang noch nicht so souverän, wie der FC Bayern (der gewiss viele Personal-Sorgen hat, keine Frage) sonst über Jahrzehnte gespielt hat. Das muss aber jeder für sich beurteilen. Und zweitens muss ja wohl auch erlaubt sein, das Pokalspiel und das sensationelle Pokal-Aus der Bayern in Saarbrücken zu kritisieren. Ich habe während des Spiels immer gedacht, was Tuchel da wohl mit Harry Kane, der sich eifrig warmlief, vorhat – aber er hatte nichts mit ihm vor. Und genau das werfe ich dem Trainer immer noch vor, und genau das werfen dem Bayern-Trainer auch die Experten und Kritiker vor. Für mich hat sich Tuchel in Saarbrücken „vercoacht“. Eindeutig. Schwer „vercoacht“ sogar. Und wenn das keine Erwähnung finden darf, dann sollte der gesamte Sport-Journalismus abgeschafft werden. Das hat auch nichts damit zu tun, dass Tuchel auf die Kehrtwende um 180 Grad der Sky-Experten (vor allem ja Matthäus und Didi Hamann) gespannt ist – oder war. Ein Sport-Journalist muss ein Spiel beurteilen, und wenn er meint, dass dieses eine Spiel vom Trainer „vercoacht“ worden ist (wie ich es auch meine!), dann muss er das selbstverständlich erwähnen oder auch schreiben. Und wenn dann der Trainer im nächsten Spiel (Spitzen-Spiel) mit seinen Bayern in Dortmund groß 4:0 gewinnt, dann muss das natürlich auch lobend Erwähnung finden. Das hat doch aber mit einer 180-Grad-Kehrtwendung nichts zu tun. Und wenn Tuchel sich beim nächsten Bayern-Spiel wieder etwas vergrüßt, dann findet das natürlich auch wieder Erwähnung – ganz klar. So läuft es in diesem Geschäft. Das kann „Mann“ gut finden, muss „Mann“ aber auch nicht.
Ich bin auf jeden Fall sehr gespannt, wie sich diese Geschichte weiterentwickelt. Mia san mia! Das war vielleicht mal, jetzt sagt Thomas Tuchel, wo „mia“ sind.
Und, um das noch einmal zu erwähnen: Im „Fall“ Martina Voss-Tecklenburg gab es ja auch in diesen Tagen etwas (viel) Verwirrung. Der DFB hat sich von der Bundestrainerin getrennt. Dazu habe ich auch eine Meinung, und die klingt so: Das ist auch gut so. Es ging zuletzt im deutschen Frauen-Fußball stetig bergab. Und was dabei für mich nicht unerwähnt bleiben darf ist die Tatsache, dass ich von den Frauen inmitten des Abwärtstrends nie mehr ein positives Wort über die Trainerin gehört habe. Jede Spielerin, die nach dem Miteinander nach der Trainerin gefragt wurde, antwortete stets: „Das habe ich nicht zu beurteilen. Das ist Sache des DFB.“ Vielsagend. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Spielerinnen so etwas über die jetzige „Bundestrainerin“ (ein Scherz) Horst Hrubesch sagen würden.
Was mir bei dieser Trennung noch übel aufstieß: Da gab es an diesem Wochenende einen Kommentar im Fernsehen (eine Frau, die eng an der Nationalmannschaft dran ist!), in dem es hieß, dass es schon seit geraumer Zeit eine gewisse Disharmonie zwischen der Mannschaft (einzelnen Spielerinnen) und der Bundestrainerin gegeben habe. Wie bitte? Jetzt wird so etwas gesagt, jetzt erst wird so etwas offenbart – warum nicht schon zu jenen Zeiten, als das bereits hinter der vorgehaltenen Hand geflüstert wurde? Wieso jetzt erst? Genau das ist nämlich schlechter Journalismus. Wenn so etwas in der Luft liegt, und es bei Insidern auch bekannt ist, dann muss das natürlich öffentlich werden. So etwas erst jetzt zu sagen, finde ich nur höchst, höchst peinlich.
In diesem Sinne, ich habe fertig. Und wünsche Euch und Euren Lieben eine wunderschöne Woche, lasst Euch von dem schlechten Wetter nicht aus der Fassung bringen – bleibt gesund und fröhlich,
Dieter Matz
Dieter Matz - Der Blog
Folge 32/2023
Online seit 30.10.2023
Für Tim Walter war es ein Zeichen, dass es auswärts aufwärts geht mit seiner Mannschaft, denn: „Wer in Kaiserslautern in Halbzeit zwei mit zwei Toren zurückliegt, der hat dann auch stets verloren. Wir haben uns gewehrt und noch einen Punkt geholt.“ Der HSV spielt 3:3 beim 1. FC Kaiserslautern, das ist gewiss kein schlechtes Resultat, denn am Betzenberg zu spielen, ist ganz sicher nicht einfach – weil es oftmals die Hölle ist. Das steht fest. Dennoch muss festgehalten werden, dass der HSV von den bisherigen sechs Auswärtsspielen in dieser Saison nur eines gewonnen hat. Nur eines! Das war am 26. August in Hannover – 1:0, das Tor erzielte damals Bakery Jatta. Ansonsten gibt es diese eher ernüchternden Resultate: In Karlsruhe 2:2, in Elversberg und Osnabrück jeweils 1:2, und beim SV Wehen in Wiesbaden 1:1. Die Statistik eines Erstliga-Aufsteigers? „Wir machen zu viele Fehler. Wenn wir so weitermachen, dann werden wir nicht genug Punkte holen", sagte HSV-Profi Jonas Meffert ehrlich und gab weiter zu: „Was wir auch nach dem 3:3-Ausgleich wieder für Ballverluste hatten - da müssen wir einfach besser werden. Da hätte Kaiserslautern noch das Siegtor erzielen können."
Dabei legte der HSV am „Betze“ einen großartigen Start hin. Nach zehn Minuten hieß es 1:0, und es hatte den Anschein, als wollten die Rothosen die roten Teufel in Grund und Boden spielen. Das Tor hatten Immanuel Pherai und Jatta vorbereitet, Robert Glatzel hatte eingenetzt. Alles in Hamburger Hand. Aber denkste! Von nun an ging‘s bergab (sang einst schon Hildegard Knef). Plötzlich war der Faden gerissen, und alsbald führten die Lauterer 2:1. Tomiak hatte in Minute 13 für das 1:1 gesorgt, und in der 24. Minute leistete sich Dennis Hadzikadunic einen folgenschweren Fehler per Kopf, er legte den Ball (unfreiwillig – denn er rutschte tatsächlich auch aus!) genau in den Lauf von Tachie, Rechtsflanke, und danach sorgte Ritter für die Führung der Hausherren. Ein Tor wie aus dem Nichts. Für mich jedenfalls. Eindeutig aber war auch für mich: Die HSV-Abwehr war in diesem Spiel kein Block, keine Einheit, kein Bollwerk. Mir fehlte und fehlt da ein enges Abwehr-Netz, auch das körperliche und kommunikative Miteinander, dass man sich gegenseitig hilft, dass man sich motiviert, dass man eine gewisse Geschlossenheit an den Tag legt. Für mich kämpfte da jeder still für sich hin. Das ist bei vielen anderen Mannschaften ganz anders zu beobachten. So unter anderem auch beim Nachbarn und Tabellenführer. Da steht zwar „nur“ eine körperlich sehr robuste Dreierkette auf dem Rasen, aber einer sichert den anderen ab. Und man klatscht sich nach gelungenen Aktionen ab. Auch eine Art der Motivation!
Natürlich fehlt in der HSV-Abwehr zurzeit ein ruhender Pol wie Kapitän Sebastian Schonlau, keine Frage. Er gibt mit seiner Abgeklärtheit einen sicheren Rückhalt und ist mit seiner Routine ein Mann, an dessen Schultern sich die jungen Abwehrleute durchaus auch einmal anlehnen können. Um das einmal vorweg zu nehmen: Guilherme Ramos, der zurzeit den zentralen Abwehrmann gibt, ist mit seiner Art zu spielen nicht der Mann, der Schonlau in dieser „Disziplin“ ersetzen kann. Der Portugiese ist durchaus ein Vorbild an Einsatzfreudigkeit, aber auch er macht sein Ding sehr, sehr oft allein. Er gewinnt sehr wohl etliche Zweikämpfe, er spielt äußerst aggressiv und sorgt so dafür, dass der Gegner Respekt vor ihm hat, er marschiert auch oft mit dem Ball am Fuß nach vorne, gerade so, als wolle er die Welt aus den Angeln heben. Das geschieht nicht selten unter dem Motto: Mit dem Kopf durch die Wand. Und viel zu oft läuft er sich dabei fest – und fehlt dann bei einem Konter des Gegners hinten in der Mitte. So zum Beispiel auch in der 54. Minute, als das 3:1 der Lauterer fiel. Vorne ein Fehlpass von Pherai (davon gab es diesmal meiner Ansicht nach viel zu viele!), und schon lief der Konter. Der „alte Mann“ im Sturm der Pfälzer, Terrence Boyd (32), lief Hadzikadunic davon, spielte den HSV-Innenverteidiger am Fünfmeterraum aus – und traf. Der Anfang vom Ende?
Nein, diesmal nicht. Der HSV gab (sich) nicht auf. In der 65. Minute, also noch früh genug, schnappte sich Meffert entschlossen vor dem FCK-Strafraum die Kugel, ließ zwei, drei oder auch vier Mann stehen – und passte super in den Lauf des startenden Glatzel. Der traf mit links, es hieß nur noch 2:3. Bei „Sport1“ war Markus Babbel, der ehemalige HSV-Spieler (ein großartiger Mensch – ganz nebenbei!), Co-Kommentator, und er sagte: „Ich könnte mir vorstellen, dass sich Julian Nagelsmann für Glatzel interessiert, denn wir haben in Deutschland ja kaum Mittelstürmer. Und Glatzel hat oft genug bewiesen, dass er Tore schießen kann. . .“ Nach Bela Rethy also jetzt auch Babbel, der dem Bundestrainer einen Tipp gibt. Ich halte das allerdings für ein frivoles Unterfangen. Aber gut, ich bin ja auch nicht für die Nationalmannschaft zuständig. Vor dem 2:3 von Glatzel, das nur am Rande, ging links nach einem harten Duell Jatta zu Boden und forderte einen Freistoß, aber Schiedsrichter Florian Badstübner, der in meinen Augen von Wochenende zu Wochenende mal so und mal so pfeift (so pfiff er auch diesmal!), winkte ab und ließ (wohl) Vorteil gelten. Für mich ein wenig fragwürdig, aber immerhin ein Glücksfall für den HSV, der so zu seinem zweiten Tor kam. Und der so auch wieder etwas Hoffnung schöpfte.
Und das war auch nicht unbegründet. Obwohl der Ausgleich dann doch sehr, sehr glücklich fiel. Ein HSV-Tor von Miro Muheim aus, so schätze ich mal, 45 Metern. Er wollte flanken, aber weil sich der junge FCK-Schlussmann Krahl verschätzte und den Ball unterlief, prallte die Kugel ins Tor. Ein Slapstick-Treffer! Aber der Punktgewinn für den HSV. Obwohl Kaiserslautern in der Schlussphase noch zwei große, vielleicht sogar riesige Chancen hatte. In der Nachspielzeit lief der ehemalige HSV-Spieler Aaron Opoku auf Daniel Heuer Fernandes zu, schoss aber knapp am langen Eck vorbei. Viel Glück für den Aufstiegsaspiranten.
FCK-Trainer Dirk Schuster sagte nach dem Schlusspfiff enttäuscht: „Wenn du in der zweiten Halbzeit 3:1 führst, dann ist es wirklich bitter, dass wir noch den Ausgleich kassieren." Das Unentschieden hielt der Coach dennoch für den gerechten Ausgang des Spiels. Der HSV hatte mit dem stark körperbetonten Spiel der Lauterer so seine Probleme, aber genau diese Gangart und diese Aggressivität war ja vorher auch vom Gastgeber erwartet worden – das ist am Betzenberg fast immer so Gang und Gäbe. Dennoch muss ich gestehen, dass mir die Schiedsrichter in Kaiserslautern (nicht nur diesmal) zu viele kleine Nickeligkeiten recht gerne mal „übersehen“. Besonders die beiden „dicken“ Pfälzer, Ritter und Zimmer, fallen mir da immer wieder auf, sie rempeln auch dann noch oft, wenn der Ball schon weit weg ist, sie ziehen und zerren, stellen ihren Fuß dort rein, wohin er nicht gehört, lassen auch ihre harten Schultern als Prellbock stehen – das ist schon eine sehr spezielle Art des Fußballs, aber genau so hat es FCK-Trainer Dirk Schuster ja auch einst bis zum Nationalspieler gebracht. . .
Schlusswort von HSV-Trainer Tim Walter: „Es gelingt nicht vielen Klubs, am Betzenberg so zurückzukommen, das ist für mich ein Indiz, dass wir uns weiterentwickeln." Großartig! Ein noch besseres Schlusswort, das fällt mir ein, gibt es von Markus Babbel, der während des Spiel sagte: „Die Fans in Hamburg identifizieren sich wieder mit dem HSV, der Volkspark ist meistens ausverkauft – das ist ein Verdienst des Trainers und des Sportvorstands.“ Das hätte ich nicht besser formulieren können!
Kurz (und schmerzlos?) die HSV-Einzelkritik: Torwart Heuer Fernandes war an den Gegentoren schuldlos, hatte ansonsten aber auch nicht viel zu tun – er war souverän wie immer. Moritz Heyer hinten rechts solide, Ramos wurde schon besprochen, Hadzikadunic hatte einen gebrauchten Tag erwischt, ich würde ihm eine gute Fünf ins Zeugnis schreiben, Muheim war zuletzt schon viel effektiver als diesmal, aber er schoss dann ja „aus Versehen“ ein sehr wichtiges Tor. Auf der Sechs hatte Meffert gute und nicht so gute Szenen, die guten waren dabei aber klar überwiegend. Und seine Vorbereitung zum 2:3 war großartig und sehenswert. Laszlo Benes war schon wesentlich besser, diesmal trat er kaum in Erscheinung – obwohl er sich bemühte. Pherai wollte in meinen Augen zu viel, er hatte sich damit übernommen – er kann es viel, viel besser. Jatta hatte seine besten Szenen in der Defensive, aber immerhin legte er das 1:0 auf – endlich einmal wieder. Ransford-Yeboah Königsdörffer gab alles, das macht er eigentlich immer, aber ob das auf Dauer für eine Aufstiegsmannschaft reicht, wage ich doch stark zu bezweifeln. Glatzel machte seine beiden Dinger, er hätte auch zwei weitere schießen können – also war er wieder einmal absolut eine große Stütze des HSV. Der eingewechselte Andras Nemeth (63. Min. für Heyer) fiel nicht mehr groß auf (schade eigentlich!), und Levin Öztunali (87. Min. für Königsdörffer) holte sich nur noch die Prämie für den einen Auswärtspunkt ab. Ende der Durchsage.
Komme ich zum FC St. Pauli. Spitzenreiter, Spitzenreiter, hey, hey! Mit Glück. In der 93. Minute schoss Philipp Treu nicht nur zum ersten Mal in seiner noch recht kurzen Zweitliga-Karriere auf das gegnerische Tor – er traf sogar voll ins Schwarze! Was für ein herrliches Tor! Der 2:1-Sieg! Gegen einen KSC, der dem FC St. Pauli sehr, sehr lange das „Leben“ äußerst schwer gemacht hatte. Die Braunen traten diesmal ohne Elias Saad an, der zunächst nur auf der Bank saß. Meine persönliche Enttäuschung, aber das wirklich nur ganz, ganz am Rande. Persönliche Schicksale haben im Profi-Fußball ja auch absolut nichts zu suchen. Also Schnauze, Matz.
Das Spiel am Millerntor begann wieder einmal mit einer Torwart-Daddelei, über die ich ja aber auch nicht mehr schreiben werde. Soll er doch (Nikola Vasilj). Ich komme später noch einmal auf diesen Punkt zurück. Ansonsten schleppte sich das Geschehen oft im Zeitlupen-Tempo über den Rasen. St. Pauli schlief mir viel zu oft ein! Und wenn ich hier schon gelegentlich (oder auch mehr!) über den Spielaufbau des HSV gelästert habe, wenn der nur quer und zurück zum Torwart spielt, so muss ich gestehen: Diesmal ging es mir, wie einigen (oder vielen?) im Stadion auf den Zeiger. Es gab Pfiffe. Und ich hätte da sogar mitgemacht! Das gestehe ich gerne. So begeistert ich stets über das oft mitreißende Spiel des FC St. Pauli geschrieben habe, so sehr hat es mich diesmal auf die Palme gebracht.
Und natürlich kam es so, wie es kommen musste. Ein „Ehemaliger“ schießt das Tor gegen St. Pauli. Igor Matanovic, der mich in der Vergangenheit wegen seiner Passivität (in den Spielen) auch oft auf die Palme gebracht hat, erzielt in der 43. Minute das 0:1. Das, genau das passte zu diesem Spiel. 13 Jahre hat er für und bei St. Pauli gespielt, und dann das. Halbzeit.
Nach dem Wiederanpfiff hatte ich dann endlich mit dem „richtigen FC St. Pauli“ gerechnet, dachte an eine schöne und tolle Aufholjagd. Denkste. Es ging munter (!) einschläfernd weiter. Kommt Zeit, kommt Fahrrad. Mein Gott, mir schwoll mein Kamm. . . Und nach weiteren fünf Minuten bin ich bei uns im Haus nach oben gegangen und sah mir lieber Viktoria Köln gegen München 1860 an. Dritte Liga. Das war zwar auch langweilig, aber ich musste St. Pauli nicht mehr sehen. Bis Frau M. nach oben schrie: „Tor!“ Das war in der 80. Minute am Millerntor, und ich schaltete Viktoria Köln gegen München1860 aus, verfolgte nach dem 1:1 der Braunen weiter das Zweitliga-Spiel in Hamburg. Das war inzwischen tatsächlich noch auf Touren gekommen. Sagte auch meine Frau. Und die hat längst Ahnung vom Fußball. Ernsthaft.
Das Tor war nicht nur wichtig, sondern auch schön. Rechtsflanke von Connor Metcalfe (mit rechts!), auf Höhe Elfmeterpunkt stoppte Johannes Eggestein den Ball mit der Brust, jonglierte die Kugel zwischen drei Abwehrspielern des KSC – und schoss den Ball ins Tor. Zwar nur ein Unentschieden, aber immerhin nicht verloren und noch immer ungeschlagen, dachte ich bei mir. Aber es kam noch besser. In der 90.+3 Minute. Eckstoß von links, mit rechts von Marcel Hartel zur Mitte gebracht. Dort köpfte der Karlsruher Franke den Ball an die Strafraumbegrenzung. Dort stand der in der 84. Minute eingewechselte Philipp Treu (kam für Metcalfe) und nahm den Ball volley. Aus 15 Metern drosch er zum 2:1-Siegtor ein – der Jubel kannte keine Grenzen. Das war wie Karneval in Rio. Ein Traumtor – und die Tabellenführung. Treu rannte in Richtung Außenlinie und dankte dem lieben Gott für diesen Schuss, dann wurde er von den Kollegen erdrückt. Zum Glück überlebte er.
Eine Einzelkritik gibt es wegen Viktoria Köln gegen München 1860 diesmal nicht. Spannend war nur das, was Trainer Fabian Hürzeler nach dem Spiel vom Stapel ließ: „Wichtig war, dass die Mannschaft trotz der Pfiffe ruhig geblieben ist." Ganz ruhig hatte er das gesagt, als wären Pfiffe gegen seine Mannschaft an der Tagesordnung. Dabei gab es die in dieser Saison erstmalig. Für die etwas destruktive Spielweise seines Teams, so sehe ich das, hatte er aber eine Erklärung: „Die Fans haben gepfiffen, weil wir den Ball aus ihrer Sicht zu langsam gespielt haben. Das aber ist genau unser Spiel." Und weiter: „Mutig war, dass die Jungs diesen und unseren Stil durchgezogen haben und nicht wild geworden sind." Hürzeler klärte weiter auf: „Von 30 000 haben etwa 5000 Zuschauer gepfiffen. Die meisten verstehen inzwischen, wie wir Fußball spielen wollen, und vielleicht werden es die restlichen 5000 demnächst auch noch verstehen. Allerdings kann ich nicht alle 5000 Fans zu einer Fortbildung einladen und ihnen erklären, warum wir so spielen.“ Das ist klingt in meinen Augen ganz schön hart, eventuell auch leicht arrogant. Um es mal vorsichtig zu formulieren. Fabian Hürzeler noch einmal weiter in seinen Erklärungen: „Wir versuchen schon, nach außen transparent zu sein und zu transportieren, was die Idee für unser Spiel ist, und wir haben deshalb schon verschiedene erklärende Maßnahmen gemacht, aber die sind anscheinend noch nicht bei allen angekommen. . ." Immerhin, und das beruhigte mich dann doch ein wenig, gab der neu aufgeblühte Eggestein später noch zu: „Wir haben heute nicht unser bestes Spiel gemacht.“ Noch ein später Volltreffer von ihm.
Was ich noch zu Fabian Hürzeler sagen möchte: Die Auswechslung von Oladapo Afolayan, der in der Halbzeitpause in der Kabine bleiben musste, habe ich nicht verstanden. Nun bin ich kein Zweitliga-Trainer, und ich habe bestimmt auch nicht so viel Ahnung vom Fußball wie Hürzeler, aber diese Auswechslung habe ich nicht verstanden. Denn: Afolayan war für mich in den langweilige ersten 45 Minuten der beste St.-Pauli-Spieler. Für mich, das muss ich noch einmal besonders betonen, war er das. Was aber natürlich nichts zu bedeuten hat, denn andere Leute haben ganz sicher mehr Ahnung vom Fußball als ich. Für mich war Afolayan deswegen so gut, weil er Gas gegeben hatte. Vielleicht aber war ja genau das bei diesem Hürzeler-System, das 5000 Leute leider immer noch nicht verstanden haben, dann doch ein wenig zu unpassend. „Mann“ weiß es nicht so genau.
Aber, das fällt mir just noch ein, vielleicht war Afolayan ja auch verletzt und musste deswegen raus, das will ich nicht ausschließen. „Ersatzmann“ Saad hat mir auf jeden Fall in den letzten Minuten wieder gut gefallen.
Ich möchte jetzt, weil ich es ja angekündigt hatte, noch einmal auf ein Thema zurückkommen, das mit der Hürzeler-Art des Fußballs ganz sicher etwas zu tun hat: die Torwart-Daddelei. Vor einer Woche traf ich beim Regionalliga-Spiel Eintracht Norderstedt gegen Phönix Lübeck den ehemaligen St.-Pauli-Stürmer Joachim Philipkowski (auch einst beim 1. FC Nürnberg), der immer noch für den Kiez-Klub tätig ist. Als Scout oder vielleicht auch nur eine Art Scout. Das weiß ich wirklich nicht so ganz genau. Ich unterhielt mich natürlich (in der Pause) über St. Pauli, den Tabellenführer. Er glaubt, wie ich, dass St. Pauli im Sommer 2024 aufsteigen wird. Ich schwärmte ihm vor, wie begeisternd ich das Spiel des FC St. Pauli finde, dass mir kürzlich ein Kollege (vom Abendblatt) gesagt hat, dass er fest davon ausgeht, dass Hürzeler spätestens in zwei Jahren Trainer eines ganz, ganz großen Klubs sein wird, weil: „Ich habe einen solchen großartigen und akribischen Trainer noch nie erlebt, und genau das wissen inzwischen auch viele Vereine. . .“
Philipkowski und ich sprachen aber auch über die für mich unfassbar blödsinnige Torwart-Daddelei. „Piepel“ Philipkowski erklärte mir jedoch, warum es diese beim FC St. Pauli gibt. Und genau das wusste ich tatsächlich auch schon. Er sagte mir: „Der Torwart hält lange den Ball, ein gegnerischer Angreifer attackiert ihn, um an den Ball zu kommen, zwei weitere Angreifer des Gegners decken die Außenpositionen, wo die Verteidiger des Torhüters (in dem Fall die des FC St. Pauli) anspielbereit stehen. Der Sinn dieser Übung: So lockt St. Pauli den Gegner bis in seinen (oder an seinen) Strafraum, hat dann aber, wenn der Ball flugs nach vorne getragen wird, viel mehr Platz zum Kontern. Stünde der Gegner an der Mittellinie, ohne Vasilj zu attackieren, so hätte St. Pauli bei seinen Angriffen eben viel weniger Platz zum Kombinieren. Das ist doch einleuchtend, oder?
Das hatte ich aber auch schon vorher kapiert, das war mir tatsächlich schon klar. Ich monierte gegenüber Philipkowski nur, dass Vasilj nicht davor zurückschreckt, den Ball zentral kurz hinter die Strafraumgrenze zu seinem Abwehrmann in der Mitte zu spielen. Das, obwohl diesem Abwehrmann gleich ein gegnerischer Stürmer auf den Fersen ist. Was, bitteschön, was soll der Abwehrmann mit dem Ball dann machen, wenn ihn der Gegner schon auf den Füßen steht? Er könnte ihn zum Torwart zurückspielen, klar, aber wie oft kommt es genau dabei zu Komplikationen, weil dieser Rückpass dann unter Druck eventuell nicht so ganz genau gespielt wird? Und wie oft – auch an diesem Wochenende – haben wir in vielen Spielen schon erlebt, dass daraus Gegentore resultieren. Das ist doch Wahnsinn. Den Ball nach außen zu spielen, das lasse ich mir noch gefallen, aber in die Mitte? Prominentestes Beispiel an diesem Wochenende: Bayern München gegen Darmstadt, es läuft erst die vierte Spielminute (!). Manuel Neuer spielt den zentral vor dem Strafraum wartenden Kollegen Joshua Kimmich an, der muss im Zweikampf mit einem Darmstädter den Ball dem Gegner überlassen – und foult ihn kurz vor der Strafraumkante. Es folgte zwar kein Tor für 98, aber immerhin die Rote Karte für den Nationalspieler. Was soll das? Wieso spielt Neuer den gedeckten Kimmich an? Das will mir nicht in den Schädel.
Totaler Blödsinn in meinen Augen. Aber vielleicht habe ich das ja auch nicht ganz genau richtig verstanden, was der Sinn dieser Sache ist – gebe ich zu. Was ich Joachim Philipkowski zu bedenken gab: „Ich habe kürzlich das EM-Qualifikationsspiel England – Italien gesehen. England gewann 3:1, das nur am Rande. Mir fiel nur auf, dass der englische Torwart Pickford den Ball ganz, ganz selten kurz zu seinen Vorderleuten spielte. Meistens schlug er den Ball Richtung Mittellinie oder gegnerischer Hälfte. Und dort bemühten sich seine Engländer dann vornehmlich um den zweiten Ball. Und genau diesen eroberten sie tatsächlich in vielen, vielen Fällen. Gegen diese oft so hartnäckigen Italiener.“ Mein Resümee war deshalb: Es geht auch über den langen Ball, und dann über den zweiten Ball. Muss man natürlich, ganz klar, aber auch nicht, man kann es selbstverständlich so machen, wie St. Pauli es derzeit macht – das ist ja auch überaus erfolgreich, denn mehr als Platz eins geht ja gar nicht. Und, um das noch einmal konkret zu sagen: Ich würde mich tierisch freuen, wenn das im kommenden Sommer vom und mit dem Erstliga-Aufstieg gekrönt würde. Ich drücke die Daumen. Zwei Hamburger Vereine in Liga eins, das wäre doch mal wieder was, oder?
Nun habe ich für heute fertig. Aber ohne den ganz großen Fußball zu erwähnen? Das geht ja gar nicht. Ganz kurz also: Dass die Bayern nach einem 0:0 zur Pause innerhalb von 37 Minuten acht Tore gegen Darmstadts Neun erzielen, ist natürlich eine Klasse für sich. Und Harry Kane wieder mit drei Treffern, bemerkenswert. Das sind auch die sechs bemerkenswerten Tore von Red Bull Salzburg (Leipzig) gegen Köln, wobei ich eines sagen muss: David „Rückwärts“-Raum, der ja in der Nationalmannschaft nur zurück spielt, kann es jetzt auch nach vorne. Eine unglaubliche Wandlung! Hat er in der vergangenen Woche bewiesen: zwei Tore. Und etliche gute Flanken. Na bitte, es geht doch. Und dann kurz noch zu Florian Wirtz, diesem 20-jährigen Wunderknaben aus Leverkusen. Er befindet sich derzeit in der Form seines jungen Lebens, ein Traumtor gegen Freiburg. Es heißt ja, dass er nächste Saison beim FC Bayern spielen wird. Aber abwarten. Sein Trainer Xabi Alonso wird ja auch jetzt schon bei Real Madrid gehandelt, und vielleicht schlägt Wirtz dann ja mit seinem Coach in Spanien auf. Das könnte ich mir durchaus vorstellen.
Eine gute, erfolgreiche und gesunde Woche für Euch, einen schönen Feiertag und viel Spaß mit Euren Lieben,
Dieter Matz
Dieter Matz - Der Blog
Folge 31/2023
Online seit 23.10.2023
In Tschechien rollte der Liga-Fußball natürlich auch wieder an diesem Wochenende. Tschechien? Wieso Tschechien? Was hat nun Tschechien mit Buxtehude und Umgebung zu tun? Das will ich Euch erklären: Am Sonnabend empfing der Erstliga-Tabellenletzte FC Zlin den Tabellensechsten Mlada Boleslav, für den der frühere HSV-Profi David Jarolim einst gespielt hat. Es geht aber nicht um David Jarolim, sondern um das Punktspiel. Das endete nämlich – nein, Ihr solltet mal raten! Wie endete es?
Okay, die meisten werden natürlich richtig geraten haben, es endete 1:2.
Nein, natürlich nicht. Es endete so, dass nach 90 Minuten und Nachspielzeit 14 Tore gefallen waren. Na? Noch einmal raten? Zlin gegen Boleslav endete tatsächlich 5:9. Nicht im Eishockey, nicht im Handball, sondern fußballtechnisch. Und warum ich das hier erwähnen? Das kläre ich nun auch auf. Ich war am Sonnabend im Volksparkstadion, sah dort den HSV gegen Greuther Fürth spielen – und 2:0 gewinnen. In Worten: zwei-zu-null. Das etwas besser passende Resultat zu diesem Spiel wäre aber 9:5 gewesen. Oder sagen wir mal so: Es hätte zum Schluss auch „nur“ 8:3 stehen können. Was hat der Tabellenzweite HSV an diesem Nachmittag nur für Tormöglichkeiten ausgelassen! Es war wirklich unfassbar!
Ich will nun bestimmt nicht 20 Torchancen aufzählen, wer sie vergeben hat. Das ist heute unwichtig. Ich fand es nur ein wenig witzig, wie das alles geschah. Jeder Schuss kein Treffer. Und wenn es nicht gerade Robert Glatzel war, der sich als Schlumpfschütze erwies, dann eben Jean-Luc Dompe oder Bakery Jatta – von mir auch gerne Jattata genannt. Später glänzte in dieser „Disziplin“ auch noch der eingewechselte Ransford-Yeboah Königsdörffer. Meine Güte, was für Kanonen! Irgendwann fragte ich meinen Nachbarn, was die eigentlich beruflich machen? Kurios war bei diesem ganzen Torschuss-Chaos dann noch für mich, dass unser „Bobby“ Glatzel immer dann die Arme in die Luft riss, wenn andere vergeben – und ihn, den Torjäger, ganz einfach vergessen oder übersehen hatten. Was dabei zudem auffällig ist: Wenn Glatzel verballert, reißt kein besser stehender Mitspieler empört die Arme hoch, dass er von „Uns Bobby“ glatt übersehen wurde. Ja, so sind Torjäger. Denken in erster Linie nur an sich, in zweiter Linie an ihr Torkonto, und in dritter Linie noch einmal nur an sich. Die sollten sich alle mal das 7:1 der deutschen Nationalmannschaft 2014 in und gegen Brasilien ansehen, dann wüssten sie alle, wie Fußball gespielt werden sollte. Und wie Fußball auch ganz fein gespielt werden könnte. Nein, meine Damen und Herren, dieses Spiel gegen Fürth war der Höhepunkt hanseatischer Fußball-Schuss-Kunst. Es war wirklich so: Jeder Schuss kein Treffer! Unfassbar das! Unfassbar! Hoffentlich sehen sich die HSV-Herren dieses Torschuss-Gestümpere noch einmal auf Video an – und kommen so auch nur zu einem Schluss: Kopfschütteln!
Natürlich war der HSV-Sieg verdient. Hochverdient sogar. Mein Nachbar (auf der Osttribüne), den ich bislang nur vom Sehen her kannte, fasste nachher wie ein Experte zusammen: „Die Fürther waren so schwach, das war ja eine echte Gurken-Truppe, die hätten hier zweistellig verlieren können, wenn nicht sogar müssen.“ Ganz so schlimm aber war es um die Franken dann doch nicht bestellt, allerdings hatte der HSV tatsächlich fast immer alles im Griff. Bis auf die 72. Minute, denn da hielt Daniel Heuer-Fernandes einen Foulelfmeter, den Hrgota geschossen hatte. Nicht schlecht geschossen hatte, aber DHF hatte die Ecke geahnt und überragend pariert. Viele Hamburger Fans sagten später zu dieser Szene: Wenn dieser Strafstoß sitzt, dann werden das noch ganz unangenehme 20 Minuten für den HSV, dann hätte das Spiel noch kippen können. . .“ Und mit dieser Aussage lag in der Tat niemand völlig falsch. Da hatte der stets erstliga-reife Torwart seine Mannschaft wieder einmal vor einem Rückschlag bewahrt, einfach großartig.
Und, um das noch schnell zu sagen, für Hrgota habe ich mich heimlich gefreut – Schadenfreude ist die beste Freude! Dass er dieses Ding verschossen hatte, löst wirklich Freude und Zufriedenheit in mir aus. Weil er nämlich, ich schrieb es hier schon einige Male, ein großer Fußball-Schauspieler auf dem Platz ist. Einer, der großartig Fußball spielen kann, aber auch einer, der den Schiedsrichter von der ersten Minute an verbal bearbeitet und auf seine Seite ziehen will. Dass sich die „Schwarzkittel“ das immer noch gefallen lassen, will mir nicht in den Kopf, aber gut, dass ist dann auch ihre Sache und nicht meine. Ich finde nur, dass diese vielen Reklamationen und Schauspieleinlagen lästig sind. Und wenn ich gerade bei den Unparteiischen bin: Robert Schröder, der das HSV-Spiel pfiff, ging mir vor allem in der ersten Halbzeit auf den Geist. Ich fragte mich während der Partie tatsächlich mehrfach, wieso dieser Mann aus Hannover einst als große Hoffnung der deutschen Schiedsrichterei gehandelt wurde. In meinen Augen gibt es da einige wesentlich bessere Jungs. Wieso Schröder beispielsweise das brutale Foul von Fürths Michalski an Ludovit Reis total ignorierte, ist mir immer noch schleierhaft, wird es auch noch eine Weile bleiben. Nicht mal einen Pfiff hatte es gegeben, von Karten ganz zu schweigen. Dieser Fehler disqualifiziert einen solchen Pfeifenmann schon ganz allein für größere Aufgaben. Dass der umgetretene Reis danach ausgewechselt werden musste, kam erschwerend hinzu. Wahrscheinlich wird der Niederländer aufgrund seiner ausgekugelten Schulter, die abends noch eingekugelt wurde, nun eine Weile fehlen. Dass Reis so einfach mir nichts, dir nichts abgeräumt worden ist und sich zwischen einer Menge Wasserkisten vor Schmerzen hin und her rollte, ist für Schröder wahrscheinlich eine Lapalie. So brutal räumt ihn seine Frau (so er denn eine hat!) wahrscheinlich jeden Morgen aus dem Bett. . . Nee, ganz ehrlich, auf diesen Herrn habe ich echt einen Hals! Aber damit nun Ende Schiedsrichter. Für heute jedenfalls.
Dass auch Ignace van der Brempt frühzeitig (11.) ausgewechselt werden musste, war schlicht nur Pech, der Belgier hat wahrscheinlich einen Muskelfaserriss erlitten, muss ebenfalls vorerst pausieren. Zum Glück hat der HSV einen relativ guten Kader. Es kamen ja Immanuel Pherai (für Reis) und Moritz Heyer neu ins Spiel, und die machten ihre Sache gut bis sehr gut. Beide waren in die Vorbereitung auf das 2:0 von Glatzel involviert (45.+4), das sechste Saisontor der Sturmspitze. Für Pherai, der durch den Kaltstart nicht sofort im Spiel war, aber dann stetig zulegen konnte, könnte die Reis-Verletzung bedeuten, dass er so wieder ein Mann für die Stammformation wird. Und das hat er meiner Meinung nach auch verdient, denn er ist ein absolut spielstarker Mittelfeldspieler, der überaus gut dribbeln kann, schnell ist und viele gute Ideen produziert. Für mich gehört er in diese HSV-Mannschaft, sehe aber auch ein, dass er ja deswegen zuletzt über die Bank kommen musste, weil er wegen einiger Verletzungen pausieren musste.
Das 1:0 gegen Fürth hatte Mittelfeld-Arbeiter Jonas Meffert per Kopf nach Rechts-Flanke von Laszlo Benes erzielt (16.) - ein Meffert-Treffer ist ja wie eine „Blaue Mauritius“, also einen absolute Rarität. Vielleicht auch deshalb habe ich mich sehr für ihn gefreut, hatte er sich doch damit für seinen stets so mannschaftsdienlichen Einsatz einmal selbst belohnt.
Großes Glück hatte der HSV in der 38. Minute, als Jatta Fürth-Verteidiger Asta rustikal (um es einmal milde zu umschreiben) von hinten in die Beine trat. Schröder zog nur Gelb, aber zu 99 Prozent waren hinterher alle der Meinung, dass das eine Rote Karte für den HSV-Profi hätte sein müssen. Schröder hatte sich diesen Tritt noch auf Video angesehen, aber blieb bei Gelb. Aus Angst? Im Stadion schrie nämlich nicht nur der HSV-Anhang im Norden lautstark: „Scheiß-DFB, Scheiß-DFB, Scheiß-DFB!“ Das war eventuell ein wenig „angsteinflößend“. Und noch einmal hatte der HSV noch im ersten Durchgang enorm viel Glück: Sekunden vor dem Halbzeitpfiff schoss (oder stolperte) Abwehrmann Asta nach einer Flanke von Julian Green (einst HSV) den Ball aus drei, vier Metern kläglich am langen Pfosten vorbei ins Aus. Der Gast aus dem Süden der Republik hatte also auch Schlumpfschützen mit nach Hamburg gebracht. . .
Und noch einmal viel Glück für den HSV, denn unmittelbar nach dem verschossenen Elfmeter köpfte Michalski nach einer Ecke unbedrängt nur um Zentimeter daneben (75.). Das waren die drei Super-Chancen, die Fürth hatte: Asta, Hrgota und Michalski. Das wären schon mal die drei Tore zum 3:8 gewesen – oder auch zum 3:9.
In Sachen Einzelkritik habe ich ja schon einige Herren genannt. Erschütternd beim HSV waren für mich an diesem verregneten Sonnabend aber die beiden Außenstürmer. Jatta hatte wieder einmal eine (sein schon berühmt-berüchtigte) Flanken-Streuung, er brachte sie wie er wollte zur Mitte, aber stets nur dorthin, wo keine Hamburger zu finden waren – oder eben auch nur einfach hinter das Tor. Ich wurde, gebe ich zu, fast wahnsinnig! Und nicht nur ich, das versichere ich an dieser Stelle. Sie waren fast alle fassungslos. Was gut ist bei Jatta, aber was ja eigentlich nicht seine Hauptaufgabe ist, das ist die Defensivarbeit. Bitter genug, wenn ich das herausstellen muss. Genau die Defensivarbeit aber fehlt dem Herrn Dompe auf links sehr, sehr oft. Und da er vorne weit, weit von seiner Bestform entfernt ist, ist er eben immer ein Kandidat für das frühere Duschen. Diesmal dann auch.
Alle anderen HSV-Profis spielten solide oder auch gut. Für mich war Guilherme Ramos diesmal der auffälligste Hamburger, weil er unglaublich einsatzfreudig war. Der gibt niemals auf! Ihm gelang bestimmt nicht alles, er hatte den einen oder anderen technischen Fehler oder Klops in seinem Spiel, er verursachte auch den Foulelfmeter, aber er war in Sachen Kampf und Laufbreitschaft vorbildlich. Miro Muheim setzte die Reihe seiner konzentrierten Auftritt weiter fort, er ist inzwischen aus dieser Mannschaft nicht mehr wegzudenken. Ganz souverän erledigte Dennis Hadzikadunic seine Abwehrarbeit in der Mitte. Rechts bot (Ersatz-)Verteidiger Heyer eine engagierte Vorstellung, gab sich nur einmal eine Blöße. Im Mittelfeld knüpfte Benes an seine ersten guten und gelungenen Auftritte in dieser Saison an, er war agiler, spritziger als zuletzt, wirkte auf mich auch spielfreudiger und sogar auch schneller. Weiter so. Und die Spitze? Glatzel schoss endlich einmal wieder „sein“ Tor, aber stellte für mich auch erneut unter Beweis, dass er etwas an Form eingebüßt hat. Wenn ich an den Auftakt, seinen Auftakt gegen Schalke 04 denke, so fehlt da inzwischen schon sehr, sehr viel.
Auf der HSV-Bank saß diesmal auch wieder Levin Öztunali, aber da Tim Walter diesmal nur dreimal wechselte, blieb der Seeler-Enkel auch nur draußen sitzen. Es spricht nicht für den HSV-Rückkehrer, das der Trainer einen so offensiv-schwachen Jatta über 90 Minuten lang durchspielen lässt, anstatt Öztunali eine erneute Chance zu geben. Und wenn ich mich so im Volksparkstadion umgehört habe, so muss ich sagen, dass fast jeder, mit dem ich sprach, damit einverstanden ist, dass der Trainer so entscheidet. Bei Öztunali stimmt im Moment noch nichts – ich denke immer noch, dass er ja fast zwei Jahre nicht gespielt hat und deshalb natürlich ohne Rhythmus ist. Schade eigentlich. Was mir noch auffiel beim Betrachten der HSV-Bank: Da saßen dann noch Elijah Krahn, Matheo Raab, Stephan Ambrosius, William Mikelbrecis und Lukasz Poreba. Und ich denke noch einmal bei mir: So richtig üppig ist das nicht wirklich.
So, ganz zum Schluss muss ich noch einmal auf Tim Walter kommen. Der HSV wollte es offenbar nicht an die Öffentlichkeit bringen, aber der DFB machte es dann: Walter wurde DFB-Sportgericht zu einer Innenraumsperre auf Bewährung verurteilt. Passiert ist es am 23. September: Wieder einmal der Doping-Tester beim HSV, und Walter soll dabei den zuständigen Dopingarzt lautstark angeschrien und nicht unerheblich verbal beleidigt haben, so der Verband. Trainer Walter hat sich dafür aber schon beim Arzt entschuldigt. Der Coach muss neben der Innenraumsperre auch noch 20.000 Euro Strafe bezahlen. Das Coachingverbot an der Seitenlinie gilt für zwei Spiele in der Zweiten Bundesliga, wurde aber bis zum Ende dieser Saison am 30. Juni 2024 auf Bewährung ausgesetzt. Kann alles passieren,keine Panik, das hat schon so mancher Trainer erlebt – alles kein großes Problem. Und eine Beobachtung von mir am Sonnabend ist ebenfalls kein Problem. Weder für Walter, noch für den HSV. Ich möchte es aber dennoch konkret werden lassen: Ich habe Walter gegen Fürth 90 Minuten (und länger) vor mir gesehen, weil ich im Osten des Stadions im Bereich 3A saß – genau in der Mitte. Und somit hinter der Trainerbank. Da achtet „Mann“ schon einmal mehr ganz genau auf den Mann, der vor dir seiner Flasche immer den Hals zudreht. Und es gab manche Szene, da habe ich echt gezweifelt. Was macht der Mann da?
Ich will nur ein Beispiel nennen: Eckball in Halbzeit eins für den HSV, und zwar von rechts. Das ist für Walter ganz hinten links, vor der Gästekurve. Und er gestikuliert, als würden ihn seine Spieler sehen, er rudert mit den Armen, als stünden sie vor ihm, er winkt und rudert und wirbelt mit den Armen durch die Luft. Kein einziger Spieler seiner Mannschaft sieht es – aber er hat offenbar ein gutes Gewissen dabei, alles für den Moment getan zu haben. Kurios ist es für mich aber ohnehin. Warum macht Walter das? Er muss es auch sehen – so wie ich: Kein Spieler seiner Elf blickt in diesen Momenten zum Coach. Keiner. Und von dieser Art des Coachings gab es (nur an diesem Sonnabend?) mehrere. Er hat dabei eventuell das Gefühl, wirklich alles und wirklich das Letzte getan zu haben, damit es gut wird. Oder er ist ganz einfach nur hyper-nervös. In diesem Sinne: NUR DER HSV!
Und weil ich am Sonnabend im Volksparkstadion war, konnte ich zeitgleich selbstverständlich nicht Paderborn gegen den FC St. Pauli sehen. Sorry dafür. Deshalb sind die Braunen in diesem Bericht auch nur winzig klein. Im Grunde genommen gibt es gar nichts von mir zu diesem 2:2. Ich finde es aber okay, dass es dieses Unentschieden gab, denn in Paderborn um Punkte zu spielen, das ist schon immer schwer gewesen, und dort werden in Zukunft ganz sicher noch viele andere Mannschaften ins Straucheln geraten oder Federn lassen. Wetten, dass. . ?
Über das 1:0 des SC Paderborn, das Muslija erzielt hat, möchte ich nicht witzig werden, nur weil er es aus 58,97 Meter erzielte. Auch so etwas kann vorkommen, und es ist ja auch schon vorgekommen. Selbst in diesem Stadion, der „Home Deluxe Arena“. An diesem Sonnabend war es so: Inmitten der Paderborner Hälfte leistete sich Elias Saad links einen fatalen Fehlpass, der schließlich bei Muslija landete – und der schoss aus der eigenen Hälfte heraus einfach mal auf das St.-Pauli-Tor. Und weil Nikola Vasilj ein wenig zu weit vor seinem Gehäuse verweilte, war der Ball drin, denn der Torwart lief vergeblich hinter der fliegenden Kugel hinterher. Künstlerpech. Aber diesmal keine Torwart-Daddelei. Deswegen gibt es von mir auch keinen bitterbösen Kommentar. Und immerhin ging St. Pauli danach ja auch noch 2:1 in Führung. Und der für Saad eingewechselte Connor Metcalfe brachte dann noch ein echtes Kunststück fertig, indem er in der 47. Minute den Ball aus fünf, sechs Metern über das leere, wirklich total leere Paderborner Tor in den Abendhimmel drosch. Den Ball suchen sie heute noch. . . Diese Aktion war fast noch schlimmer, als die Sinnlos-Ballerei des HSV gegen Fürth. Nein, ich lege mich fest, es war sogar noch schlimmer. So ein Ding muss man machen. Ganz klar. Mich hat nur überrascht, wie Metcalfe nach diesem Fehlschuss Richtung Mittellinie lief. Fast hätte ich geschrieben: Lustig, beschwingt und mit einem kleinen Liedchen auf den Lippen. Ich sage es ganz ehrlich: Der Spieler Dieter Matz hätte sich nach einem solchen Ding an Ort und Stelle eingebuddelt und wäre dort unten bis zum Einbruch der Dunkelheit in Paderborn geblieben. Ernsthaft. Erst recht, wenn ich daran denke, das Metcalfe gegen Kiel ja so ein „Tor des Monats“ in den Giebel gedonnert hat. Er könnte es also. Wie kann so etwas angehen? Fußball verrückt! Wirklich Fußball verrückt! Da könnte ich dann auch wahnsinnig werden. . .
Pech hatte St. Pauli natürlich auch, weil Trainer Fabian Hürzeler kurzfristig auf Abwehrchef Eric Smith (Adduktorenprobleme) verzichten musste. Der Schwede wurde von Adam Dzwigala vertreten. Ob gut oder nicht so gut, das entzieht sich meiner Kenntnis. Oder das ist meine Unkenntnis. Immerhin weiß ich aber, dass St. Pauli in der ersten Halbzeit nur einmal auf das Paderborner Tor schoss, in Person von Jackson Irvine. Gefreut habe ich mich für Johannes Eggestein, der per Kopf nach einem Eckstoß (48.) zum 1:1 traf. Danach trat der FC St. Pauli dann tatsächlich wieder in alter Frische auf. In der 71. Minute vereitelte Vasilj aber das erneute Paderborner Führungstor, indem er den Schuss des frei vor ihm auftauchenden früheren HSV-Stürmers Filip Bilbija super parierte. Hervorragend! Als danach Eggestein den Pfosten des SCP-Tores traf, staubte Irvine mit links (!) zum 2:1 ab – sein erstes Saisontor (78.). Der Auswärtssieg? Leider nein. Der eingewechselte Ex-St.-Paulianer Sirlord Conteh lief rechts Hauke Wahl davon, die Eingabe verwandelte Bilbija dann aber tatsächlich sicher (82.), weil Dzwigala nicht schnell genug hinterher gekommen war - das Unentschieden war perfekt. Auch deshalb, weil das 3:2 des Paderborners Leipertz Sekunden vor Schluss nicht zählte, es muss (oder soll) sich um eine Abseitsstellung im Millimeter-Bereich gehandelt haben. Also auch noch etwas Glück für den Spitzenreiter.
St. Pauli spielt am Sonnabend am Millerntor gegen den KSC, der HSV muss am Sonnabend um 20.30 Uhr beim 1. FC Kaiserslautern antreten.
Ganz kurz, wirklich ganz kurz noch zu den beiden Länderspielen, denen wir die letzte (Fußball-)Pause zu verdanken hatten. 3:1 gegen die USA gewonnen, 2:2 gegen Mexiko. Das war okay. Auch für den neuen Bundestrainer Julian Nagelsmann. Der verteidigte den beim Unentschieden wieder einmal restlos versagenden Hustinetten-Bär Niklas Süle, der im Prinzip beide Gegentore auf dem Gewissen hatte, wie folgt: „Ich nehme Niklas in Schutz, er hat wenig Rhythmus. Ich habe ihm den jetzt gegeben. Er hat die letzten drei Spiele für den BVB nur 17 Minuten gespielt." Ich frage mich deshalb, wieso er Süle denn überhaupt mitgenommen hat? Ein Spaß? Weil er vielleicht noch nie in Amerika war? Oder ist es jetzt doch so einfach, deutscher Nationalspieler zu sein. Es gibt ja den Scherz, dass es selbst die besten Anwälte nicht schaffen, Spieler aus der deutschen Nationalmannschaft abzumelden. Und, was Nagelsmann noch Bemerkenswertes über Süle sagte: „Generell schätze ich ihn auf Sicht sehr stark ein. Er weiß, an welchen Dingen er arbeiten muss. Er bringt für mich alles mit und wird sowohl für Borussia Dortmund als auch in der Nationalmannschaft hoffentlich wieder eine tragende Rolle spielen." Aha.
Nach diesem Statement, wir haben ja bald den 11. 11. (also Karneval), möchte ich mit einem besonderen „Dada, dada – Tschingbum!“ enden.
Eine schöne, erfolgreiche und gesunde Woche wünscht Euch
Dieter Matz
Dieter Matz - Der Blog
Folge 30/2023
Online seit 09.10.2023
Hunderte blaue Luftballons gab es beim Einlaufen der Mannschaften in Wiesbaden zu sehen. Diese wunderschöne Choreografie hatten sich die über 3000 mitgereisten HSV-Fans ausgedacht. Sah wirklich sehr, sehr schön aus, aber irgendwie hatte ich auch schon vor dem Anstoß das Gefühl: „Hoffentlich entweicht aus den Ballons nicht zu viel heiße Luft. . .“ Und damit lag ich mit meinem Riecher auch gar nicht mal so schlecht. Der HSV schaffte es im dritten Anlauf nicht, bei einem der drei Zweitliga-Aufsteiger dieser Saison zu gewinnen. Nur 1:1 gegen Wehen Wiesbaden ist natürlich zu wenig. Viel zu wenig. Das wird auch HSV-Sportvorstand Jonas Boldt wissen, ohne dass er darüber öffentlich sprechen mag. Aber er ahnte nach dem Spiel natürlich sofort, was am Tag nach diesem Wochenende in Hamburg los sein wird: „Wir werden jetzt wahrscheinlich wieder einmal was ertragen müssen, obwohl wir gegen einen Gegner, der den Bus geparkt hatte, ein gutes Spiel gemacht haben. Aber wir wissen damit umzugehen." Mit dem „Bus geparkt“ war wohl gemeint, dass der Bus im Tor der Wehener stand.
In der Tat gefiel sich der Aufsteiger in seiner (für mich ermüdenden) Mauerei, aber das ist ja auch erlaubt. Diesmal stand der Gastgeber eben mit elf Leuten im und am eigenen Strafraum, hatte aber (für mich) vergessen, die üblichen 20 oder 30 Prozent mehr gegen den HSV zu bringen, die sonst von einem Underdog gebracht werden – und was dann von Trainer Tim Walter auch selbstredend moniert wird. Wenn ich da aber an den DFB-Pokal und das Spiel Wehen gegen RB Salzburg (Leipzig natürlich) denke (2:3), da spielte vor Wochen der Außenseiter noch richtig gut mit und bot eine sehr gute Leistung. Von dem Mauer-Fußball wie diesmal war damals jedenfalls nicht viel zu erkennen. Vor dem HSV aber hatte der Aufsteiger wohl ganz offenbar etwas mehr Angst. . .
In der Halbzeitpause erhielt ich wieder einige Nachrichten und Anrufe von HSV-Fans, mit denen ich befreundet bin. Sie befürchteten schon wieder Schlimmes. Allen verkündete ich beim Stand von 0:0, dass die Frage nach dem Sieger für mich überhaupt keine ist: „Der HSV gewinnt noch locker 3:0.“ Ich war davon absolut überzeugt. 75 Prozent Ballbesitz, und in den ersten 30 Minuten kreuzten die Wehener nur zweimal mit mehr als drei Spielern in der HSV-Hälfte auf. Wie sollte da etwas schiefgehen? Dachten sich wohl auch die über 3000 mitgereisten HSV-Fans, die komplett die 99 Spielminuten als stimmgewaltiger Fischer Chor auftraten - egal bei welchem Spielstand, es wurde gesungen, gesungen und gesungen: „HSV ole, HSV ole, HSV ole!“ Ja, so schön kann Auswärts-Fußball sein. Ganz traumhaft. Auf das Ergebnis kommt es dabei anscheinend gar nicht mehr an. Mit 12:2 Torschüssen für den HSV, darunter ein Lattenschuss von Laszlo Benes (35.), ging es in die Kabinen.
In der 63. Minute stand Ludovit Reis dann ziemlich allein vor dem SVW-Tor, schoss aber aus zwölf Metern kläglich vorbei. In der 81. Minute dann eine Ecke für Wehen, kurz ausgeführt, auf den Kopf von Mathisen, der aus sechs Metern Daniel Heuer Fernandes prüfte – und der HSV-Keeper, der vorher kaum etwas zu tun hatte, patzte ein wenig, er ließ den Ball abprallen, sodass SVW-Abwehrspieler Vukotic aus drei Metern abstauben konnte. Aus dem Nichts heraus hieß es plötzlich 1:0. Fußball paradox! Aber der HSV gab sich kämpferisch. Und kam durch den an diesem Tag besten Hamburger Schützen, Abwehrspieler Miro Muheim, doch noch in der 89. Minute zum total verdienten Ausgleich. Und es ging noch mehr. Acht Minuten Nachspielzeit, in der Schlussminute gab es sogar einen Foulelfmeter für den HSV. Immanuel Pherai war gefoult worden, Benes trat zum Strafstoß an – und schoss den Ball an die Querlatte. In der 98. Minute. Danach war Schluss. Und Benes natürlich untröstlich. Ich fühlte mit ihm, denn einen Elfmeter zu verschießen, zumal in einer solchen Situation, das ist ziemlich bitter. Aber das kann wirklich jedem passieren, ist auch schon Leuten wie Messi oder auch Ronaldo passiert. Der HSV hatten vor diesem Elfmeter genügend Möglichkeiten, den Auswärtssieg zu schaffen, aber er vergab alles. Und genau da sollten die Verantwortlichen einmal ansetzen. Wer aufsteigen will, und das will der HSV ja unbedingt, der muss mit mehr Entschlossenheit und Willen um den Dreier kämpfen und spielen. Und genau das schafft die Walter-Mannschaft – warum auch immer – oftmals nicht. Auswärts auf jeden Fall nicht immer. „HSV ole, HSV ole, HSV ole!“
Ich will gar nicht um den heißen Brei herumreden, dieser HSV, so wie er sich in Wiesbaden präsentiert hat, wird Schwierigkeiten bekommen, glatt aufzusteigen. Heuer Fernandes nehme ich in Schutz, er war fast beschäftigungslos und patzte dann einmal, das kann passieren. Ignace van der Brempt spielte solide, Muheim links ebenfalls. Beide hatten auch viele gute Szenen in der Offensive. Dennis Hadzikadunic und Guilherme Ramos lieferten auch solide Leistungen ab, Ramos hatte Glück, dass Heuer Fernandes in der zehnten Minute sein Eigentor mit einem Klasse-Reflex verhinderte. Das Mittelfeld war in meinen Augen nicht immer gut sortiert. Reis fad erst später ins Spiel, Jonas Meffert arbeitete nach hinten sehr aufmerksam, aber nach vorne ging für ihn kaum etwas, und Benes kann es sicher auch viel besser, wobei er mit seinen Lattenschüssen sehr, sehr viel Pech hatte. In Sachen Vorlagen für die Spitzen blieb er diesmal äußerst blass.
Dadurch hing Robert Glatzel (wieder einmal) völlig in der Luft. Ich frage mich, ob ich ihn deswegen bemitleiden soll, oder doch eher kritisch sehen müsste? Irgendwie denke ich, dass er doch viel mehr machen müsste, als er in den letzten Spielen gezeigt und versucht hat. Seit der frühere ZDF-Reporter Bela Rethy ihn vor Wochen in den Dunstkreis der Nationalmannschaft gehievt hatte, läuft nicht mehr viel zusammen. Bemitleiden muss ich den „Bobby“ trotz allem auch, weil von links und rechts ja absolut nichts kam für ihn. Null. Nichts. Blamabel. Weder Levin Öztunali noch Bakery Jatta brachten etwas Vernünftiges zustande. Das war erschütternd. Öztunali, wenn er sich einmal tatsächlich auf links durchsetzte, musste immer wieder abbrechen, weil er keinen (vernünftigen) linken Fuß zum Flanken hat. Und Jattata – da muss ich wieder einmal zweifeln. Er spielt, wenn er sich denn auf rechts einmal bis an Strafraumnähe durchgetankt hat, lieber 20 oder 30 Meter zurück, als einmal zu flanken. Mit solchen Angreifern, die für mich absolut nicht stattfinden, kannst du kein Spiel gewinnen. Auch dann nicht, wenn es lediglich gegen einen kleinen Aufsteiger geht. Auf die noch eingewechselten Spieler gehe ich nicht weiter ein, weil sie nicht wirklich etwas reißen - außer dass ein Pherai für mich absolut in die Anfangsformation gehört – er ist einer der wenigen HSV-Profis, die richtig gut Fußball können!
„Wir werden jetzt wahrscheinlich wieder ein bisschen was ertragen müssen.“ Das sagte ja, wie eingangs erwähnt, Jonas Boldt. Ich bin gespannt, was Tim Walter dazu noch sagen wird. Um das einmal kritisch zu unterlegen: Wer als HSV-Fan die Live-Übertragungen von den obligatorischen Pressekonferenzen donnerstags sieht und verfolgt, der wird wissen, dass sich der HSV-Trainer da stets als Comedian versucht. Jede Antwort ist witzig oder sarkastisch, oder auch nur patzig! Warum sich die Journalisten noch immer solche aberwitzigen Auftritte ansehen, ist mir ein Rätsel. Ich finde, dass sie da lieber und besser in ihren Redaktionen sitzen sollten, um den HSV vernünftig zu analysieren und die Wahrheiten – für solche Spiele wie in Elversberg, Osnabrück und Wiesbaden - auf den Tisch beziehungsweise in die Zeitungen zu bringen. Statt auf solchen Quatsch zu warten, den Tim Walter da jeden Donnerstag verzapft. Apropos: An diesem Donnerstag wird er nichts Lächerliches von sich geben, auch keinen Stuss verkünden, denn es gibt keinen Zweitliga-Spieltag am kommenden Wochenende – es kommt wieder einmal diese schlimme Länderspielpause auf uns zu. Wie ich mich freue. . . Brrrrr! Grrrrr! Das kann ich niemandem so richtig und wahrheitsgemäß verklickern, ich finde diese Pausen einfach nur noch lästig. Ende. Mit dem HSV.
Damit komme ich zum Spitzenreiter. Um es vorweg zu sagen: Immer mehr HSV-Fans, auch die ganz, ganz harten, kommen zu dem Schluss – und sagen es auch: „Was der FC St. Pauli zur Zeit spielt, ist wirklich lobenswert, das ist richtig, richtig guter Fußball. Muss man neidlos anerkennen.“ Ja, so ist es in der Tat. St. Pauli, ich schrieb es hier auch schon, ist im Moment jedenfalls die beste Zweitliga-Mannschaft Deutschlands. Das unterstrichen die Braunen auch wieder einmal deutlich mit dem (etwas zu hohen) 5:1-Erfolg gegen den 1. FC Nürnberg. Welch ein Spiel, welch ein Auftritt der Hürzeler Truppe, welch ein Fußball-Fest am Millerntor! Einfach bravourös. St. Pauli ist enorm laufstark und ballsicher, und spielt äußerst intelligent. Die Mannschaft weiß, wann sie den Ball halten muss, wann eine kurze Pause eingelegt werden darf, wie man sich auch aus etwas kniffligen Situationen super herauskombiniert. Das ist tatsächlich Fußball vom Feinsten! Geht es nach Sky-Kommentator Torsten Mattuschka steht am Ende der Saison fest: „Dieser FC St. Pauli steigt in die Erste Bundesliga auf!“ Ich schließe mich dem – ganz klar – an. Halten die Kiez-Kicker ihre derzeitige Form und Verfassung, wäre das auch total verdient.
Bereits in der vierten Minute ging St. Pauli gegen den Club in Führung. Ein Traumtor. Und das, bitte jetzt nicht in einem Lachkrampf enden, erinnerte mich ganz stark an das 7:1 der deutschen Nationalmannschaft am 9. Juli 2014 im WM-Halbfinale in und gegen Brasilien. Damals, Ihr werdet Euch erinnern, spielten die deutschen Spieler noch am und im Fünfmeterraum Katz und Maus mit dem Gegner, kombinierten hin und her, bis schließlich der Ball im brasilianischen Netz landete.
So lief dieses 1:0 des FC St. Pauli auch: Über rechts kam der Ball in den Nürnberger Strafraum, Marcel Hartel spielte Johannes Eggestein an, der bediente Jackson Irvine, ein kurzer Doppelpass, dann legte der Kapitän (Irvine) die Kugel quer zu Elias Saad, der am langen Pfosten lauerte und sein drittes Saisontor erzielte. So sehenswert, dieser Treffer – und nachahmungswürdig, denn so SPIELT man solche Traum-Treffer heraus. Hätte dort ein egoistischer Mittelstürmer gestanden, wäre die Kugel niemals bei Saad gelandet. Man kann sich als Fußball-Fan nicht satt genug an diesem Tor sehen, so etwas gehört, ganz eindeutig, in ein Fußball-Lehrbuch!
Nicht in ein solches Werk gehört, das aber nur am Rande, die Leistung des Unparteiischen Matthias Jöllenbeck. Der wollte wohl unter keinen Umständen als Heim-Schiedsrichter gelten und pfiff nach seinen eigenen Regeln. Mir ging der Herr gewaltig auf die Nerven. Nürnberg ging ganz sicher beherzt und auch mitunter rustikal zur Sache, erhielt aber in Person von Abwehrspieler Handwerker nur eine Gelbe Karte; St. Pauli dagegen mit Eric Smith, Irvine, Lars Ritzka und Oladapo Afolayan gleich vier Spieler. Mehr möchte ich dazu nicht schreiben, außer nur noch einmal kurz zu betonen, dass Jöllenbeck mich genervt hat.
Genervt hat mich auch erneut Nikola Vasilj im St.-Pauli-Tor, aber mehr möchte ich dazu auch nicht mehr schreiben – den guten Mann habe ich satt, auch wenn er gelegentlich ganz gut hält. 1:1 stand es zur Pause, und ich war in dem Glauben, dass es dabei auch bis zum Ende bleiben wird. Denkste. Zum Glück für Fußball-Hamburg! Es kam der Doppel-Auftritt von Johannes Eggestein. Er erzielte das 2:1 in der 49. Minuten, indem er einen traumhaften Freistoß von Smith ins Tor lenkte. Und Eggestein traf auch in der 56. Minute, als er nach einem Super-Zuspiel von Hartel (mit dem Außenrist!) auf und davon zog, zwischendurch einmal kurz den Ball „vergessen“ hatte, ihn aber wiederfand und ihn mit links aus zwölf Metern in die lange Ecke schoss. Auch ein wunderschöner Treffer!
Damit war das Spiel so gut wie entschieden. Fabian Hürzeler, der Connor Metcalfe schon für Afolayan in der 65. Minute gebracht hatte (weil Afolayan kurz vor einem Platzverweis stand!?), wechselte in der 81. Minute doppelt, brachte Andreas Albers und Etienne Amenyido für Eggestein und Saad. Dazu noch in der Nachspielzeit Carlo Boukhalfa (für Hartel) und Philipp Treu (für Manolis Saliakas). Zwei der eingewechselten Spieler trafen dann sogar noch zum 5:1. Amenyido schlenzte von halblinks und aus 15 Metern den Ball in die lange Ecke (90.+3), und Metcalfe drosch den Ball auf Vorlage von Amenyido in der 90.+5 Minute noch aus 16 Metern herrlich ins Tor der Clubberer – 5:1. Mir schrieb ein St.-Pauli-Fan unmittelbar nach dem Schlusspfiff: „Ich habe Tränen in den Augen. . .“ Er dürfte kein Einzelfall an diesem Abend geblieben sein!
Was an diesem Abend noch einmal besonders auffiel: St. Pauli hat nicht nur eine eingespielte und hervorragende Mannschaft, alle Spieler verstehen sich auch untereinander ganz ausgezeichnet. Wie bei jedem Tor gejubelt wurde, wie sich nach jedem Treffer fast das gesamte Team in den Armen lag (allen voran forderte Kapitän Irvine stets zum geschlossenen Feiern auf!), das zeugt davon, dass dort eine echte Einheit auf dem Ackers steht. Davon sprach auch Lars Ritzka hinterher, der anmerkte: „Jeder in dieser Mannschaft gibt Vollgas, jeder ist bereit, alles für den Erfolg zu geben, und jeder gönnt dem anderen alles!“ So soll es sein, so sollte es sein! Ist es aber nicht überall. Zu oft sind zu viele Ich-AG‘s am Werke. Nur St. Pauli scheint da eine Ausnahme zu bilden.
Lob gab es für den Sieger später auch vom Club-Torwart Christian Mathenia (früher auch HSV): „St. Pauli hat ein sehr gutes Positionsspiel, das haben sie über 90 Minuten gezeigt – wir sind nie richtig in dieses Spiel gekommen.“ Und: „Wir stehen ein paar Stufen unter St. Pauli, diese Truppe ist bestens eingespielt und macht das richtig gut.“ Seit 14 Spielen (saisonübergreifend) ist das Hürzeler-Team nun ungeschlagen, die Sky-Herren haben errechnet, dass die Braunen in diesem Jahr bereits 60 Punkte eingespielt haben (!) und dabei nur zweimal verloren haben – gegen den HSV und Eintracht Braunschweig. Eine Super-Statistik. Kommentar von Chef Fabian Hürzeler: „Wir waren von Anfang an sehr gut drin in diesem Spiel, wir hatten Dominanz, Ballkontrolle und haben mutig gespielt.“ Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.
Zur Einzelkritik (ohne Torwart!): Hauke Wahl erschien mir nicht immer hundertprozentig konzentriert, vielleicht auch in einigen Szenen ein wenig überheblich. Smith als Abwehr-Chef sehr stark, und er ist auch in Sachen Freistößen eine sehr, sehr gute Wahl. Note zwei! Karol Mets insgesamt solide, aber auch er hatte ein, zwei Fehler dabei, die leicht hätten schiefgehen können. Saliakas begann wie zu seinen besten Zeiten – und hielt das bis zu seiner Auswechslung auch durch. Note eins! Jackson Irvine wurde von Minute zu Minute besser, er hatte spätestens zur zweiten Halbzeit alles fest unter Kontrolle. Hartel taute erst in Halbzeit zwei richtig auf, legte gegen Ende noch immer zu und näherte sich so seiner Bestform. Ritzka beackerte die linke Seite recht ordentlich, ich muss gestehen, dass ich schon jetzt nicht mehr an Vorgänger Paqarada denke. Das spricht für Ritzka, der, so scheint es, auch körperlich zugelegt hat. Vorne rechts war Afolayan nicht so stark wie eine Woche zuvor in Berlin, dennoch war er ein Pluspunkt. Eggestein war der Spieler des Spiels, er wird immer, immer wertvoller, weil er ackert und rackert – und nun sogar Tore schießt! Spitze. Note eins! Und links gefiel erneut Saad, der mit seinen flinken Dribblings kaum zu bremsen ist. Es passt einfach alles in diesem großartigen St.-Pauli-Team. Einschließlich aller eingewechselten Spieler.
Ich habe fertig.
Noch nicht ganz. Zu St. Pauli möchte ich noch sagen, dass ich mir auch noch Sorgen mache. Und zwar über das Stadion. Hat jemand von Euch schon einmal die Seite der Trainerbänke unter die Lupe genommen? Kopfsteinpflaster gleich hinter der Außenlinie. Kopfsteinpflaster! Wenn da mal ein Spieler von einem Gegner (absichtlich der unabsichtlich) hinausgefegt wird und auf den Kopf fällt, dann ist aber Holland in Not. Ich würde die Verantwortlichen bitten, einmal zu überdenken, ob man dort nicht einen Kunstrasen (der etwas dickeren Art) ausrollen und festkleben könnte. Es muss doch nicht erst etwas Schlimmes passieren! Wenn die Verantwortlichen um Präsident Oke Göttlich da mal genau hingeschaut haben, so wird ihnen nicht entgangen sein, dass dort schon etliche Spieler (von Freund und Feind) auf ihren Stollen bremsen wollten und fast auf der Nase lagen. Oder sogar schon auf ihrer Nase lagen. Muss doch nicht sein!
Und noch ein muss doch nicht sein. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass etliche Fußball-Profis (in Deutschland) schon wieder auf ihre Schienbeinschützer verzichten. Das war doch mal in den Regeln verankert, dass das ein MUSS ist. Oder ist das bereits wieder abgeschafft worden? Die Schiedsrichter achten darauf meiner Meinung nach überhaupt nicht mehr – aber eventuell liege ich auch falsch und diese Regel besteht gar nicht mehr.
Dann noch ein kleiner Hinweis an alle Torschützen, die ihre Tore mit einem Knie-Rutscher Richtung Außenlinie feiern – feiern wollen. Sieht natürlich auch schön aus, wenn sie so vor die Zuschauer rutschen. Nicht allen aber gelingt das immer „unfallfrei“. Viele prallen mit ihren Knie dann auch plump auf den Rasen, bremsen abrupt und kippen dadurch kopfüber oder auch zur Seite weg. Bei etlichen Torschützen tut das bestimmt auch ordentlich weh, ohne dass sie es sich gleich anmerken lassen. Ich denke mir auch, dass sich dabei ganz leicht eine schlimme Knieverletzung eingehandelt werden kann – und das muss doch auch nicht sein! Obwohl es dann ja selbstverständlich nicht meine Knieverletzung ist, klar.
Zu Julian Nagelsmann möchte ich (noch) nichts schreiben – ich gebe aber zu, dass ich doch Bedenken habe. Wenn ich so an die nächsten beiden Länderspiele und die dazu aufgerufene Mannschaft denke, so habe ich doch arge Zweifel, ob Deutschland jemals wieder zu einer Fußball-Macht in dieser Welt werden kann. Ich hoffe aber, dass ich mich irre.
Das gilt auch für die Frauen. Für die wird der 72-jährige Horst Hrubesch nun wieder „Bundestrainerin“. Glückwunsch. Das ist bestimmt eine sehr gute Wahl. Besser als jene, die zuletzt am Start war. Jetzt hoffe ich nur, dass unsere Frauen mit ihrem „Hotte“ wieder so großartig aufblühen, wie vor Jahren schon einmal unter ihm. Happy End für alle? Ich würde es ihnen von Herzen gönnen.
Jetzt aber. Ende. Nur einen kleinen Abstecher in den ganz großen Fußball habe ich noch: Werder Bremen. Dort hat sich Naby Keita schon wieder verletzt. Schuster bleib bei deinen Leisten, möchte ich schreiben. Werder als Mauerblümchen der Liga hätte sich besser keinen verletzungsanfälligen Keita geholt, sondern besser zwei, drei hoffnungsvolle Talente. Oder doch den ehemaligen Bremer Mario Basler für etwas weniger Geld noch einmal reaktiviert. Auf Keita aber zu kommen, das ist schon eine Kunst von Werder!
So, jetzt aber wirklich. Ende Gelände. Ich wünsche Euch einen guten Start in die Länderspiel-Pause, bleibt gesund und habt viel Spaß bei Tag und bei Nacht.
Dieter Matz
Dieter Matz - Der Blog
Folge 29/2023
Online seit 02.10.2023
Jetzt wissen wir es: „St. Pauli ist bock-stabil!“ Immer und immer wieder sagte Sky-Plaudertasche Torsten Mattuschka: „St. Pauli ist bock-stabil!“ Und ich möchte ihm nur eines: beipflichten! Der FC St. Pauli bleibt in der Zweiten Bundesliga weiterhin die Mannschaft der Stunde, siegt 2:1 vor über 66 000 Zuschauern im Olympiastadion gegen Hertha BSC. Nur 2:1 bin ich geneigt zu schreiben, denn ein 4:1 oder gar 5:1 wäre möglich gewesen. Torwart Nikola Vasilj musste während der Partie nur zweimal ernsthaft eingreifen, hielt dabei in der 78. Minute einen Reese-Schuss spektakulär, indem er den Ball aus dem oberen linken Winkel fischte und zur Ecke lenkte. Der FC St. Pauli, der von sagenhaften 13 000 Hamburger Fans (eine traumhafte Zahl!) unterstützt wurde, hatte das Spiel weit über 80 Minuten lang bestens und fest im Griff, bis dann diese erschütternde Torwart-Daddelei zum Gegentor in der 83. Minute führte. Ich schreibe nur Torwart-Daddelei, mehr aber nicht, den Rest soll entweder der FC St. Pauli selbst regeln, oder sie sollen sich totlachen über solche Dinge und Dinger. Ich bin es schon lange leid.
St. Pauli ist also „bock-stabíl“. Und das trifft hundertprozentig zu. Mattuschka sagte über die einzig noch ungeschlagene Zweitliga-Mannschaft Deutschlands auch: „Dieses Team ist so schwer zu bespielen, bislang ist es noch keinem Gegner gelungen. Und deswegen lege ich mich fest: Diese Mannschaft wird am Saisonende auf jeden Fall einen Platz von eins bis drei in der Zweiten Liga belegen. Hundertprozentig, davon bin ich überzeugt.“ Ich auch, Herr „Tusche“, ich auch. Restlos. Der Sieg in Berlin war sowas von verdient, mich wunderte am Ende nur, wie der ansonsten stets ehrliche Hertha-Trainer Pal Dardai die Situation verkannt hatte. Der Ungar sprach zwar auch von einem verdienten Hamburger Sieg, aber er befand eben auch: „Die erste Halbzeit haben wir verschlafen, in der zweiten Halbzeit haben wir dann gut gespielt und hätten sogar ein Unentschieden holen können. Meine Mannschaft hat in Sachen Moral eine glatte Eins verdient.“
Einspruch Euer Ehren. Bis zur 83. Minute, dem Torwart-Daddel-Tor, spielte nur eine Mannschaft, und das war der FC St. Pauli. Was hatte die Hürzeler-Truppe für Chancen! Und führte bis zur 74. Minute doch nur 1:0. Ein Tor von Johannes Eggestein hatte die Weichen in der 25. Minute früh auf Sieg gestellt. Glänzende Vorarbeit zu diesem Treffer hatte einmal mehr Elias Saad geleistet, der vier, fünf Berliner stehen ließ und den Ball quer auf Eggestein legte. Dessen 10-Meter-Schuss aus der Drehung meisterte der Berliner Schlussmann Ernst zwar zunächst, doch im Nachsetzen war das Ding drin. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die „Alte Dame“ in Person von Prevljak nur eine kleine, eher harmlose Kopfballchance, die Vasilj aber vor kein großes Problem stellte.
Kurz vor dem Halbzeitpfiff, und zwar in der 35. Minute, dann die kuriose Elfmeter-Entscheidung – für St. Pauli. Schiedsrichter Deniz Aytekin zeigte auf den Punkt. Was war passiert? Ein Eckball von rechts segelte in den Hertha-Strafraum, Eggestein beförderte die Kugel zu dem am Fünfmeterraum stehenden Eric Smith. Der Abwehrchef lag kurz darauf auf dem Boden, weil ihn der Berliner Abwehrmann Bouchalakis am Bein getroffen hatte. Plötzlich aber kamen Aytekin Bedenken, und nach längerer Besprechung mit dem Kölner Keller und dem diensthabenden Kollegen Sören Storks sah sich der Unparteiische die Szene auf dem Monitor an und entschied: Null Elfmeter! Das war der Hammer! Ich war total von den Socken. Hatte Smith so großartig geschauspielert?
„Für mich war das im ersten Moment ein klarer Strafstoß", sagte Aytekin, doch Storks kamen Zweifel. Aytekin: „Er hat zu mir gesagt, dass er diesen deutlichen Kontakt, den ich gesehen hatte, nicht sieht." Deshalb der Gang an den Monitor. „Ich wollte einfach auf Nummer sicher gehen", so Aytekin, dem dann auch Zweifel kamen: „Ich war irritiert, weil es doch keinen deutlichen Kontakt gegeben hatte, und weil sich dazu Smith plötzlich das falsche Bein hielt, das in meinen Augen gar nicht von dem Berliner getroffen worden war. Deswegen habe ich mich dann dazu entschieden, den Elfmeter nicht zu geben." Letztendlich gab Deniz Aytekin aber dann auch zu: „Wenn man das detaillierter analysiert, kann man durchaus sagen, dass Hertha ein Stück weit Glück gehabt hat, dass es keinen Strafstoß gegeben hat." Der Referee weiter: „An dieser Szene kann man sehen, wie kompliziert die Aufgabe von den Jungs in Köln ist. Und deshalb wollte ich einfach selbst die Verantwortung dafür übernehmen." Außerdem, und das ist vielleicht ganz wichtig, sagte Aytekin: „Bei einem Zweitliga-Spiel stehen deutlich weniger Kameras in den Stadien, als in Liga eins. Bei mehr Kameras in Berlin hätte ich vielleicht durch eine andere Perspektive doch einen deutlichen Tritt gegen das Bein des St.-Pauli-Spielers gesehen. . .“
Für mich war an dieser Szene aber eines auch bemerkenswert: Unmittelbar nach dem Pausenpfiff gingen Smith und Aytekin friedlich und freundlich diskutierend Richtung Kabinen. Ich glaube, dass bei dieser Unterhaltung dem (besten deutschen) Schiedsrichter ein Licht aufgegangen ist, dass seine alleinige Entscheidung doch „ganz ein bisschen falsch“ gewesen ist – oder gewesen sein könnte. So denke ich, so muss aber keiner von Euch denken.
Auch im zweiten Spielabschnitt dominierte St. Pauli, wenn auch die Hertha etwas mehr und besser ins Spiel fand - bis auf die eine Reese-Chance aber keine Möglichkeit hatte, auszugleichen. In der der 74. Minute war das Spiel dann – für mich – entschieden. Marcel Hartel hatte nach einer Linksflanke des eingewechselten Andreas Albers zunächst per Kopf die Querlatte des Berliner Tores getroffen, nur Sekunden später flankte Oladapo Afolayan butterweich von rechts, in der Mitte stieg nochmals das „Kopfball-Ungeheuer“ Hartel hoch und köpfte aus sieben Metern unhaltbar ein. Ein Traumtor. Und das Spiel wäre sicher 2:0 oder gar 3:0 ausgegangen, wenn es nicht noch diese amateurhafte Torwart-Daddelei, bei der sicher auch der eingewechselte Jackson Irvine seine Aktien mit drin hatte (ihm sprang der Ball vom Fuß), gegeben hätte. So wurde es noch einmal kurz spannend – und Pal Dardai hatte durch die letzten zehn Minuten urplötzlich ein ganz anderes Spiel gesehen, als die meisten der Zuschauer. Er wird es hoffentlich gemerkt haben, wenn er sich in der Nacht noch einmal das ganze Spiel auf Video angesehen hat – St. Pauli war die klar bessere Mannschaft und ließ nur einen höheren Sieg aus!
„Hätten wir zu null gespielt und die Chancen besser genutzt, wäre ich sehr zufrieden gewesen, so bin ich zufrieden. Wir haben mutig gespielt, und wir hatten keine Angst vor dieser riesigen Kulisse“, resümierte Fabian Hürzeler, der bei der Nicht-Elfmeter-Entscheidung ausrastet war und dafür Gelb gesehen hatte. Er gab zu: „Ich war sauer auf diese Entscheidung, weil ich immer noch glaube, dass man diesen Elfmeter geben kann. Zum Glück für uns ging ja doch noch alles gut.“ Wer weiß, was los gewesen wäre, wenn es doch noch das 2:2 gegeben hätte. . .
In der Einzelkritik lasse ich Vasilj mal aus. Das Abwehrbollwerk mit Hauke Wahl, Smith und Karol Mets stand wie eine Eins – eine solche Defensive hat kein anderes Zweitliga-Team in Deutschland. Manolis Saliakas (rechts) und Lars Ritzka (links) erledigten ihre Defensivarbeit zuverlässig und souverän, nach vorne könnten sie mehr (machen). Hartel köpfte das Siegtor, war für mich aber lange nicht in der Form der Vorwoche, als er beim 3:1 gegen Schalke der beste Mann auf dem Platz war. Diesmal misslangen ihm doch einige Sachen. Nebenmann Connor Metcalfe war enorm fleißig, konnte ansonsten kaum einmal Akzente setzen. Ganz vorne trumpft Afolayan seit einiger Zeit immer besser auf, er war in Berlin ein agiler und dicker Pluspunkt in dieser St.-Pauli-Mannschaft. Auch Eggestein gefällt mir weiterhin, weil er sich läuferisch und kämpferisch zerreißt, weil er alles für das Team gibt. Diesmal gab es sogar ein Tor von ihm – es geht aufwärts. Und links Saad! Eine Augenweide! Für mich überragend, für mich gehört er diesmal in die Mannschaft des Tages (im Kicker) – ich bin gespannt. Auch Torsten Mattuschka ist offenbar (auch) ein Fan von Saad geworden, er lobte den eleganten und schnellen Dribbelkünstler immer und immer wieder. Auch im abschließenden Gespräch mit Hürzeler. Der Trainer des Zweitliga-Tabellenführers aber antwortete sehr cool: „Die Eins-gegen-eins-Situationen sind seine Stärke, das üben wir auch im Training immer wieder – aber ich bin kein Fan davon, einzelne Spieler hervorzuheben. Das könnt ihr von der Presse machen, für mich zählt die Mannschaft, und die war gut.“
Gibt es ein besseres Schlusswort zu diesem großartigen St.-Pauli-Sieg? Nein!
Zum HSV:
Von Krise keine Spur, das bleibt festzuhalten. Nach zwei Pleiten des Walter-Teams bei den Aufsteigern in Elversberg und Osnabrück war Schlimmes zu befürchten, aber es waren wohl und ganz offenbar doch nur zwei kleine Ausrutscher. Im Spitzenspiel der Zweiten Bundesliga siegten die Rothosen gegen den bisherigen Tabellenführer aus Düsseldorf völlig verdient mit 1:0. Ein Fußballspruch besagt ja: „1:0-Siege sind die schönsten.“ Und wenn dieser Erfolg dann auch noch per Foulelfmeter zustande kommt, dann ist das wohl ein „Dreier“ mit Sternchen
Und wenn es den Strafstoß erst in der 83. Minute und dann auch noch durch den Video-Beweis aus dem Kölner Keller gibt, dann könnte es eventuell von einigen Experten heißen: „Sehr, sehr glücklich.“ Das aber würde es ganz sicher nicht treffen, denn: Der HSV war in dieser Partie die bessere Mannschaft. Die klar bessere. Nun gewinnt im Fußball nicht immer die bessere Mannschaft, das ist bekannt, aber wenn es denn am Ende 1:0 für die Besseren steht, ist das vollkommen in Ordnung. Der HSV ist wieder da. Offenbar.
Den Sieg hat auch Fortuna-Coach Daniel Thioune unmittelbar nach dem Spiel anerkannt. Er sprach davon, dass dieser Hamburger Erfolg verdient war. Ich ziehe den Hut vor Thioune. Ich ziehe ihn deshalb, weil ich ihn während seiner Zeit als HSV-Trainer oft als „Wanderprediger“ bezeichnet habe. Meine Begründung dafür: Jedes noch so schlechtes Spiel seiner damaligen Mannschaft, also die des HSV, redete er schön, jeden mittelmäßigen Kick redete er noch schöner. Es war, so stellt es sich für mich heute immer noch dar, nicht zum Aushalten. Diesmal allerdings redete Thioune nichts schön, obwohl er ob des knappen Ausgangs mit Elfmeter und VAR durchaus hätte tun können. Zumal, das muss auch objektiv festgehalten werden, die Fortuna auch einige gute Tormöglichkeiten gehabt hat, um eventuell zu einem (dann unverdienten) Unentschieden zu kommen. Zwar keine „Tausendprozentige“ wie sie Bakery Jatta in der 16. Minute vergab, aber doch gute und auch vielversprechende. Ganz nebenbei: Aus Jattas Kopfballchance, vier Meter unbedrängt vor dem Düsseldorfer Tor, hätte Uwe Seeler, wenn er noch unter uns wäre, selbst als 85-Jähriger noch drei Tore (!) gemacht. Es ist unfassbar, wie ein Profi, auch wenn es nur Zweite Liga ist, eine solche Chance vergeben kann – einfach unbegreiflich. Thioune hatte diese „Tausendprozentige“ des HSV natürlich auch auf dem Schirm, sprach aber überwiegend davon, dass seine Mannschaft ohne den rechten Mut (zu einem ordentlichen Offensivspiel) im Volkspark aufgetreten war. Und damit traf der ehemalige Osnabrücker Torjäger voll den Nagel auf den Kopf. Der HSV wollte den Sieg einfach mehr – und deswegen geht dieses 1:0 auch voll in Ordnung.
Um noch einmal das Spiel vor dem Anpfiff zu betrachten. In der abschließenden Pressekonferenz am Donnerstag habe ich meinen Ohren nicht getraut, habe mich dann aber doch sicherheitshalber noch einmal schlau gemacht. Ich wollte es nicht glauben, was HSV-Trainer Tim Walter gesagt hatte. Und ich weiß, dass viele Fans, ich will gar nicht erst nur von HSV-Fans schreiben, es ebenfalls so gesehen haben wie ich. Walter, der froh und bestens gelaunt – ich nenne es mal unbedarft – drauflos plauderte, sagte zum Abschluss seiner eher lustigen Ausführungen: „Ich sage, wenn wir schlecht sind. Das habe ich ja auch klar angesprochen. Das heißt aber nicht, dass ich nicht überzeugt bin von meiner Mannschaft. Meine Mannschaft ist meine Mannschaft, ich bin der Papa dieser Mannschaft, und das werde ich auch immer bleiben. Und ich stelle mich auch immer vor diese Mannschaft.“ Das war so etwas wie das „Wort zum Freitag“ für mich. Gefehlt hatte für mich in und bei diesen beschwingten Walter-Ausführungen eigentlich noch das Wörtchen „Liebe“. . . Und wenn er so am Rande des Rasens steht und an seiner Flasche dreht, dann fehlt für den Coach doch jetzt nur noch das „Pappa“-Mobil. Kommt vielleicht noch.
Nun gut, Walter lag ja trotz seiner voll-schmusigen Aussagen richtig. Seine Mannschaft hatte den Abend von Beginn an gut begonnen, und Papa hatte sein Team auch bestens auf- und eingestellt. Levin Öztunali für den zuletzt formschwachen Jean-Luc Dompe. Hinten hatten einige „Experten“ statt Guilherme Ramos wahrscheinlich (wie ich) Stephan Ambrosius erwartet, aber auch bei dieser Personalie lag der Coach absolut richtig, denn Ramos, im Sommer von Arminia Bielefeld gekommen, machte vielleicht sein bislang bestes Spiel für den HSV. Was zudem für defensive Stabilität gesorgt hat: Ignace van der Brempt spielte seinen Part sehr souverän, beging kaum einen Fehler (wie zuletzt oft gesehen!), auch Dennis Hadzikadunic ging sehr konzentriert zu Werke und wirkte stabiler als zuletzt, und links war wieder Miro Muheim dabei – und das war gut so. Obwohl es sich bestimmt positiv für die HSV-Defensive ausgewirkt hat, dass Düsseldorf so destruktiv spielte und mauerte, wie es einst in der Bundesliga von Duisburgs Riegel-Rudi Gutendorf erfunden worden ist. Mitunter empfand ich diese Art der Fortuna durchaus als schon etwas peinlich – als Spitzenreiter so „dezent“ aufzutreten.
Jattatas „Tausendprozentige“ habe ich bereits erwähnt. Düsseldorf hatte in der 36. Minute eine Doppelchance, als Klaus einmal schoss, Ramos aber grätschte und Glück hatte, dass er an der linken Hacke getroffen wurde – es hätte sonst wohl 1:1 gestanden. Klaus vergab Sekunden danach auch noch eine zweite Chance, als er aus der Drehung knapp am langen Eck vorbeischoss. Der Halbzeitstand von 0:0 war trotz allem schmeichelhaft für die Westdeutschen, deren Anhang Pyro mit in den Volkspark gebracht hatte – die HSV-Anhänger verzichteten, wenn ich es richtig beobachtet habe, diesmal auf diese wunderschöne und viel Geld kostende Zu- und Wohltat. Das war dann doch noch eine Wohltat! Nicht unerwähnt blieben sollte, das das Volksparkstadion diesmal mit 56 100 Zuschauern nicht ausverkauft war. Trotz allem natürlich eine großartige und überragende Kulisse.
In der 67. Minute nahm Tim Walter dann den ziemlich blassen Öztunali vom Platz und brachte Dompe; das brachte noch einmal Schwung in die HSV-Offensive. Da hatte Walter zweimal ein gutes Händchen: Erstens dass er Dompe erst einmal auf den Bank gelassen und ihn so heiß gemacht hat (wahrscheinlich – so denke ich), und zweitens weil er Öztunali doch irgendwie erlöste, denn vom Seeler-Enkel ging keine Gefahr aus. Wie auf der rechten Seite auch nicht von Jattata, der teilweise erschreckend auftrat, weil er oft wie ein Kreisliga-Spieler flankte. Unfassbar für mich! Und ich kann es immer noch nicht glauben, dass wenn der unorthodoxe Flügelflitzer solche unglaublich schwachen Tage erwischt hat, Walter eine so unendliche Geduld hat – und ihn nicht auswechselt.
Dafür nahm Walter dann aber in der 72. Minute Robert Glatzel vom Rasen! Das war für mich eine kleine Sensation. Aber wahrscheinlich hatte „Papa“ da die Nase absolut gestrichen voll: Glatzel brachte vorne nichts, und verstolperte hinten bei einer Düsseldorfer Ecke fast den Ball, sodass die Fortuna fast noch in Führung gegangen wäre. Mit dieser unglücklichen Aktion hatte der gute „Bobby“ dann wohl für diesen Tag verspielt. Für Glatzel kam Andras Nemeth, und der hatte dann die gute Idee, am Düsseldorfer Strafraum den Kollegen Laszlo Benes Richtung Fortuna-Tor zu schicken. Glänzend gemacht! Benes allerdings wurde vom Fortunen Iyoha über den Haufen gelaufen, und das sah immerhin der aufmerksame Kölner Keller – und Schiedsrichter Felix Zwayer schloss sich dieser Erkenntnis und den Beobachtungen dann doch noch an. Elfmeter, Tor, Sieg. Benes verwandelte selbst souverän.
Und Tim Walter stand mit erhobenen Armen am Spielfeldrand und feierte den Dreier wie ein Feldherr, der gerade seine größte Schlacht gewonnen hat. Das darf Tim Walter gewiss auch so machen, keine Frage. Mich stört nur, wenn er, wie beim Siegtor, seine Arme in die Luft reißt, kurz spuckt und in Richtung gegnerischer Trainerbank Blicke aussendet, die nicht viel Gutes verheißen. Das macht in dieser – für mich fiesen – Art kein anderer Trainer in der Zweiten Bundesliga. Er macht es immer wieder. Aber er muss es ja auch wissen, wie „Mann“ sich Freunde macht!
Zwei schnelle Abstecher noch in den „ganz großen Fußball“.
Bei RB „Salzburg“ (sage ich immer stellvertretend für Leipzig) gegen die Bayern sah ich einen Münchner Torwart, der einst auch beim HSV sein Glück versuchte, der mit dem HSV eigentlich aufsteigen wollte, es aber auch nicht schaffte. Weil er auch nicht so recht überzeugen konnte: Sven Ulreich. Beim zweiten Tor der RBL-Truppe zeigte er sich so, wie wir ihn hin und wieder auch in Hamburg kennen gelernt haben. Ulreich, ganz in Grün spielend, hüpfte wie ein Frosch unter einem Leipziger Eckball durch – Tor. Ein Anfänger-Fehler. Immerhin aber, er zeigte sich auch von seiner besseren Seite. Wie er in der 95. Minute (!) das 2:3 in diesem Spitzenspiel verhinderte, das hatte dann doch auch einen ganz, ganz kleinen Hauch von Weltklasse. Endstand 2:2, und dieses Resultat war gerecht. In meinen Augen.
Dann noch zu einem Ex-St.-Paulianer: Timo Schultz trat im Sommer eine große Aufgabe an, er wurde Trainer des Traditions-Klubs FC Basel. Die Schweizer haben Schultz nun nach einem 1:1 im Heimspiel gegen den FC Luzern vor die Tür gesetzt. Weil Basel mit nur fünf Punkten lediglich auf Rang neun rangiert – punktgleich mit dem Tabellenletzten Stade Ouchy. Ich bin gespannt, wie es mit dem Trainer Timo Schultz nun weitergehen wird.
Ihm und Euch wünsche ich eine schöne und erfolgreiche Woche, bleibt gesund und bleibt Euren Lieblings-Klubs immer gewogen und stets treu verbunden.
Dieter Matz
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